Ratgeber Sprachwissenschaften – Wege durchs Studium und rein in den Beruf
Die Sprache ist unser tagtäglicher Begleiter. Da erscheint es naheliegend sich in einem Studium und im späteren Berufsleben mit diesem Thema zu beschäftigen. Dieser Artikel soll die Vielfältigkeit der Sprachwissenschaft erläutern sowie die besten Studienorte und Berufsperspektiven aufzeigen.
Was versteht man eigentlich unter Sprachwissenschaft?
Linguistik, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Philologie – Wer sich für die hohe Kunst der Sprachen interessiert, sieht sich schnell mit einem Begriffschaos konfrontiert. Deshalb klären wir allem voran, was sich genau hinter den verschiedenen Begriffen verbirgt.
Grundsätzlich handelt es sich bei allen Disziplinen um Geisteswissenschaften. Linguistik und Sprachwissenschaft sind als Synonyme zu verstehen.
Der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure führte den Begriff linguistique für seine Disziplin ein. Das Wort leitet sich vom lateinischen lingua ab, was Zunge, Rede oder Sprache bedeutet und beschäftigt sich dementsprechend mit dem Gesprochenen Wort. Sprachwissenschaft ist demnach die zugehörige deutsche Übersetzung.
Es geht in der Linguistik aber mitnichten ausschließlich darum eine Sprache perfekt zu beherrschen, sondern vielmehr darum eine Sprache, ihren Aufbau, ihre Funktion und ihre Bedeutung zu untersuchen.
Hierzu gliedert sich die Sprachwissenschaft in verschiedene Bereiche:
- die Phonetik (Lautlehre)
- die Semantik (Bedeutungslehre)
- der Syntax (Satzbau)
- die Morphologie (Wortbildung)
- die Pragmatik (Sprachgebrauch)
Während sich die Linguistik also mit dem gesprochenen Wort beschäftigt, erforschen Literaturwissenschaftler:innen das, was niedergeschrieben wurde sowie dessen Aufbau, Struktur, Stil, Geschichte und Interpretation. Dabei werden auch verschiedene Autor:innen- und Leser:innenkonzepte untersucht. Welche Rolle spielt der Autor/die Autorin für einen Text und wie wird dieser von der Leser:innenschaft rezipiert? Des Weiteren spielt die Zuordnung von Texten zu verschiedenen Gattungen und Epochen eine wichtige Rolle. Die Auswertung der Texte wird auf Basis unterschiedlicher theoretischer Grundlagen, wie dem Positivismus, des Feminismus oder des Strukturalismus, vorgenommen.
Die Wissenschaft der Philologie steht als verbindender Überbegriff für die Linguistik und die Literaturwissenschaft. Das Wort Philologie leitet sich vom lateinischen philologia ab, was mit „Liebe zur Sprache“ übersetzt werden kann. Die traditionelle, anfängliche Philologie beschäftigte sich mit dem Altgriechischen und dem Lateinischen. Heutzutage werden auch die modernen Sprachen untersucht. Unter Anglistik, Romanistik, Germanistik, Skandinavistik usw. versteht man dann die Philologie speziell für einzelne Sprach- und Kulturräume.
Die besten Universitäten für ein sprachwissenschaftliches Studium im Überblick
Es gibt an deutschen Universitäten ein breites Angebot an Studiengängen der reinen Linguistik, der Literaturwissenschaft oder der Philologie für verschiedenste Sprachen. Besonders beliebt unter den Studierenden sind dabei laut Erhebungen des statistischen Bundesamtes die Germanistik und die Anglistik. Darüber hinaus ist auch die Romanistik ein Klassiker unter den philologischen Studiengängen und wird an vielen Universitäten angeboten, wobei in diesem Studienfach meist ein Schwerpunkt auf eine der verschiedenen romanischen Sprachen gelegt wird. Über diese „großen Drei“ hinaus gibt es eine breite Vielfalt an philologischen Studiengängen, die sich mit den unterschiedlichsten regionalen Sprach- und Kulturräumen beschäftigen. Es ist kaum möglich absolut jeden Studiengang aufzuzählen, zumal die Benennung der Studiengänge je nach Universität variiert, obwohl ähnliche Inhalte vermittelt werden. Trotzdem soll an dieser Stelle ein kleiner Einblick gegeben werden, um die vorhandene Vielfalt zu verdeutlichen:
- Russistik
- Polonistik
- Slavistik
- Sorabistik
- Skandinavistik/Fennistik
- Sinologie
- Koreanistik
- Arabistik
- Baltistik
- Niederlandistik
- Amerikanistik
- Afrikanistik
- Turkologie
Je nach gewählten Landesbezug empfiehlt sich ein Auslandsaufenthalt im jeweiligen Land, das für das Studium von Interesse ist. Hierfür haben die deutschen Universitäten in der Regel eine Auswahl an Partneruniversitäten, an denen Auslandssemester mit Förderungen wie ERASMUS-Stipendium oder Auslands-Bafög absolviert werden können.
Laut dem Hochschule-Ranking der Zeit, schneiden für das Fach Anglistik die Universitäten Mannheim, Bamberg, Heidelberg und Jena bezüglich der allgemeinen Zufriedenheit der Studierenden am besten ab. Für das Fach Germanistik sind die Spitzenunis in Bamberg, Freiburg, Jena und Konstanz. Die Studierenden der Romanistik sind besonders zufrieden in München, an der FU Berlin und in Mannheim.
Computerlinguistik, forensische Linguistik und Phoentik – Sprachwissenschaft ist vielseitig…
So wie sich unsere Sprache tagtäglich verändert, ist auch die Wissenschaft, die sich damit beschäftigt im ständigen Wandel. Besonders durch die zunehmende Verschmelzung von Technik und Sprache entstehen in der Linguistik neue Forschungsfelder. Dieser Wandel spiegelt sich auch in den angebotenen Studiengängen deutscher Universitäten wider.
Eine neuere Teildisziplin innerhalb der Linguistik ist die Computerlinguistik, welche die Sprache als Algorithmus erforscht und damit die Schnittstelle zwischen Informatik und Sprachwissenschaft darstellt. Hierzu gehören zum Beispiel die Sprachsteuerungen unserer Smartphones, Übersetzungsprogramme und Rechtschreibprüfungen. Wie kann menschliche Sprache automatisch analysiert und verarbeitet werden? Unter anderem diese Frage beantworten Computerlinguist:innen und haben damit die Chance in großen Industrie- und Tech-Unternehmen zu arbeiten. Die Computerlinguistik leistet darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung künstlicher Intelligenz.
Bachelorstudiengänge der Computerlinguistik werden beispielsweise in Düsseldorf, München, Heidelberg, Tübingen und Potsdam angeboten. Studierende, die einen Master anschließen wollen, können dies ebenfalls in München, Heidelberg oder Tübingen tun. Abschließend bietet sich in dieser Fachdisziplin die Möglichkeit zur Promotion.
Eine weitere spannende Teildisziplin der Linguistik ist die forensische Linguistik. Sie befasst sich mit der Aufklärung von Verbrechen mittels Sprache. Hierbei wird sowohl gesprochenes als auch geschriebenes Wort untersucht.
Liegt zu einem Verbrechen ein Drohschreiben, ein Abschiedsbrief oder ein Bekennerschreiben vor, muss ermittelt werden, wer diese Texte verfasst hat. Hierzu werden Sprache, Handschrift, Stil oder Rechtschreibung eines Textes untersucht. Die gewonnen Erkenntnisse lassen dann Rückschlüsse auf Herkunft, Bildung, Geschlecht und Alter des Autors/ der Autorin zu.
Gesprochenes Wort wird mittels forensischer Phonetik untersucht. Durch einen Stimmvergleich können beispielsweise Verdächtige mittels Tonaufnahmen überführt werden. Mit einer Tonaufnahme einer unbekannten Person können, ähnlich wie bei der Textanalyse, Rückschlüsse auf Alter, Herkunft, Bildung usw. eines Sprechers/einer Sprecherin gezogen werden. Am Institut für Germanistische Sprachwissenschaften der Philipps Universität Marburg gibt es eine Forschungsgruppe, die sich speziell mit der forensischen Phonetik beschäftigt.
Es gibt keinen Studiengang, der sich ausschließlich mit der forensischen Phonetik beschäftigt. Vielmehr sollten Interessierte einen allgemeinen Studiengang der Linguistik wählen und sich auf die Phonetik spezialisieren.
Karriere in den Sprachwissenschaften – So geht es nach dem Studium weiter
Die beruflichen Optionen nach einem abgeschlossenen Studium der Philologie oder der Linguistik sind vielfältig. So kann man beispielsweise in einem Verlag, einem Medienhaus, im Marketing, einer Sprachschule, in Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit in international agierenden Unternehmen oder einer Kultureinrichtung arbeiten. Kombiniert man ein philologisches Studium mit pädagogischen Kursen, ist auch eine Laufbahn als Lehrer:in möglich. Auslandserfahrung, die während des Studiums gesammelt wurde, wirkt sich in der Regel positiv auf die Jobsuche aus.
Auch der Einstieg in die Forschung bietet sich an. Hierfür ist ein Masterabschluss unbedingt Voraussetzung, im Idealfall sogar eine Doktorarbeit. Die Promotion ist an den Lehrstühlen der Universitäten möglich. Darüber hinaus gibt es in den Niederlanden ein Max-Planck-Institut, in dem zum Thema Psycholinguistik geforscht wird und das Promotionsprogramme anbietet. Bei der Psycholinguistik handelt es sich, wie die Bezeichnung bereits nahelegt, um die Schnittstelle zwischen Psychologie und Linguistik. Sie erforscht unter anderem Sprachstörungen, den Spracherwerb im Vergleich zwischen Erwachsenen und Kindern, und die Vorgänge im Gehirn bei der Sprachproduktion.
Gehalt von Sprachwissenschaftler:innen
Genauso vielfältig wie die möglichen Beschäftigungsfelder für ausgebildete Sprachwissenschaftler:innen sind, unterscheiden sich je nach Arbeitgeber:in auch die zu erwartenden Verdienste. In Verlagen, im Marketing, in der Öffentlichkeitsarbeit und in Medienhäusern sind dem Gehalt keine Grenzen gesetzt. Gerade die Arbeit in der PR- oder Marketingabteilung eines international agierenden Unternehmens kann finanziell sehr lukrativ sein. Die genaue Höhe des Gehalts hängt aber vom jeweiligen Arbeitgeber/der jeweiligen Arbeitgeberin, der Position und der Berufserfahrung ab. Liegt der berufliche Schwerpunkt eher in der Verlagstätigkeit oder im journalistischen Bereich muss unterschieden werden, ob fest angestellt oder frei gearbeitet wird. Dementsprechend kann das Gehalt variieren.
Kombiniert man ein sprachwissenschaftliches Studium mit der Pädagogik, ist auch eine Laufbahn als Lehrkraft möglich. Grundsätzlich arbeiten Lehrer:innen entweder verbeamtet oder angestellt. Die Voraussetzungen für eine Verbeamtung unterscheiden sich je nach Bundesland, aber es werden definitiv spezifische Anforderungen an die Ausbildung gestellt, weswegen sich dieser Weg für „Quereinsteiger:innen“, die nicht den Weg über das Staatsexamen und das Referendariat gewählt haben, schwierig gestalten kann. Ist man als angestellter Lehrer/angestellte Lehrerin tätig, bemisst sich die Vergütung nach dem Tarifvertrag des jeweiligen Bundeslandes, in dem die Lehrtätigkeit ausgeübt wird. Weitere Unterschiede beim Verdienst ergeben sich zudem aus dem Schultyp, an dem die Tätigkeit ausgeführt wird. Verbeamtete Grundschullehrer:innen werden nach Besoldungsklasse A12 bezahlt und erhalten aktuell in Bayern beispielsweise 4.091,28 EUR brutto als Einstiegsgehalt. Verbeamtete Gymnasiallehrer:innen sind dagegen in Besoldungsklasse A13 eingeteilt und verdienen beispielsweise in Bayern 4.774,01 EUR brutto. In der Regel fallen die Gehälter angestellter Lehrkräfte nach Tarifvertrag geringer aus als die von Beamt:innen, was vor allem mit geringeren Abzügen beim Gehalt der Letztgenannten zusammenhängt.
Eine weitere Karriereoption nach dem abgeschlossenen Masterstudium der Sprachwissenschaften ist eine berufliche Laufbahn in der Wissenschaft. Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen an der Universität oder an einer Hochschule werden nach der im Tarifvertrag definierten Entgeltgruppe 13 bezahlt. Bei komplizierten Forschungsvorhaben ist auch eine Einstufung in die Entgeltgruppe 14 oder 15 möglich, aber die Bezahlung nach Entgeltgruppe 13 bildet für den Einstieg als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in den Regelfall. Je nach Erfahrungsstufe variiert das Gehalt sodann zwischen 4.074,30 EUR und 5.872,94 EUR, wobei die Erfahrungsstufe fünf erst nach zehn Jahren Berufserfahrung und die Erfahrungsstufe sechs sogar erst nach 15 Jahren Berufserfahrung erreicht wird. Einzig das Bundesland Hessen bringt einen anderen zugrunde liegenden Tarifvertrag zur Anwendung, sodass die Verdienste marginal abweichen. Bleibt man langfristig in der Wissenschaft und erreicht irgendwann sogar eine Professur, erfolgt die Vergütung nach der sogenannten W-Besoldung. Diese Besoldung ist wiederrum in drei Stufen unterteilt und die Höhe der Verdienste variiert ebenfalls in den verschiedenen Bundesländern. Als Juniorprofessor:in wird man gemäß Klasse W1 bezahlt und erhält je nach Bundesland ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 4.500 bis 5.300 EUR brutto. Professor:innen mit Beamtenstatus werden nach W2- oder W3-Klasse bezahlt und erhalten ein monatliches Brutto-Grundeinkommen von 5.700 EUR bis 8.000 EUR. Mit Leistungszuschüssen für hohe Drittmitteleinwerbung, Publikationen oder die Übernahme von Aufgaben im Zuge der akademischen Selbstverwaltung sowie Familienzuschlägen können Professor:innen ihr Gehalt noch weiter aufstocken. An Universitäten gibt es mehr W3-Professuren, während an Hochschulen Professuren der Klasse W2 dominieren. Um welche Klasse es sich handelt, lässt sich in der Regel der Stellenausschreibung entnehmen. Zu den Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Tätigkeit in der Arabistik könnt ihr hier das Interview mit Nadine Löhr, Doktorandin an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, lesen.
Von Carolin Heilig am 17.08.2022