Promotion Bauingenieurwesen – „Man muss wissen, wie man auf sich selbst Acht gibt.“

David Böhler, 32, forscht am Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz der Technischen Universität Braunschweig zu additiven Fertigungsverfahren im Bauwesen. Im Interview mit hochschul-job.de verrät er, wie die Zukunft des Bauwesens aussehen könnte, welche Charaktereigenschaften für das Gelingen einer Promotion von Vorteil sind und womit er sich in seiner Position als Promovierendenvertreter auseinandersetzt.

Doktorand Bauingenieurwesen David Böhler – Foto: iBMB

Herr Böhler, womit beschäftigen Sie sich im Rahmen Ihrer Promotion?

Böhler: Zu Beginn der Promotion ist das Thema erst einmal grob umrissen und wird dann im Laufe des Prozesses immer detaillierter ausgearbeitet. Mein Oberthema ist die additive Fertigung im Bauwesen, also 3D-Drucken von Bauwerken. Die Präzisierung habe ich noch nicht vorgenommen.

Wie könnte diese additive Fertigung eines Bauwerkes in der Praxis von Statten gehen?

Böhler: Man hat einen Roboter, der digital gesteuert, die Materialien, die für diese spezielle Art der Fertigung entwickelt worden sind, schichtweise aufeinanderlegt. Es gibt dabei mehrere Varianten der Durchführung. Das Ganze befindet aktuell aber noch in der Grundlagenforschung. Einerseits gibt es das Konzept, in einer Firma mit 3D-Druckern Fertigteile herzustellen, diese auf die Baustelle zu fahren und das Gebäude dort zusammen zu setzen. Eine weitere Idee, auf die andererseits hingearbeitet wird, ist der Druck eines Gebäudes vor Ort mit einem Roboter, der direkt auf der Baustelle zum Einsatz kommt.

Wie lange würde es ungefähr dauern bis ein solches Haus fertig gestellt ist? Spricht man da über Stunden oder spricht man über Tage?

Böhler: Da ist die Forschung noch in einem zu frühen Stadium, um diesbezüglich eine verlässliche Aussage treffen zu können. Wir befinden uns in der absoluten Grundlagenforschung. Die ersten Häuser wurden jetzt gebaut. Ich war hierbei nicht beteiligt und kann daher diesbezüglich keine Aussage treffen. Bestenfalls sind die Verfahren irgendwann aber so aufeinander abgestimmt, dass man ein Haus schlussendlich in wenigen Tagen bauen kann.

Würden Sie eine Prognose wagen, ab wann 3D-gedruckte Häuser serienreif sind?

Böhler: Nein, dazu kann ich ebenfalls leider keine Prognose abgeben, da das von zu vielen Faktoren beeinflusst wird. Das hängt einmal von der Bauindustrie ab, ob und wie stark diese neuen Verfahren angenommen werden. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzbar. Dann hängt es von politischen Faktoren ab, auf welche Gesetze hin möglicherweise Prozesse in Bewegung kommen und es hängt davon ab, wie sich der Fachkräftemangel weiterentwickelt. Vielleicht ist die Industrie am Schluss schlichtweg gezwungen additive Fertigungsverfahren anzuwenden, weil dies weniger Leute bindet und dann produktiver ist. Darüber hinaus müssen die Verfahren noch normiert werden. Da ist wiederrum die Frage, wie schnell die Entwicklung der Normen voranschreitet.

Wie läuft Ihre Forschung am Institut konkret ab?

Böhler: Wir betreiben Grundlagenforschung und betrachten die additiven Fertigungsverfahren aus einer baustoffkundlichen Perspektive. Uns interessiert beispielsweise, was mit dem Baustoff passiert, wenn Parameter verändert werden und wie sich bestimmte Änderungen auf die Festigkeit des Materials auswirken. Was geschieht, wenn ich mit der Düse schneller verfahre, wenn ich andere Inhaltsstoffe hinzugebe, wenn ich mehr Betonvolumen aufspritze oder weniger oder, wenn ich die Druckluft erhöhe und reduziere? Es gibt viele sogenannte Material- und Prozessparameter. Diese variieren wir systematisch, werten die Ergebnisse aus und schauen, ob wir eine schlüssige und erklärbare Tendenz beispielsweise für die Festigkeitsentwicklung oder die Geometrie ableiten können.

Gibt es einen Aspekt, der Sie an Ihrer Forschung besonders fasziniert?

Böhler: Beim additiven Fertigungsverfahren hat man oftmals einen schichtweisen Aufbau und das führt dazu, dass ein inhomogener Gefügeaufbau vorliegt, was dann beispielsweise eine Auswirkung auf die Festbetoneigenschaften haben kann. Ich finde es spannend, hierbei Stück für Stück tiefer in das 3D-gedruckte Material einzutauchen. Man hat zu Beginn eine These und sieht dann in den Versuchen ‚ja, die These haut hin – cool, super und weiter geht’s‘. Zudem forsche ich zu unterschiedlichen Verfahren. Es gibt diverse, additive Fertigungsverfahren und da ist es spannend zu sehen, wie unterschiedlich diese sind, wie gut sie funktionieren und was man damit machen kann. Es gibt Verfahren, die können auf ein paar Zentimeter genau drucken und dann gibt es Verfahren, die schaffen es auf wenige Millimeter genau. Damit kann man bereits heute Skulpturen drucken.

Promotion Bauingenieurwesen – vielfältige Aufgaben bestimmen den Arbeitsalltag

Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag am Institut?

Böhler: Mein Alltag wird von unterschiedlichsten Bereichen bestimmt. Erst einmal gibt es die Projektarbeiten. Da arbeitet man an ein, zwei oder drei unterschiedlichen Forschungsprojekte mit unterschiedlichem Budget und unterschiedlichen Projektpartner:innen. Das nimmt einen wesentlichen Teil meiner Arbeitszeit ein. Darüber hinaus habe ich diverse weitere Aufgabe, wie institutsinterne Meetings oder manchmal auch Lehre. Da halte ich beispielsweise eine Vorlesung oder eine Übung oder bin in die Organisation der Lehre involviert. Das ist schwankend, wie viel Zeit das über das Jahr verteilt einnimmt. Manche geben auch gar keine Lehre aber bei uns am Institut ist es so geregelt, dass jeder/jede zumindest für wenige Jahre unterrichtet. Die Lehre gibt dann natürlich feste Termine im Arbeitsalltag vor. Dann stehen immer wieder Versuchskampagnen oder Laborarbeiten an. Die führe ich aber nicht alleine durch, sondern bekomme Hilfe von Techniker:innen oder Hilfswissenschaftler:innen. In diesem Kontext mache ich die Labor- und Arbeitsplanung und überlege mir, wie viele Leute ich brauche, was für einen Versuch ich durchführen will, was ich rauskriegen will und wie der Versuchsstand aufgebaut werden muss. Wenn die Versuche durchgeführt sind, muss man die Ergebnisse auswerten, die Erkenntnisse bestenfalls in den Stand der Wissenschaft einordnen und erklären, warum man genau diese Ergebnisse rausgekriegt hat, um den Wissensgewinn am Ende in Form einer Veröffentlichung, eines Papers oder im Rahmen einer Konferenz an die Gesellschaft zurückzugeben.

An welchem Punkt Ihrer Promotion sind Sie gerade?

Böhler: Ich bin jetzt fast zwei Jahre dabei und langsam starte ich damit, mir zu überlegen, was ich in meiner Doktorarbeit detaillierter untersuchen möchte. Ähnlich wie bei einer Masterarbeit oder einer Studienarbeit beginnt man damit sich eine Gliederung zu überlegen, um abzustecken, wo die Reise inhaltlich hingehen soll und welche Literatur man betrachten möchte. Sobald ich mir ein endgültiges Thema überlegt habe, kann ich entsprechende Versuchskonzepte entwickeln. Im Bauingenieurwesen würde ich sagen, ist es üblich, dass man zwischen vier und sechs Jahren für die Promotion braucht. Die meisten schöpfen die sechs Jahre aus, die man maximal an der Universität bleiben darf.

Bleibt Ihnen Zeit für Freizeit oder sind Sie rundum eingebunden?

Böhler: Ich würde sagen, ich kriege es hin, dass mir Freizeit bleibt, aber man muss schon schauen, wo man bleibt und natürlich hat alles seine Höhen und Tiefen. Es gibt auch Wochen, die sehr voll sind, in denen man viel arbeitet aber in meinem Fall bleibt es dennoch im Rahmen.

Wie ist die Stimmung bei Ihnen am Institut?

Böhler: Die Stimmung ist grundsätzlich ziemlich gut. Es ist ein kollegiales Team bei uns am Institut, jeder/jede hilft jedem, niemand versteckt etwas vor den anderen. Es ist eine ehrliche Zusammenarbeit. Wir sind ein sehr junges Team, inklusive der Vorgesetzten.

Finanzierung der Forschung – Träger:innen stellen finanzielle Mittel für Materialkosten und Equipment bereit

Sie finanzieren ihr Leben über die Anstellung an der Universität. Wie ist darüber hinaus die Finanzierung Ihrer Forschung geregelt?

Böhler: Das Forschungsprojekt wird von verschiedenen Träger:innen finanziert. Mir stehen gewisse finanzielle Mittel für Materialkosten oder Equipment zur Verfügung. Das ist relativ unkompliziert. Kleinere Beträge werden direkt abgerechnet. Wenn es größere sind, muss man eine Ausschreibung machen. Natürlich greife ich darüber hinaus auf ein bestehendes System zurück, denn das Institut hat Laborequipment, das ich für meine Forschung nutzen kann.

Mussten Sie diese Fördermittelanträge selbst stellen oder bestanden die bereits als Sie sich auf die Stelle beworben haben?

Böhler: Die bestanden bereits als ich mich beworben habe. Es kann jetzt im Lauf der Anstellung passieren, dass ich selbst an Anträgen mitschreibe, aber zu Beginn lagen genehmigte Anträge vor und an diesen Projekten arbeite ich nun erst einmal.

Ist das der Regelfall, dass die Anträge bereits genehmigt sind, wenn man eine Stelle antritt?

Böhler: Das hängt vom Institut ab. Ich kenne auch Institute, an denen der wissenschaftliche Mitarbeiter/die wissenschaftliche Mitarbeiterin selbst zu Beginn der Anstellung oder sogar noch am Ende des Studiums Projektanträge schreibt und so versucht Mittel zu beschaffen. An unserem Institut ist es eher üblich, dass bei Neuanstellungen bereits Projekte vorliegen, auf die man gesetzt wird und mit denen man startet.

Doktorand David Böhler – „Ich habe Lust auf wissenschaftliches Arbeiten“

Wieso haben Sie sich grundsätzlich für die Promotion entschieden? Was waren Ihre Beweggründe diesen Schritte zu gehen, der ja, das ließen Sie bereits anklingen, stressig und arbeitsintensiv sein kann?

Böhler: Für mich ist es so, dass die Promotion am Schluss bestenfalls „nice to have“ ist. In allererster Linie habe ich Lust auf wissenschaftliches Arbeiten und genau das mache ich. Wenn am Schluss die Promotion gelingt, freue ich mich riesig darüber, aber ich mache das nicht aus reinem Promotionsinteresse. Der Antrieb ist weniger der Abschluss in Form einer Promotion, sondern eher die Arbeitsweise und das Thema. Und man ist natürlich am Zahn der Zeit. Man sieht ganz aktuell, was in der Wissenschaft passiert und wie die Entwicklungen sind, gerade wenn man in einem jüngeren Forschungsfeld unterwegs ist und dessen Anfänge miterlebt.

Können Sie sich an Hochs und Tiefs Ihrer Promotionszeit erinnern? Vielleicht auch an Momente, in denen man sich überwinden muss, weiterzumachen?

Böhler: Ich glaube, das hat jeder/jede mal mehr oder weniger. Hochs sind, wenn Versuche gelingen, wenn man gute Ergebnisse generiert und wenn diese Ergebnisse dann vielleicht sogar in Form eines Papers Anklang in der Forschungswelt finden und man das Gefühl hat, die Leute interessieren sich dafür. Tiefs sind natürlich, wenn man total überladen und überfrachtet ist mit Arbeit, gar nicht mehr weiß, wo oben und unten ist und nur noch priorisiert Aufgaben abarbeitet.

Was muss man ihrer Meinung nach an Charakterzügen mitbringen, damit die Promotion gelingt?

Böhler: Ich würde sagen, die allerwichtigste Qualität ist Strukturiertheit. Man muss sich selbst, seine Arbeit und die Forschung strukturieren können. Es ist fast immer so, dass man sehr viel zu tun hat, also muss ich strukturiert priorisieren, was für heute wichtig ist und was für morgen wichtig ist. Welche Arbeiten muss ich vorziehen, welche Arbeiten kann ich hintenanstellen? Aus meiner Perspektive ist das eine der wesentlichen Fähigkeiten, die man mitbringen muss, denn sonst hat man ein sehr hohes Risiko, dass man im Workload versinkt. Auch eine gewisse Zähigkeit ist wichtig, damit man das Ganze bis zum Schluss durchziehen kann. Man muss aber auch wissen, wie man auf sich selbst Acht gibt, wann man mal ein bisschen kürzertreten muss und wann man wieder mehr geben kann.

Engagement im Promovierendenrat – Betreuungsthemen sind ein Standardfall

Sie sind Mitglied des Promovierendenrats an der TU Braunschweig. Was reizt Sie an diesem Engagement?

Böhler: Es hat bereits im Studium begonnen, dass mich hochschulpolitische Prozesse interessiert haben und ich es spannend fand, da positive Veränderungen herbeiführen zu können. Ich habe mich während des Studiums im Fachschaftsrat engagiert und der Rat der Promovierenden ist im Prinzip nichts anderes als die Fachschaft für Promovierende.

Was sind Themen, die die Promovierenden bewegen und mit denen sie an den Rat herantreten?

Böhler: Betreuungsthematiken sind ein Standardfall. Da kommen die Promovierenden zu uns und wir versuchen zu vermitteln oder in den Fakultäten die entsprechenden Ansprechpartner:innen zusammen zu bringen. Was man dazu sagen muss, wir sind eine recht junge Gruppe. Den Rat der Promovierenden an der TU Braunschweig gibt es erst seit einigen Jahren, deswegen ist da vieles noch im Aufbau. Teilweise merken wir beispielsweise, dass wir selbst noch gar nicht tief genug im Thema sind, um eine professionelle Beratung anzubieten für jemanden, der Probleme mit seinen Betreuer:innen hat. Darüber hinaus sind wir als Sprecher:innen der Promovierenden in den verschiedenen Gremien vertreten und haben entweder ein Stimmrecht oder dürfen unsere Meinung einbringen.

Zum Abschluss noch ein kleiner Blick in Ihre Zukunft: Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?

Böhler: Vermutlich in einem Unternehmen. Die Forschung ist recht undurchlässig. Ich sehe mich daher eher in einem innovativen Unternehmen, das Innovationen nicht nur mit Beton verknüpft, sondern auch allgemeinen Fragestellungen zur Nachhaltigkeit nachgeht. Wo ist der Beton wichtig, wo ist er vielleicht nicht so wichtig, wo kann ich ihn durch andere Baustoffe ersetzen, wie kann ich das Bauwesen allgemein ökologischer machen? Und das Ganze vielleicht vereinbart mit der Idee einer work-life-balance.

Das Gespräch führte Redakteurin Carolin Heilig am 18.07.2022.

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