Karriere in der Wissenschaft – Welche Phasen durchlaufen Professor:innen?
Dr. Monika Klinkhammer, 58, arbeitet seit über 25 Jahren als solo-selbständige Supervisorin, Trainerin und Coach mit eigener Praxis insbesondere im Hochschul- und Wissenschaftsbereich. In dieser Zeit führte sie über 1.000 Coachingprozesse durch. Im Interview mit hochschul-job.de verrät sie, was sie an ihrem Beruf reizt, was für sie ein gutes Coaching ausmacht, welche Phasen Professor:innen im Lauf ihrer Karriere durchschreiten, ob die Wissenschaft besonders konfliktanfällig ist und wie man in der Wissenschaft immer wieder eine life-work-balance herstellen kann.
Frau Dr. Klinkhammer, Sie haben selbst in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften promoviert. Wie erinnern Sie sich an Ihre eigene Promotionszeit und wie prägen diese Erfahrungen heute Ihre Arbeit mit Wissenschaftler:innen?
Klinkhammer: Meine eigene Promotionszeit ist zwar schon ziemlich lange her, meine Dissertationsschrift zu ‚Supervision und Coaching für Wissenschaftlerinnen‘ wurde 2004 veröffentlicht, aber natürlich ist das ein integraler Bestandteil meiner beruflichen Identität und ich erinnere mich immer wieder an diese Phase. Ich hatte mal eine Teilnehmerin in einem Workshop, die sagte zu mir ‚Frau Klinkhammer, Sie haben einen Dr.-Titel. Ach, Sie haben sich auch mal gequält‘. Die Promotion ist eine besondere Phase im Leben. Es ist ein markanter Lebensabschnitt, der für die meisten mit Hürden, Stolpersteinen, Anstrengungen und Krisen verbunden ist. Ich behaupte, es gibt keine Promotion ohne Krisen. In manchen Beratungsprozessen, beziehungsweise an Stellen, an denen es thematisch passt, erinnere ich mich dann auch an meine eigene Promotionszeit. Diese Zeit hat meine Haltung geprägt, um zu verstehen, was Menschen in diesen anspruchsvollen Arbeitsphasen, in diesen kreativen Prozessen, aber auch in diesen Krisenmomenten brauchen.
Was treibt Sie in Ihrer Arbeit an? Warum haben Sie sich dazu entschieden sich dem Coaching zu widmen?
Klinkhammer: Dieser Werdegang hat sich im Lauf meiner Berufsbiografie entwickelt. Ich habe nicht irgendwann bewusst entschieden ‚ich werde Coach in der Wissenschaft‘, sondern im Rahmen meiner eigenen Entwicklung und Orientierung ist mir das Feld begegnet und ich fand es spannend. Ich denke, ich habe den schönsten Job der Welt. Wo sonst kann man eine solche Vielfalt an Menschen, an Themen, an Arbeitskontexten oder an Rollen kennenlernen? Auch die Themenfelder, die mir begegnen, sind sehr divers. Ich arbeite mit Menschen, die etwa in der Klimaforschung, in der Krebsforschung oder in der Forschung zu Diversität, Antisemitismus oder Antirassismus tätig sind. Ich genieße es zudem, selbstständig und unabhängig in einem Ein-Frau-Unternehmen zu arbeiten. Was mich ebenfalls sehr reizt ist die hohe Motivation der Menschen, die zu mir kommen. Ich habe Ende der 90er Jahre im begleiteten Umgang und in der Jugendhilfe gearbeitet und da herrschte oft ein Zwangskontext in der Beratung. Das ist im Coaching von Wissenschaftler:innen eigentlich nie der Fall. Fast alle, die dieses Beratungsformat kennengelernt haben, kommen gerne und manche auch nach einiger Zeit nochmals. Bei mir haben sich rückblickend viele langjährige Coaching-Beziehungen entwickelt. So habe ich einige Wissenschaftler:innen wirklich von der Promotion bis zur Professur in den verschiedenen Phasen der Karriere begleitet. Einerseits herrschen in der Wissenschaft sehr klare Laufbahnstrukturen, andererseits stellen sich karrierestrategische, existenzielle und Identitätsfragen. Wissenschaftler:innen arbeiten bedingt durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz einerseits meist auf befristeten 50%-Stellen. Hier ist oft vom Prekariat Wissenschaft die Rede, mit dem sie sich irgendwie arrangieren müssen. Andererseits bedarf es, um in der Wissenschaft erfolgreich zu sein, einer stabilen Identität und Identifizierung mit dem Feld und mit den eigenen Forschungsthemen sowie eines Durchhaltevermögens. Jeder Coaching-Prozess ist anders. Jede Person, die ich begleite, bringt auch mir neue Impulse und ich lerne immer wieder selbst etwas dabei. Mir wird es nie langweilig und das finde ich wunderbar.
Womit befassen Sie sich grundsätzlich? Welche Felder umfasst Ihr Leistungsportfolio?
Klinkhammer: Ich bin auf drei Standbeinen unterwegs. Das erste und bedeutendste ist das Coaching. Ich biete Coaching für alle Statusgruppen in der Wissenschaft in verschiedenen Settings an und arbeite so mit Promovierenden, Post-Docs, Professor:innen, Führungskräften im Hochschulkontext, aber auch mit Verwaltungsleiter:innen oder Leiter:innen von Graduiertenprogrammen zusammen. Meist finden diese Coachings in sogenannten Dreieckskontrakten statt. Das heißt, es bestehen Kooperationen mit Hochschulen als Auftraggeberinnen. Als ich vor 25 Jahren angefangen habe, haben die Klient:innen das Coaching oft aus eigener Tasche bezahlt. Heute wird es meist von den Hochschulen über die Personalentwicklung, Hochschuldidaktik, Frauenförderung oder Nachwuchsförderung angefragt und finanziert. Der zweite Bereich ist meine Tätigkeit als Trainerin in der Weiterbildung mit einer Vielzahl an Themenschwerpunkten. Der Klassiker hierbei ist die Lebens- und Karriereplanung. Für mich sollten Karrierestrategien immer im Zusammenhang mit der eigenen Lebensplanung und der eigenen Lebenssituation stehen. Zu diesem Themenfeld zählen beispielsweise die Vorbereitung auf Berufungsverfahren oder Verhandlungstrainings. Dabei geht es nicht nur um die Erstberufung, sondern auch um Berufungen von Wissenschaftler:innen, die bereits eine Professur haben. Wenn Professor:innen die Ressourcen des eigenen Fachbereichs oder das eigene Gehalt verbessern wollen, geht das meist nur durch den Ruf an eine andere Universität. Sie beteiligen sich also an einem Berufungsverfahren und gehen dann mit dem erhaltenen Ruf an ihre bisherige Institution und verhandeln ihre eigene Position. Man nennt das Bleibeverhandlung. Auch das Training von Führungskräften oder die Stärkung einer life-work-balance biete ich in diesem Kontext an. Mein drittes Standbein ist das Engagement in der Professionalisierung von Supervision und Coaching, auch über die Weiterbildung von Coaches und Supervisor:innen. Ich war zehn Jahre lang in der wissenschaftlichen Leitung eines DGSv-anerkannten Zertifikatskurses an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin, den ich mit konzipiert habe, tätig. Zudem durchlaufen die meisten Coaches während ihrer Ausbildung einen eigenen Coaching- oder Supervisionsprozess und da bin ich nach wie vor auch für andere Weiterbildungsträger:innen unter anderem als Lehrsupervisorin engagiert.
Coaching in der Wissenschaft – Man muss seine Möglichkeiten und Grenzen kennen
Was macht für Sie persönlich ein gutes Coaching aus?
Klinkhammer: Gutes Coaching setzt für mich erst einmal voraus, dass die Person, die coacht, über Kernkompetenzen verfügt und eine fundierte Ausbildung hat. Damit meine ich Ausbildungen, die von Berufs- und Fachverbänden, beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching oder vom Deutschen Coaching Verband, anerkannt sind. Diese geben Standards mit klaren Kriterien und Anforderungen für die Aus- und Weiterbildung von Supervisor:innen und Coaches vor. Coach ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Jeder/Jede kann sich Wissenschaftscoach nennen. Gutes Coaching setzt zudem ein fundiertes Beratungskonzept voraus und geht im Hinblick auf die Prozessgestaltung einerseits zielorientiert und andererseits ergebnisoffen vor. Am Anfang des Coachings werden ein Rahmen und eine Zielsetzung definiert, an denen entlang gearbeitet wird, aber wenn sich Änderungen ergeben, ist eben eine gewisse Offenheit wichtig. Gute Coaches müssen ebenfalls wissen, was ihre eigenen Möglichkeiten und Grenzen sind. Es muss eine klare Grenze zur Psychotherapie oder psychologischen Krisenintervention gezogen werden. Im Fall eines gravierenden Burn-outs zum Beispiel bedarf es der Weiterverweisung an Mediziner:innen oder Psychotherapeut:innen. Darüber hinaus sind ein klares Konzept und eine Grundausrichtung entscheidend. In meinem Fall ist das die Humanistische Psychologie und der Gestaltansatz. In der Praxis ist dann natürlich das Thema Verschwiegenheit zentral. Dazu gehört beispielsweise, dass Rechnungen an Institutionen so codiert werden, dass der Name des/der Coachee nicht offen auf der Rechnung steht. Es steht dann zum Beispiel nur ‚Coaching einer Führungskraft‘ auf der Rechnung. Auch der reflexive Charakter eines Coachings ist mir wichtig. Ich arbeite mit Menschen auf Augenhöhe und im Dialog zusammen. Es geht nicht darum zu sagen, was richtig oder falsch ist, sondern zu schauen, was braucht die Person. Dazu gehört auch der Einbezug aller Dimensionen, der persönlichen Ebene, der Rollen, des organisatorischen Kontextes und der Inhalte, die eine Person ausmachen. Nur die Person zu fokussieren oder sogar zu psychologisieren und dabei den Kontext aus den Augen zu verlieren oder nur die Organisation zu betrachten, das wäre mir zu eng gefasst. Stattdessen ist dieser Einbezug aller Dimensionen für mich grundlegend für ein professionelles Verständnis von Coaching.
Sie beschäftigen sich mit der professionellen Entwicklung und Profilierung in der Wissenschaft. Wie beginnt denn die Karriere in der Wissenschaft üblicherweise und welche Phasen durchschreiten Professor:innen während der Berufslaufbahn?
Klinkhammer: Die Professur lässt sich entlang der Wissenschaftskarriere in verschiedene Phasen einteilen. Es beginnt nach der Promotion mit einer Profilierungsphase, in der über eine Post-Doc-Stelle, die Leitung einer Forschungsgruppe oder über die klassische Habilitation eine wissenschaftliche Profilierung stattfindet. Die Wissenschaftler:innen arbeiten bereits eigenständig wissenschaftlich, teilweise auch in Leitungspositionen, werden aber noch immer als Nachwuchs tituliert. In dieser Phase bewerben sich die Wissenschaftler:innen auf eine Professur. Für mich ist es wichtig zu differenzieren: Die Bewerbung auf eine Professur an einem Universitätsklinikum ist komplett anders ausgerichtet als auf eine Professur an einer Hochschule der angewandten Wissenschaften oder an einer privaten Hochschule. In der Profilierungs- und Berufungsphase muss man sich einerseits bereits als Professor:in aufstellen sowie eine Professur konzeptionell kreieren und arbeitet andererseits auf einer befristeten Stelle oder ist vielleicht sogar arbeitslos. Man bringt sich also im Berufungsprozedere, etwa über das Konzept zur Professur, schon in die neue Organisation ein und betreibt indirekt ein stückweit Organisationsentwicklung, obwohl man von dieser noch gar nicht bezahlt wird. Es folgt die Verhandlungs- und Einstiegsphase. Da spielt in den vergangenen fünf bis zehn Jahren die Juniorprofessur eine verstärkte Rolle, entweder mit Tenure-Track oder ohne. Mit Tenure-Track sind die Gleise für die spätere W2- oder W3-Professur bereits angelegt, aber gleichzeitig ist man noch im Bewährungs-, Evaluierungs- und somit indirekt verlängerten Auswahlprozess. In dieser zweiten Phase ist es wichtig, sich als professorabel zu positionieren, seine Rolle als Professor:in zu verinnerlichen und in diesem Bereich die Grundlagen im Lehrstuhl zu schaffen. Die dritte Phase ist die Konsolidierungsphase als Professor:in. In dieser Phase kommt man richtig in der Institution an, managt ein oder zwei Studiengänge und baut erste Promotionsbeziehungen auf. Danach folgt eine Phase der Differenzierung.
Karriere in der Wissenschaft – Aufstieg oder Fachkarriere?
Welche Karriereoptionen haben Professor:innen in dieser Differenzierungsphase?
Klinkhammer: Manche Professor:innen haben in dieser Phase das Gefühl, die eigene Hochschule sei zu begrenzt und suchen sich etwas Größeres. Andere überlegen, sie würden gerne ein Institut aufbauen, eine neue Denkschule an der Hochschule kreieren oder internationale Kooperationen für einen Master-Studiengang im größeren Stil etablieren. Wieder andere übernehmen Positionen in der Leitung der Hochschule oder weitere repräsentative Aufgaben, die über die eigentliche Professur hinaus gehen. Grundsätzlich stehen Professor:innen vor der Entscheidung, ob sie – vorübergehend oder auf Dauer – in Spitzenpositionen in der Organisation gehen und die Karriereleiter sozusagen nach oben klettern oder ob sie ihre wissenschaftliche Profilierung breiter aufstellen. Im zweiten Fall stellt sich wiederum die Frage, verbindet man sich engagierter mit der Fachcommunity oder eher intensiver mit der eigenen Institution. Auch in Fachgesellschaften kann man Karriere machen und dort Führungspositionen übernehmen.
Wie geht es nach dieser Entscheidungsfindung weiter?
Klinkhammer: Irgendwann im Alter von 50 oder 55 kommt die Frage auf ‚Was will ich noch vom Leben? Will ich nochmal einen großen Wurf starten oder mache ich die nächsten zehn Jahre weiter wie gehabt?‘ Man kann das als ‚mid-professorship-crisis‘ titulieren. In dieser Phase spielen Burn-out, chronische Erschöpfung und life-work-balance eine zentrale Rolle. Wissenschaftler:innen stehen zwar unter großen Leistungsdruck, haben aber gleichzeitig Spaß an ihrer Arbeit. Dies führt dazu, dass einige Professor:innen über Jahre hinweg über ihre eigenen Grenzen hinaus gehen. Das hängt auch mit der Überfrachtung der Professur und der Rollenvielfalt zwischen Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung zusammen. Oft erlebe ich, dass Professor:innen keine ausreichende Zeit für ihre eigene Forschung haben. Manche konzentrieren sich dann nur noch auf die eigene Forschung oder auf das Forschungsmanagement und überlassen die übrigen Aufgaben jüngeren Wissenschaftler:innen, oder genau anders herum, um diesem Dilemma zu entkommen. Einige reduzieren auch ihr Engagement oder ziehen sich ganz zurück. Mit Anfang/Mitte 60 kommt dann die Phase des Vorruhestandes, in der sich die Frage stellt, wie man das off-boarding gestaltet und ob man als ‚senior‘ an der Hochschule bleibt oder nicht. Im Coaching wird der Fokus oftmals auf die Vorberufungsphase gelegt, während die ‚senior‘ Phase oder das off-boarding häufig vernachlässigt werden und Professor:innen diese Phase selbst gestalten müssen.
Welchen Einfluss haben denn die Berufsbiografie und die eigene Identität auf die Karriere? Und wie adressieren Sie diese Themen konkret im Coaching?
Klinkhammer: Das Coaching ist meist in einem relativ knappen Setting angelegt. Es gibt Hochschulen, die bieten nur einen Termin an und titulieren das als Coaching. Das ist für mich aber kein Coaching. In der Regel mache ich mehrere Sitzungen mit anderthalb bis zwei Stunden und die Klient:innen kommen anlass- oder themenbezogen zu mir. Ein Thema ist beispielsweise die Betreuungssituation von Doktorand:innen. Wie gestalte ich meine Führungsrolle? Wie lässt es sich regeln, dass die Betreuten einerseits promovieren und andererseits Zuarbeiten leisten? Da kann es durchaus eine Rolle spielen, welche Erfahrungen die Coachees selbst während ihrer Berufsbiographie gemacht haben. Man wiederholt die Muster aus der eigenen Berufsbiografie bewusst oder unbewusst. Wer in der eigenen Qualifizierungsphase gute Erfahrungen mit der Betreuungsperson gemacht hat, versucht dies zu kopieren oder wer schlechte Erfahrungen gemacht hat, versucht es explizit anders und besser zu machen. Eigene Krisen oder Kränkungen, die man erlebt hat, spielen da eine große Rolle. Ein weiteres Phänomen, das mir in diesem Kontext begegnet, ist das Hochstapler:innen-Syndrom in der Wissenschaft. Einige Wissenschaftler:innen, insbesondere in Übergangssituationen auf dem Weg zur Professur, fühlen sich häufig als würden sie hochstapeln. Da spielt auch die soziale Herkunft eine entscheidende Rolle. Gerade Menschen, die aus nicht-akademischen Kontexten kommen, haben anfangs häufig das Gefühl an der Universität fehlplatziert zu sein, so als ob sie gar nicht dorthin gehörten.
Dr. Monika Klinkhammer: „Konflikte in der Wissenschaft sind vielschichtig und komplex“
Sie beschäftigen Sie sich auch mit Konfliktmanagement. Ist die Wissenschaft denn ein besonders konfliktanfälliger Bereich?
Klinkhammer: Im Hochschulkontext sind spezifische Konfliktkonstellationen vorhanden, die es in anderen Berufsfeldern so nicht gibt. Ich denke dabei nicht an schlimmer oder weniger schlimm, sondern eher an komplexer und vielfältiger. Dementsprechend ist auch das Konfliktmanagement mit anderen Herausforderungen verbunden. Der Hochschulbereich ist gespickt mit Anforderungen und Ambivalenzen, die Konflikte produzieren. Klassisch sind beispielsweise Mehrfachrollen und Rollenkonflikte. Die Rolle von Professor:innen ist definiert zwischen Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung. Mittlerweile geht es auch um Forschungsmanagement und immer auch um Führungsqualifikation. Allein die Rollen als Forschende und Lehrende übereinander zu bringen, birgt Konflikte. Wie viel Zeit investiere ich worin? Wem widme ich mich? Wie kann ich Synergien herstellen? Wie gehe ich mit dem Zeitkonflikt zwischen Vorlesungszeit und vorlesungsfreier Zeit um und wie lassen sich da Schwerpunkte setzen? Es ist ein dauerhafter Konflikt, in dem man immer wieder Menschen oder Aufgabenbereiche enttäuschen muss, denn man kann nicht alles machen. Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Verteilung von Ressourcen. Es gibt Fachbereiche, die werden mit Geldern überschüttet und wissen gar nicht, wie sie das Geld ausgeben sollen, während andere Bereiche komplett unterfinanziert sind und ein Ringen um die Mittel entsteht.
Ergeben sich spezifische Konflikte während der Promotionszeit?
Klinkhammer: Auch das ist eine klassische Konfliktsituation, die sich aus der gemischten Tätigkeit ergibt. Doktorand:innen sind einerseits oftmals bei einem Professor/einer Professorin angestellt und promovieren andererseits in einem Projekt des gleichen Professors/der gleichen Professorin. Da entsteht dann wiederum ein Rollenkonflikt zwischen Chef:in und Betreuer:in. Auch der Aufbau des Betreuungskonzeptes und der Betreuungsbeziehung kann schwierig sein. Was ist richtig? Was ist falsch? Welchen Pfad verfolgen die Doktorand:innen? Am Anfang geht es darum zu unterstützen, einen Rahmen zu schaffen und Hinweise zu geben. Dann arbeiten die Doktorand:innen zunehmend selbstständig.
Karriere in der Wissenschaft – Es gibt keine nine-to-five Jobs
Wie balanciert man als Professor:in am besten zwischen Forschung und Lehre sowie zwischen Führung, Nachwuchsbetreuung und Verwaltung und wie gehen Sie diesen Spagat im Coaching an?
Klinkhammer: Es kann helfen erst einmal ein Rollogramm anzulegen, um eine Übersicht darüber zu schaffen, welche Rollen es gibt, welche Erwartungen gestellt werden und wo die eigenen Leidenschaften liegen. Dann kann man erkennen, was will ich wirklich gerne machen und wie koordiniere ich das. Unter Umständen erkennt man, dass man die Rolle als Leiter:in einer Forschungsgruppe, in der man Personalgespräche führen, Arbeitsverträge verlängern oder Zeugnisse schreiben muss, nicht so gut mit der Rolle als Forscher:in vereinbaren kann. Mir geht es im Coaching zwar auch darum, Karriere- oder Handlungsstrategien zu vermitteln, vor allem jedoch die Selbstreflexion anzuregen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie man berufliche Herausforderungen vielleicht schon einmal gemeistert hat und an diese eigenen Stärken und Ressourcen anknüpfen kann.
Stichwort life-work-balance: Wie erreicht man das in einem System wie der Wissenschaft, das sehr kompetitiv ist und in dem man immer noch mehr machen könnte?
Klinkhammer: In der Wissenschaft gibt es keine nine-to-five-Jobs. Man muss sich die Anforderungen bewusst machen und man muss sich klar machen, wie viel Zeit man arbeiten möchte. Will ich 60 Stunden die Woche arbeiten? Über welchen Zeitraum hinweg will ich das aufrechterhalten? Man sollte Zeitfenster klar zuordnen. Dazu gehört auch, dass man sich Urlaub oder Forschungszeiten nimmt und in dieser Zeit vielleicht auch mal gänzlich offline ist. Dies muss man dann auch entsprechend ins System implementieren und an das Dekanat, den Fachbereich, das Sekretariat, die Mitarbeitenden und die Kolleg:innen kommunizieren. Das viel Wichtigere ist dann aber, sich selbst daran zu halten und sich selbst zu begrenzen. Diese Balance muss immer wieder neu hergestellt werden.
Das Gespräch führte Redakteurin Carolin Heilig am 21.12.2022.