Doktorandin Svenja Tobies über Ihren Job an der Universität Mannheim: „Einen typischen Arbeitstag gibt es nicht“
Svenja Tobies, Doktorandin am Lehrstuhl für nachhaltiges Wirtschaften an der Universität Mannheim, promoviert zur Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. Im Interview mit Hochschul-Job.de spricht sie über ihren Arbeitsalltag als Doktorandin, das Verhältnis von Forschung und Lehre und warum sie aus der freien Wirtschaft wieder an die Uni zurückgekehrt ist.
Frau Tobies, Leitthema Ihrer Promotion sind „Boundaries“ – ein zentraler Begriff der Nachhaltigkeitsforschung. Mit welchen Fragestellungen beschäftigen Sie sich?
Ich untersuche zum Beispiel, welche Rolle Unternehmen in der Gesellschaft haben, wie sich diese Rolle bereits gewandelt hat und weiterhin wandelt. Je stärker das Nachhaltigkeitsverständnis sowie der Druck der Gesellschaft und der Politik auf die Unternehmen wird, umso mehr sind die Unternehmen gezwungen, sich des Themas Nachhaltigkeit anzunehmen. Es wird schlicht von ihnen verlangt, sich nachhaltiger zu verhalten. Mich interessiert, wie Unternehmen Grenzen ziehen, also „Boundaries“ – zwischen sich selbst, zu anderen Akteuren und zu welchem Zweck.
Haben Sie ein konkretes Beispiel für eine solche Grenzverschiebung?
In den 70er, 80er und 90er Jahren ging es ausschließlich darum, für die Shareholder möglichst viel Profit zu erwirtschaften. Das wandelt sich gerade. Die Menschen stellen Ansprüche an die Unternehmen. Das sieht man beispielsweise bei Skandalen. Dann wird verlangt, dass die Unternehmen dafür die Verantwortung übernehmen. Auch Regierungen sprechen sich dafür aus und setzen entsprechende Regularien fest. Daran sehen wir ganz klar eine Grenzverschiebung. Unternehmen sehen nicht mehr nur, was positiv für ihre Shareholder ist, sondern sie schauen auch darüber hinaus. Sie betrachten beispielsweise die CO2-Ausstöße, die nicht unbedingt direkt im Unternehmen entstehen, sondern vielleicht durch die Lieferkette mit anderen Unternehmen zusammenhängen.
Bzgl. der CO2-Emissionen macht die Politik heute wie früher zunehmend strengere Vorgaben. Es gibt den Emissionshandel und es gibt Gesetzesinitiativen, die die Unternehmen in die Pflicht nehmen, die gesamte Wertschöpfungskette mit in den Blick zu nehmen. Die Unternehmen müssen sich danach richten. Welchen Unterschied gibt es nun zu früher?
Aus dem Berichtswesen gibt es das Beispiel des Greenhouse Gas Protocols. Das ist zwar kein Gesetz, aber ein durchaus akzeptierter Standard. Dabei geht es darum, dass Unternehmen versuchen abzubilden, wie viel CO2 sie ausstoßen. Einerseits direkt und indirekt durch Energie, die sie beziehen und verbrauchen. Aber auch alles, was mit dem Unternehmen zusammenhängt. Also die Mitarbeiter, die jeden Tag zur Firma fahren, die vielleicht ins Ausland fliegen. Oder bestimmte Dinge, die eingekauft werden, um das Unternehmen am Laufen zu halten, zum Beispiel Druckerpapier. Das ist der sogenannte „Scope 3“ des Greenhouse Gas Protocols, der weiteste Blick.
Hier können wir den Unterschied sehen. Manche Unternehmen sind von sich aus bereit, darüber zu berichten. Aber eben nicht alle. Deshalb muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass alle auf dem gleichen Level agieren und die gleichen Voraussetzungen haben.
Svenja Tobies über ihre bisherige Karriere an der Universität und ihr Weg zur Promotionsstelle
Sie haben nach Ihrem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre 2019 an der Uni Mannheim schon ein Jahr in der freien Wirtschaft gearbeitet. Was hat sie motiviert jetzt doch noch zu promovieren?
Ich war bereits während des Studiums der BWL kurzzeitig wissenschaftliche Hilfskraft an diesem Lehrstuhl und hatte später die Möglichkeit, meine Masterarbeit dort zu schreiben. Das von mir eingereichte Research Proposal fand meine Professorin sehr gut und sie hat mir nahegelegt, über eine Promotion nachzudenken. Zum damaligen Zeitpunkt war ich von der Idee jedoch nicht wirklich überzeugt. Ich wollte dann erst einmal in die Wirtschaft gehen. Mein neuer Job hat mich dann nicht so erfüllt, wie ich es erwartet hatte. Da das Angebot, an den Lehrstuhl zu kommen, noch immer bestand und mich auch nie so richtig losgelassen hatte, habe ich es letztlich doch angenommen.
Bevor Sie die Doktorandenstelle angenommen haben, haben Sie sich noch mit anderen Stellenangeboten oder Promotionsangeboten auseinandergesetzt?
Mit anderen Promotionsangeboten nicht. Wie gesagt, ich kannte den Lehrstuhl schon sehr lange und deshalb war klar, wenn ich promoviere, dann nur da. Ich kannte die Professorin, das Team und die Arbeitsatmosphäre. Ich kannte den Umgang untereinander. Außerdem hat der Lehrstuhl viele Kooperationsprojekte mit Partnern aus der Wirtschaft, anderen Universitäten und Non Profit-Organisationen. Dadurch hat man trotz Promotion einen starken Praxisbezug.
Wie ist denn das Betreuungsverhältnis zu Ihrer Doktormutter? Gibt es regelmäßige Kontakte oder feste Termine?
In unserem Team versucht sich die Doktormutter auf unsere Bedürfnisse einzustellen. Wenn jemand sich eine intensivere Betreuung wünscht, wird das angeboten und wenn im Augenblick nicht so viel Betreuung gebraucht oder generell lieber allein gearbeitet wird, ist das auch weitestgehend möglich. Auf Wunsch des Teams haben wir einmal in der Woche einen Jour fixe, bei dem jeder Doktorand erzählt, woran er gerade arbeitet. Darüber hinaus versuchen wir im Abstand von drei bis vier Wochen individuelle Termine mit der Doktormutter zu vereinbaren. Was dazwischen anfällt, wird per Mail geklärt oder wenn es richtig dringend ist, schaltet sie sich auch immer gerne ein und unterstützt, wenn es mal brennt.
Svenja Tobies über Struktur und Arbeitszeit als Doktorandin
Beschreiben Sie mal einen typischen Arbeitsalltag als Doktorandin?
Einen typischen Arbeitstag gibt es nicht. Ich sage immer, es gibt keine Struktur, außer man gibt sie sich selbst. Ich bestimme selbst, wann ich was mache. Natürlich ist die Kernaufgabe eines Doktoranden zu forschen. Das heißt, ich lese verschiedene Paper, informiere mich über ein Thema, setze mich damit auseinander. Dazu gehört natürlich auch selbst Texte zu schreiben. Das macht einen Großteil der Aufgaben aus. Allerdings muss man aufpassen, dass dieser Teil nicht zu kurz kommt, wenn man wie ich Vollzeit an einem Lehrstuhl angestellt ist.
„Ich sage immer, es gibt keine Struktur, außer man gibt sie sich selbst.“
Ich bin als Doktorandin verpflichtet – aber wirklich gerne verpflichtet – ein sogenanntes Lehrdeputat zu erfüllen. In jedem Semester muss ich eine bestimmte Anzahl an Stunden in die Lehre stecken. Das heißt, ich muss Seminare leiten oder begleiten und Bachelor- und Masterarbeiten betreuen. Außerdem haben wir an unserem Lehrstuhl verschiedene Organisationsaufgaben untereinander aufgeteilt. Ich bin zum Beispiel für die Lehrstuhl-Finanzen verantwortlich.
Wenn Sie schätzen müssten, wie viel Ihrer Gesamtarbeitszeit können Sie in die Forschung investieren?
Während des Semesters kann es durchaus passieren, dass ich zwei Wochen gar nichts für die eigene Forschung mache. In der semester- oder vorlesungsfreien Zeit dagegen ist es möglich, theoretisch ganze Tage in die Forschung zu stecken. Es ist also schwer zu sagen. Mit etwas Glück sind es vielleicht 70 Prozent der Wochenarbeitszeit und manchmal läuft auch gar nichts. Dann sind es nur 20 Prozent.
Kommen Sie denn mit den klassischen 40 Wochenstunden hin?
Ich glaube, da muss man sehr streng mit sich selbst sein. Aktuell versuche ich die 40 Stunden einzuhalten und mich nicht abends noch mal dranzusetzen. Obwohl sich das natürlich nicht immer ausschließen lässt. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter muss man sich eine gewisse Flexibilität bewahren. Manchmal arbeite ich in einer Woche mehr als 40 Stunden. Dafür nehme ich mir zwei Wochen später die Freiheit, die Überstunden wieder auszugleichen. Sich selbst klare Grenzen setzen und eventuell auch einmal „Nein“ sagen ist die Devise!
Die Corona-Pandemie beeinträchtigt auch die Arbeit an den Universitäten massiv. Arbeiten Sie aktuell nur von Zuhause oder sieht man Sie auch an der Uni?
Im Moment arbeite ich nur von Zuhause. Wir haben eine Homeoffice-Pflicht und sollen nur aus dringenden betrieblichen Gründen ins Büro kommen. Das ist bei mir als Doktorandin nicht der Fall. Im Spätsommer, als die Corona-Lage ein bisschen besser war, durften wir auch ins Büro. Da war ich regelmäßig dort. Jetzt arbeite ich gerade zu 100 Prozent von Zuhause aus. Wir hoffen aber alle, dass wir uns bald auch wieder im Büro treffen dürfen.
Sie werden bald auch Vorlesungen geben. Wie funktioniert das unter Corona-Bedingungen?
Das kommt auf den Kurs an. Wir haben am Lehrstuhl verschiedene Modelle. Die Kurse, die ich in diesem Semester anbieten werde, mache ich jeweils zusammen mit einer Kollegin. Die Teilnehmerzahl ist sehr klein. Am Research-Seminar beispielsweise, in dem die Studierenden darauf vorbereitet werden, wie sie eine wissenschaftliche Arbeit schreiben, nehmen maximal zwölf Personen teil. Nach aktuellem Stand darf das Seminar in Präsens stattfinden. Wir machen aber teilweise auch Kurse komplett online oder im Hybrid-Format. Soweit ich weiß, produzieren Kolleginnen teilweise auch Videos vor.
Svenja Tobies über die Dauer bis zum Doktortitel, die Chance einer Professur und Ihre berufliche Zukunft
Sie haben etwa vor einem halben Jahr mit der Promotion begonnen. Angenommen es läuft alles rund, wann werden Sie den Doktortitel tragen?
Im Allgemeinen heißt es oft, es dauert ungefähr drei Jahre bis zum Titel. Von Bekannten und anderen Doktoranden weiß ich aber, dass es in dieser Zeit kaum zu schaffen ist. In der Regel dauert es zwischen drei und fünf Jahren. Ich hoffe, dass ich 2024 oder 2025 fertig bin.
Haben Sie schon einen Wunsch, wie es danach weitergeht beruflich?
Da bin ich noch nicht sicher. Es gibt verschiedene Optionen. Die erste wäre, sich direkt nach der Promotion eine Stelle in der freien Wirtschaft zu suchen. In meinem Fall würde ich mir etwas im Nachhaltigkeitsbereich wünschen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, als sogenannter Post-Doc weiterhin am Lehrstuhl zu arbeiten und dann erst später eine Karriere in der Wirtschaft zu beginnen. Und dann gibt es die Option, eine Professur anzustreben. Ich muss ehrlich sagen: Bei mir sind noch alle Türen offen.
Wie stehen denn die Chancen, in Ihrem Bereich später eine Professur zu besetzen?
Ich denke, es ist grundsätzlich eher schwierig. In Deutschland sind die Stellen rar. In der Nachhaltigkeitsforschung dagegen lässt sich der Trend beobachten, dass es immer mehr Stellen im öffentlichen Bereich gibt. Das Thema ist gerade absolut im Kommen. Von daher würde ich die Chance als ganz gut einschätzen.
Das Gespräch führte Bertram Schäfer am 21. Feburar 2022
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