Karriere in der Wissenschaft – Wie finde ich Unterstützung?
Dr. Margret Fischer, 56, arbeitet als Coach in der Wissenschaft, Studiengangsleiterin des Masters Coaching an der Vinzenz Pallotti University in Vallendar, Managementberaterin, Personalentwicklerin und Autorin. Im Interview mit hochschul-job.de verrät sie, was sie am wissenschaftlichen Coaching reizt, welche Werte ihr dabei besonders wichtig sind, welche Strategien in der Wissenschaft zum Erfolg führen, warum Unterstützung guttut und worauf bei der Ausbildung zukünftiger Coaches Wert gelegt wird.
Frau Dr. Fischer, Sie haben an der Universität Hohenheim promoviert. Wie erinnern Sie sich an Ihre eigene Promotionszeit?
Fischer: Ich hatte das große Glück, einen Doktorvater zu haben, der sehr verantwortungsbewusst war. Die Absprachen haben super funktioniert und auch die Beziehung war recht transparent. So wie ich das von vielen höre, ist das mittlerweile bei den wenigsten so. Ich denke eine Hauptproblematik stellt tatsächlich diese Beziehungsgestaltung zwischen Doktorand, Doktormutter und Doktorvater dar.
Hätten Sie sich damals ein Coachingangebot gewünscht?
Fischer: Auf jeden Fall. Ich denke, so ein Blick von außen ist immer hilfreich, weil man selber blinde Flecken hat und es bei einer Promotion immer Täler gibt, die man durchschreiten muss und da ist es hilfreich, wenn man Unterstützung hat.
Wie kamen Sie zu Ihrem jetzigen Beruf? Warum Coaching im wissenschaftlichen Bereich?
Fischer: Das war tatsächlich die Anfrage von der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg, die mit mir vor vielen Jahren eine Kooperation geschlossen hat und so hat sich das etabliert. Die Abbrecherquoten sind ja doch sehr hoch und durch so ein Unterstützungsangebot kann man sie drastisch senken. Der Trend geht auch bei den Hochschulen dahin, dass es immer mehr Graduate Schools gibt oder auch Workshops, Seminare und ebenso Kolloquien.
Warum lohnt sich ein Coaching gerade während der Promotionszeit?
Promovieren ist schon eine lange komplexe Sache und da hat man immer wieder mal Themen zu Struktur, zu Selbstmanagement, zu ‚Wie gehe ich weiter vor?’ oder ‚Wie kann ich mich wieder gut motivieren?’ oder ‚Wie bringe ich die Promotion mit den Arbeitsaufgaben und den privaten Herausforderungen unter einen Hut?’ Also Stichwort Work-Life-Balance spielt immer eine große Rolle. Die Arbeit muss man selber schreiben, ganz klar, und man muss sich auch selber motivieren. Aber so ein externes Korrektiv ist einfach hilfreich. Schon, wenn ich darüber spreche und es von innen nach außen kommt, schaffe ich es, es auf der Metaebene zu betrachten und schon das macht einen Unterschied.
Coaching in der Wissenschaft – Nah an den Kund:innen für den Aha-Effekt
Was macht für Sie ein gutes Coaching aus? Haben Sie Werte, die Sie in den Vordergrund stellen?
Fischer: Ein Coaching sollte immer individuell, situativ und bedarfsgerecht sein. Und natürlich auch effizient. Ich bin kein Fan von Lösungsorientierung per se, weil ich glaube, dass die Fokussierung auf die Lösung geradezu stimmige Lösungen verhindert. Mein Ansatz ist auf jeden Fall ein integrativer und man muss letztlich schauen, was für eine Persönlichkeit man vor sich hat. Selbst wenn der/die gleiche Klient:in mit dem gleichen Anliegen eine halbe Stunde später kommt, braucht er/sie unter Umständen etwas Anderes als die halbe Stunde zuvor. Diese Haltung ist das A und O. Nah an den Kund:innen dran sein und schauen, wie kann ich sie da abholen, wo sie stehen, damit sie sich selber besser verstehen lernen und dann auch für sich die stimmige Erkenntnis oder Lösung, einen guten Aha-Effekt, generieren können, um für sich einen Schritt weiter zu kommen.
Mit nicht lösungsorientiert meinen Sie nicht zu festgefahren in eine Richtung zu sein?
Fischer: Es ist recht einfach für einen konkreten Fall irgendeine Lösung zu finden. Aber die Idee von Coaching ist, dass man Einstellungen und Verhaltensänderungen initiiert, sodass die Kund:innen bestenfalls bei einer ähnlichen Problematik das Erlernte übertragen können. Dazu muss klar sein, was einen Unterschied macht. Was ist da passiert? Wie habe ich was verändert, um es integrieren zu können? Der Anspruch ist ein anderer. Während des Coachings lernen Menschen wichtige Dinge, die sie dann auch in ihrem Arbeitskontext oder ihrem Leben generell letztendlich anwenden können.
Promotionscoaching in der Wissenschaft – Effizient und smart zum Erfolg
Im Rahmen der Kooperation mit der PH Heidelberg bieten Sie Dissertationscoaching an – welchen Mehrwert bietet dieses Angebot?
Fischer: Es führt effizienter und smarter zu den gewünschten Erfolgen.
Welche Ansätze nutzen Sie im Dissertationscoaching?
Fischer: Die, die mir zur Verfügung stehen und derer sind es viele. Also Systemisch-Integrativ. Es kommt immer drauf an, welche Phase im Coaching letztendlich betrachtet wird.
Hätten Sie da ein Beispiel für uns?
Fischer: Es kommt einmal auf das Anliegen an und dann zum anderen auf die Persönlichkeit. Ich bin unter anderem systemische Beraterin und Therapeutin, ich habe aber auch einen gesprächspsychologischen Ansatz, ich bin Kommunikationswissenschaftlerin, ich bin promovierte Ökonomin und jetzt genau zu sagen, was genau wann woher kommt, das wird ganz schwierig. Es mischt sich aus den Kenntnissen, aus den Kompetenzen, aber auch aus den Erfahrungen, die man im Laufe der Zeit macht, sodass es schwierig wird, zu sagen, es ist jetzt ganz genau das und das. Ich glaube, dass mein kommunikationswissenschaftliches Studium einen großen Unterschied macht. Dinge auch so formulieren zu können, dass sie die Kund:innen letztendlich weiterbringen oder eben auch bestimmte Ansätze zu verwenden, bei denen man merkt, das könnte jetzt eine gute Passung geben. Es ist schwierig das pauschal zu erklären, weil es sich wirklich so individuell zusammenfügt. Es gibt nicht DAS Coaching und auch nicht DAS Coachingkonzept.
Inwiefern zeichnen sich denn bei den Herausforderungen während einer Promotion Unterschiede nach Geschlecht und Fachbereich ab?
Fischer: Bei mir ist das relativ ausgewogen. Ich habe ungefähr so viele Männer wie Frauen, die zu mir zur Beratung kommen. Bei manchen Kolleg:innen sieht es aber ganz anders aus, da ist es eher frauendominiert. Man kann aber, wie in anderen Bereichen, sagen, dass der Unterstützungsbedarf generell mehr von Frauen nachgefragt wird und auch in Anspruch genommen wird. Und auch je geisteswissenschaftlicher, umso größer die Bereitschaft und je naturwissenschaftlicher, umso geringer.
Karriere in der Wissenschaft – Unterstützung tut gut
Warum sind es Ihrer Meinung nach vermehrt die Frauen?
Fischer: Weil Frauen wahrscheinlich eher merken, dass eine Unterstützung guttun könnte. Ich glaube, das ist ein ähnliches Phänomen wie in der Gesundheitsprävention, dass Frauen da einfach irgendwie sensibler sind und nochmal einen anderen Zugang haben. Oder vielleicht auch besser merken, ok, was könnte mir wann wie helfen oder wie könnte ich mir auch Unterstützung holen? Auch evolutionär bedingte Parameter würde ich an dieser Stelle nicht ausschließen.
Und warum vor allem die Geisteswissenschaftler:innen? Sind die Bedingungen in den Geisteswissenschaften widriger und deshalb gibt es mehr Unterstützungsbedarf oder woran liegt dieser Unterschied?
Fischer: Ich glaube, das liegt eher an der Selbstreflexionsfähigkeit. Dass da einfach im Denken und Handeln eher die Bereitschaft da ist, über Themen nachzudenken oder Dinge und sich selbst zu hinterfragen.
In welchem zeitlichen Rahmen findet das Coaching statt?
Fischer: In meiner eigenen Firma, bei echt. coaching® in Heidelberg, gibt es für das Dissertationscoaching, das ich anbiete, unterschiedliche Pakete. Das hat sich so etabliert, dass es eben eine Kurz-, Mittel- und Langstrecke gibt, die dann über unterschiedliche Zeiträume unterschiedlich viele Stunden abdeckt.
Finanzielle Sorgen sind einerseits Hürden für Doktorand:innen, andererseits sind die Coachingangebote ja auch nicht umsonst – wie balanciert man dazwischen?
Fischer: Weiß ich nicht, ob man da balancieren kann. Es gibt ja mittlerweile auch gerade für Frauen vermehrt Angebote oder auch Stipendien und Fördergelder, die man gut nutzen kann. Und ich glaube, so eine Beratung von Anfang an, bevor man so ein Vorhaben startet, macht durchaus Sinn.
Wissenschaftscoach Margret Fischer: „Priorisierung, Struktur und Routinen machen einen großen Unterschied“
Gibt es einen Schlüssel zum Erfolg in der Wissenschaft?
Fischer: Ich glaube, dass ein gutes Selbstmanagement, eine gute Selbstführung und zielorientiertes Vorgehen einen Unterschied machen. Und je besser man sich kennt, je besser man tatsächlich Selbstmotivation, Selbstführung, generell ein gutes Selbstkonzept hat und auch eine günstigere Selbstwirksamkeitserwartung, desto wirkungsvoller ist man letztendlich und, umso schneller kann man auch die gewünschten Ziele erreichen.
Wie adressieren Sie Selbstmanagement im Coaching? Wie kann ich das verbessern?
Fischer: Schon mal die Unterteilung: ‚Was ist wirklich wichtig und dringend zu gleich?’, also Priorisierung macht einen großen Unterschied. Aber auch eine Struktur zu finden und Routinen zu etablieren, ‚Wann widme ich mich in welchem Umfang meiner Doktorarbeit und wie passe ich das ein?’ Es ist immer gut, einen Plan zu haben, den man dann aber auch flexibel bedarfsgerecht je nach Situation anpassen kann. Ein guter roter Faden, an dem man sich etwas agil und frisch entlangschlängelt, also mehr auch in einen Flow kommt, und dabei auch berücksichtig, ‚Wann kann ich mich gut konzentrieren?’, ‚Wie sind die Rahmenbedingungen?’, ‚Wann geht es mir womit am leichtesten?’ Gerade der Schreibprozess macht einen Unterschied zum Recherchieren. Oder, wenn ich merke, das eine geht nicht, dass ich dann an dem Tag, wenn ich die Zeit habe, zwar etwas anderes mache, aber trotzdem etwas für die Dissertation erledige. Es bringt nichts, sich einen Plan zu machen und dann stur, mit Scheuklappen an diesem Plan festzuhalten und sich da durchzubeißen und durch zu zwingen.
Neben Ihrer Tätigkeit als Coach leiten Sie den Master Coaching an der Vinzenz Pallotti University in Vallendar – Was erwartet Studierende bei diesem Angebot?
Fischer: Das ist ein recht neuer Studiengang und er ist so konzipiert, dass er stark wissenschaftsorientiert ist. Also das passt auch gut zum Dissertationscoachingansatz, der mir am Herzen liegt. Es ist der einzige Studiengang in Deutschland, der tatsächlich Promotions- und Habilitationsrecht hat und der Studiengang wurde gerade auch beim EASC, also beim European Association for Supervision and Coaching, zertifiziert, um letztendlich wirklich hohe Standards zu schaffen und die Studierenden auch auf eine wissenschaftlich fundierte Coachingpraxis vorzubereiten. Der Coaching Master kann in Vollzeit oder berufsbegleitend durchgeführt werden.
Welche Kernkompetenzen vermitteln Sie Ihren Studierenden dabei hauptsächlich? Was ist Ihnen besonders wichtig?
Fischer: Es sind viele unterschiedliche Dozent:innen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen mit in diesen Studiengang involviert. Einige wenige Personen könnten dies auch gar nicht leisten. Uns ist Rollenklarheit besonders wichtig, uns ist wichtig, dass die aktuelle wissenschaftliche Literatur berücksichtigt wird, die Werteorientierung macht einen großen Unterschied. Aber auch letztendlich das Big Picture, dass man nachher schaut, wie kann ich bestimmte Lernerfahrungen sinnvoll miteinander verknüpfen?
Coaching in der Wissenschaft – Von der Theorie in die Praxis
Der Studiengang ist ja sehr wissenschaftlich orientiert, wird die Theorie auch durch praktische Übungen ergänzt?
Fischer: Es ist ein Blended Learning-Ansatz, selbstverständlich. Viele Dinge, die im Coaching wichtig sind, lassen sich für mein Dafürhalten schwer rein online erlernen, weil da einfach bestimmte Wahrnehmungsfilter fehlen. Zum Beispiel nonverbale Kommunikation oder auch bestimmte Wahrnehmungsaspekte sind Face-to-Face, im persönlichen Gespräch, einfach ganz anders und die Kommunikationswissenschaft hat ja mehrfach belegt, dass das persönliche Face-to-Face-Gespräch das effektivste Gespräch überhaupt ist. Teile, die theoriebasiert gut online zu vermitteln sind, bieten wir online an und die anderen Teile, die gut in der Praxis erlernt werden können, sind dann Blockseminare. Wenn es zum Beispiel um das Thema Gesprächsführungskompetenzen geht, übt man ganz klassisch Maßnahmen, wie man effektiv und effizient Gespräche führen kann. Und es ist auch wichtig, einmal in jeder Rolle gewesen zu sein. In der Rolle des Coaches, in der des Gecoachten und auch in der Beobachterrolle, weil man nur so ein konsistentes Bild erhält, wie Coaching überhaupt wirken kann und welche Auswirkungen es hat.
In welche Bereiche gehen die Absolvent:innen hauptsächlich?
Fischer: Da der Studiengang recht neu ist, können wir darüber noch keine Aussage treffen. Aber schön wäre es natürlich, wenn auch die wissenschaftlichen, wichtigen Basistheorien Berücksichtigung finden würden und die Hoffnung ist natürlich, dass sie im Feld breit gestreut sind. In Institutionen, aber auch bei den Coachingplattformen, bei Verbänden oder eben auch in anderen Institutionen, mit internen Coachings, sodass sich dieses Mindset gut auf unterschiedlichen Marktpositionen vertreten findet, das wäre wünschenswert.
Dr. Margret Fischer: „Unterstützung anzunehmen, ist ein Gewinn“
Welchen abschließenden Ratschlag würden Sie an Doktorand:innen richten?
Fischer: Wichtig ist, sich zu überlegen, dass eine Unterstützung anzunehmen oft wirklich ein Gewinn ist und absolut kein Zeichen von Schwäche oder von ‚Ich schaffe es nicht alleine’, sondern, dass es wirklich ein guter Booster sein kann, um sich einem Thema effizient zu nähern und Ziele mit einer anderen Qualität erreichen zu können, ohne sich selber zu sehr zu beanspruchen. Ein:e externe:r Coach sieht oft Dinge oder kann Zusammenhänge herstellen, die man selbst, wenn man so tief in der Arbeit steckt, vielleicht gar nicht sieht. Ich denke, das Mindset ist wichtig. Zu sehen, das ist eine Option. Alle die, die ich betreut habe, sind froh, dass sie es gemacht haben, weil es wirklich eine große Erleichterung war. Nicht jeder braucht einen Coach, aber, wenn ich bestimmte Herausforderungen habe, und merke, ich komme da immer wieder auch ins Struggeln, dann würde ich da die Empfehlung geben, nicht zu zögern und zu schauen, wie kann ich jemanden finden, der mich bei diesen Vorhaben unterstützen kann.
Das Gespräch führten die Redakteurinnen Julia Brechtelsbauer und Carolin Heilig am 09.01.2023.