Die Max-Planck-Gesellschaft in drei Worten: „Grundlagenforschung, internationale Vernetzung, Talentförderung” – Dr. Christina Beck

Als Max Planck Ende des 19. Jahrhunderts zur Schwarzkörperstrahlung forschte, ahnte er noch nicht, dass er damit eine Revolution in der Physik anstoßen würde. Sein Forschungsziel: Ein allgemeingültiges Strahlungsgesetz über das gesamte Spektrum, anhand der Thermodynamik und der elektromagnetischen Strahlung herleiten. Das Ergebnis: Die Messergebnisse zeigen, Wiens Gesetz ist für große Wellenlängen nicht gültig. Am 19. Oktober 1900 stellte Planck somit ein neues Strahlungsgesetz vor, welches „Energieelemente” einführt, welche heute als Quanten bezeichnet werden. Die Quantentheorie wurde geboren. 

Frau Dr. Christina Beck, Leiterin der Kommunikationsabteilung der MPG, stellt im Interview mit Hochschul-Job.de die Max-Planck-Gesellschaft und deren Förderprogramme vor und berichtet von den Auswirkungen durch die Corona-Pandemie. 

Die Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft – “Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen” – Max Planck 

Unter dem Motto Max Plancks “Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“ steht auch das Leitmotiv der Max-Planck-Gesellschaft seit 75 Jahren. 1948 trat die Max-Plack-Gesellschaft die Nachfolge der 1911 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft an. 

Der damalige kaiserliche Berater und Theologieprofessor Adolf Harnack richtete 1909 eine Denkschrift an Kaiser Wilhelm II. Harnack schlug vor, neben Universitäten weitere unabhängige Forschungsinstitute einzurichten, welche spezialisierte Grundlagenforschung vor allem in den Naturwissenschaften betreiben sollten. Der Kaiser setzte seine Idee um, sodass am 11. Januar 1911 die konstituierende Sitzung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft e.V. mit Adolf Harnack als Präsident stattfand. Durch den Kaiser als Schirmherr erlangte die Gesellschaft schnell an Prestige, was zahlreiche wohlhabende Spender anzog. Als Emblem dient die römische Göttin der Wissenschaft Minerva. Die Verkörperung von Weisheit, Tapferkeit und Ausdauer. 

In der Zeit des Nationalsozialismus kooperierten die KWG-Leitung und viele Wissenschaftler*innen mit dem NS-Regime, was dazu führte, dass die Westalliierten nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem den Plan verfolgten, die KWG aufzulösen. Unter dem Chemiker und Nobelpreisträger Otto Hahn als Präsidenten gelang am 26. Februar 1948 in Göttingen die Neugründung. Fortan als Max-Planck-Gesellschaft. 

Karriere in der Wissenschaft – Wege ins Max-Planck-Institut

Wie kommen Wissenschaftler*innen zur Max-Planck-Gesellschaft? 

Beck: „Das hängt von der Karrierestufe ab, auf der sie sich befinden. Unsere Direktor*innen werden durch eine von der jeweiligen Sektion eingesetzte Berufungskommission ausgewählt und vom Präsidenten berufen. Der Scouting-Prozess mit den Scouting-Officers ist vorgelagert und soll Talente identifizieren, die in den kommenden Jahren für die MPG interessant sein könnten. Die Ausschreibung für die selbstständigen Nachwuchsgruppen (W2-Stellen) sind in den wissenschaftlichen Fachmagazinen Nature und Science, aber auch in der deutschen Wochenzeitung Die ZEIT. Natürlich auch begleitet durch entsprechende Hinweise auf den Social Media Kanälen wie Facebook und Twitter. Darauf können sie sich dann als junger bzw. junge Nachwuchswissenschaftler*in bewerben und im Zuge eines sehr aufwändigen Auswahlverfahrens wird ihre Bewerbung geprüft. Auf der unteren Ebene, das ist die Ebene der Doktoranden und Postdoktoranden, gibt es ganz verschiedene Zugänge. Es wird ausgeschrieben, aber sie können sich natürlich auch jederzeit mit einer Initiativbewerbung bei einem MPI beziehungsweise ganz spezifisch bei einem/einer Abteilungsdirektor*in bewerben.” 

Dr. Christina Beck, Leiterin der Kommunikationsabteilung der Max-Planck-Gesellschaft – Foto: Regina Recht

Sind weitere neue Institute in Planung? 

Beck: „Der jährliche Zuwachs von drei Prozent kann schon nicht mehr die Inflation, die gestiegenen Energiepreise sowie die höheren Tarifabschlüsse abdecken. Insofern gibt es derzeit keine Spielräume für Neugründungen, sodass die Erneuerung aus dem Bestand heraus erfolgen muss, einfach durch Neuberufungen, gerade auch an Instituten, an denen mehrere Direktoren und Direktorinnen zeitgleich emeritiert werden. An diesen Instituten können wir dann thematisch eben auch etwas völlig Neues aufgreifen. Das ist für die MPG besonders wichtig und unterscheidet sie ganz massiv von den Universitäten, die einen Ausbildungsauftrag haben und von daher auch ein Curriculum erfüllen müssen. Um ein Beispiel zu geben: Eine Universität muss den frei werdenden Lehrstuhl für theoretische Physik auch entsprechend nachbesetzen. Die MPG kann in eine vollkommen neue Richtung denken und jemanden berufen, der sich nicht mehr mit theoretischer Physik, sondern beispielsweise mit neuen mikroskopischen Verfahren beschäftigt. Das führt dann eben auch dazu, dass man Frontrunner in bestimmten und auch wichtigen Forschungsbereichen, wie zum Beispiel der künstlichen Intelligenz, ist.” 

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Wissenschaft ausgewirkt?

Beck: „Corona hat die Forschung enorm beeinträchtigt, so war beispielsweise Feldforschung aufgrund der Reisebeschränkungen kaum mehr möglich. Die erste Phase des harten Lockdowns war extrem schwierig, weil viele Doktorand*innen aus dem Ausland ihre Stellen gar nicht antreten konnten. Doktorand*innen aus den USA, Lateinamerika, Indien oder China konnten gar nicht nach Deutschland einreisen. Dadurch, dass der ganze Austausch über Länder und Kontinente hinweg zusammengebrochen war, war das für unsere Doktorand*innen eine ganz schwierige Situation und hat sich auch finanziell ausgewirkt. Wir haben zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, damit Doktorand*innen, die ihre Arbeiten coronabedingt nicht fertigstellen konnten, eine Verlängerung beantragen konnten und Doktoranden, die ihre Stelle am MPI nicht antreten konnten, zumindest mit einem Stipendium in ihrem Heimatland unterstützt wurden, sodass sie beispielsweise theoretische Vorbereitungen für ihre Doktorarbeit treffen konnten wie Literaturrecherche. Da haben wir also nach Auffanglösungen gesucht und das ist denke ich ganz gut gelungen. Zwischenzeitlich mussten selbst die Bibliotheken geschlossen werden, sodass es auch im Bereich der Rechtswissenschaften zu Einschränkungen kam. Es sind alle froh, dass diese Phase nun vorbei ist.” 

Karriere in der Wissenschaft – Ganzheitliche Nachwuchsförderung

Welche Förderprogramme gibt es bei der Max-Planck-Gesellschaft?

Beck: „Die MPG hat seit 2015 festgelegt, dass auf der Ebene der Doktorand*innen ein dreijähriger Fördervertrag vergeben wird. Das ist ein Arbeitsvertrag, der die Promovierenden sozial absichert und ihnen gleichzeitig den Freiraum gibt, ihren eigenen Forschungsarbeiten nachzugehen. Diese Förderung kann noch einmal um ein weiteres Jahr verlängert werden, was mehrheitlich der Fall ist, damit die Promotion erfolgreich abgeschlossen werden kann. Dieser Vertrag ist Standard und wird allen Doktorand*innen, egal ob aus dem In- oder Ausland, angetragen. Im Bereich der Postdoktorand*innen gibt es gerade die Diskussionen zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz: wie lang darf oder sollte die Postdoktoranden-Phase sein? Dabei muss man unterscheiden, mit welcher Motivation bzw. Zielsetzung eine Postdoktorandenstelle angetreten wird. Es gibt durchaus Personen, die im Anschluss an ihre Promotion nochmal Dinge weiterführen oder weiter publizieren wollen und deshalb nochmal zwei Jahre einen Postdoc anhängen, ansonsten aber die Wissenschaft verlassen wollen. Dann gibt es Personen, die sich im Rahmen der Postdoktoranden-Phase  explizit  für eine Nachwuchsgruppenleiterstelle qualifizieren wollen, weil das der nächste Schritt in eine wissenschaftliche Laufbahn wäre. Für diese Postdoktorand*innen brauchen wir eine deutlich längere Befristungsphase. Gewünscht ist hier eigentlich, dass man auf insgesamt sechs Jahre und nicht wie ursprünglich vorgeschlagen kürzer befristet, damit jemand auch hinreichend Zeit hat, ein individuelles von ihm/ihr selber vorangetriebenes Forschungsprojekt soweit zur Reife zu tragen, dass man nach drei/vier Jahren auch publizieren kann. Wenn man eine befristete Stelle für sechs Jahre hat, dann fangen sie nach vier Jahren an zu suchen und sich zu bewerben, das heißt zu dem Zeitpunkt müssen sie dann auch etwas publiziert haben, mit dem sie sich bewerben können. Gerade für internationale Postdoktorand*innen wäre eine kürzere Befristung kontraproduktiv, dann lohnt es sich nicht nach Deutschland zu kommen. Mit dem Minerva-Fast-Track unterstützen wir insbesondere junge Frauen in der Postdoc-Phase zur Vorbereitung auf eine Gruppenleiterstelle.

Die Nachwuchsgruppenleiterstellen, die Max-Planck-Research-Groups, sind das bekannteste und am besten ausgebaute Förderprogramm. Es wurde schon 1969 entwickelt. Nachwuchsgruppenleiter*innen haben ihre eigenen Mittel, verwalten diese selbstständig und entscheiden ganz eigenständig, wen und wie viele Leute sie einstellen, natürlich abhängig vom Budget. Letztlich sind sie vollkommen autark. Dieses Modell hat sich sehr bewährt und ist deshalb auch von anderen Fördereinrichtungen kopiert worden. Und dann gibt es noch das Lise-Meitner-Exzellenz-Programm, hier hat die MPG einen Tenure-Track eingebaut, also die Option nach einem positiven Votum der Tenure-Kommission eine dauerhafte W2-Stelle mit Gruppenausstattung zu erhalten und gegebenenfalls sogar die Möglichkeit, als Direktorin an ein Max-Planck-Institut berufen zu werden. Das sind Maßnahmen, mit denen wir versuchen, die Wissenschaft frauenfreundlicher zu gestalten.” 

Bei der Max-Planck-Gesellschaft gibt es auch die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen, richtig?

Beck: „Ja, wir haben an die 400 Auszubildende pro Jahr bei uns, in ganz unterschiedlichen Bereichen. Angefangen bei den Tierpfleger*innen und den Biologielaborant*innen bis hin zu den Feinmechaniker*innen, das sind teils hochspezialisierte Berufe, in denen uns die Industrie unsere Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung gern abnimmt, weil sie extrem gut ausgebildete Leute bekommen. Denn für die Wissenschaft müssen sie beispielsweise in unseren Feinmechanikwerkstätten tatsächlich ‘haargenau’ arbeiten und im Laborbereich werden sie an den neuesten Geräten ausgebildet. Insofern haben wir keine Sorge, dass unsere Leute nicht unterkommen und können es uns leisten, auch über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden. Aber es ist abzusehen, dass auch bei uns der Bedarf eher wächst. Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren noch stärker ausbilden als bisher.”

Um auch in Zukunft junge Menschen für die Wissenschaft zu begeistern und neue Talente zu entdecken und zu fördern, engagiert sich die Max-Planck-Gesellschaft bereits bei den ganz jungen Talenten. Die MPG stellt ein Online-Portal für Schüler*innen und Lehrkräfte mit verschiedenen Inhalten zur Verfügung. Bei max-wissen findet sich eine große Bandbreite an Medien nach dem Motto “Aus der Forschung direkt in die Schule”. Die MAX-Hefte, welche in den Reihen BIOMAX, GEOMAX und TECHMAX (Chemie, Physik, Astronomie) erscheinen, erklären Grundlagen und greifen neue Forschungsergebnisse der Max-Planck-Wissenschaftler*innen auf. Dieses Angebot wird durch max-media unterstützt, welches Lehrkräften eine umfangreiche Mediensammlung zum Download bereitstellt. Um den jungen Geistern Forschung noch näher zu bringen und einen Einblick in die Wissenschaft zu ermöglichen, bieten viele der 85 Max-Planck-Institute Materialien, Veranstaltungen und Aktionen, wie Schülerlabore, Institutsbesuche oder Vorträge von Wissenschaftler*innen an Schulen an. 

Was würden Sie zukünftigen Wissenschaftler*innen mitgeben wollen?

Beck: „Ich kann nur sagen, auch wenn ich nicht in der Wissenschaft geblieben bin, war für mich die Promotion eine ganz wichtige Phase, weil ich Forschung live erlebt habe. Das ist einfach nochmal etwas ganz anderes als das Studium. Auch die Diplomarbeit ist nicht gleichermaßen herausfordernd wie eine Doktorarbeit. Man ist wirklich auf der Spur nach etwas Neuem, das ist schon sehr spannend und prägt einen für das Leben,  auch weil man Frustrationstoleranz entwickeln muss, die man so vielleicht noch nicht hatte. Man wird durch den Entwicklungs- und Forschungsprozess auch kreativer. In den Naturwissenschaften müssen sie im Zweifelsfall auch ihre Messgeräte neu entwickeln. Ich habe für mich gelernt, dass gerade auch im Bereich der Naturwissenschaften, diese Begeisterung an einem Gerät zu schrauben durchaus Teil der eigenen Arbeit sein sollte. Auch wenn man sich schließlich entscheidet, danach nicht weiter in der Wissenschaft zu bleiben, bleibt die Phase der Promotion eine ausgesprochen spannende und bereichernde. Insofern kann ich nur dazu ermuntern. Aber es bedarf einer hohen Motivation und Leistungsbereitschaft, um eine Promotion durchzuziehen.”

Dieses Interview führte Redakteurin Laura Marie Hattenhauer am 16.05.2023

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