Sustainability

Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre

Klimawandel, Extremwetterereignisse, Artensterben, Pandemien oder Umweltverschmutzung sind alles Beispiele für die Auswirkungen von fehlender Nachhaltigkeit. Die Welt steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, welche zeigen, wie wichtig nachhaltiges Denken und Handeln ist, um die langfristige Tragfähigkeit des Planeten gewährleisten zu können. Da Nachhaltigkeit viele Facetten hat, ist es essenziell, dass die gesamte Bevölkerung an möglichen Richtungswechseln arbeitet. Um dies voranzutreiben, hält die Bundesregierung und ihre Bundesministerien verschiedene Ziele zur Erreichung nachhaltiger Muster fest und unterstützt nachhaltige Bildungs- und Forschungsprojekte.

Die Definition von Nachhaltigkeit

Nach dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bedeutet Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung:

„… die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Um die globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein.“ 

Diese Definition deckt sich mit der heute überwiegend akzeptierten Definition von Hauff (1987), welcher nachhaltige Entwicklung als dann realisiert sieht, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt ohne zu riskieren, dass nachfolgende Generationen ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können. Diese Definition zielt also darauf ab, die Gesellschaft und Wirtschaft so zu gestalten, dass die aktuelle Situation verbessert wird und gleichzeitig die Chancen zukünftiger Generationen nicht gefährdet. Nach dieser Definition sollte man ‚Nachhaltigkeit‘ und ’nachhaltige Entwicklung‘ also als normatives Leitbild für die Gesellschaft betrachten.

Wie geht der Staat mit dem Thema Nachhaltigkeit um?

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Das BMUV verfolgt das Ziel zu einem gutem Leben und Wohlstand beizutragen, welchem ein konsequenter Klimaschutz, eine vorsorgende Klimaanpassung und eine intakte Natur zugrunde liegen. Dabei liegen die Schwerpunkte auf der

  • Wasserstrategie, welche eine bezahlbare und naturnare Wasserversorgung sichern soll,
  • auf der Klimaanpassung, welche eine vorsorgende Politik von Anpassungsmaßnahmen anstrebt,
  • sowie auf dem Verbraucherschutz, mit welchen Produkte nachhaltig produziert und langlebig sein sollen, um Umwelt und Ressourcen zu schonen.

Um die Klimaanpassung in den Kommunen einzubinden, hat das Zentrum KlimaAnpassung (ZKA) des BMUV für Klimaanspassungsmanager:innen einen Leitfaden für einen gelungenen Einstieg in die Klimaanpassung erstellt. Dieser soll Orientierung und Struktur bieten, um eine gute Basis für ein langfristiges Klimaanpassungsmanagement aufzubauen.

Das Nachhaltigkeitsziel der Bundesregierung – Agenda 2030

Die Agenda 2030 ist ein Fahrplan der Weltgemeinschaft, welcher im Jahr 2015 verabschiedet wurde und insgesamt 17 globale Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) beinhaltet. Diese dienen dazu eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung zu verfolgen, um so für die Zukunft ein weltweit menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren.

 Globale Nachhaltigkeitsziele (SDGs); Quelle: Bundesregierung
Globale Nachhaltigkeitsziele (SDGs); Quelle: Bundesregierung

Wie diese 17 SDGs von der Bundesregierung konkret umgesetzt werden und was genau die Ziele sind, wurde durch die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt. Alle zwei Jahre veröffentlicht das Statistische Bundesamt einen Indikatorenbericht, welcher als Basis für eine Anpassung der Maßnahmen durch die Bundesregierung dient. Um auch sich selbst und die Behörden zum nachhaltigen Handeln zu verpflichten, legt die Bundesregierung jährlich einen Rechenschaftsbericht über die Umsetzung des sogenannten „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ ab.

FONA – Forschung für Nachhaltigkeit

 BMBF-Strategie "Forschung für Nachhaltigkeit (FONA); Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMBF-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit (FONA); Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Angelehnt an die globalen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 formuliert das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der FONA-Strategie eine entsprechende Forschungsförderung zum Schutz des Klimas. Im Mittelpunkt der FONA stehen die SDGs, zu welchen die Forschung einen wichtigen und essenziellen Beitrag leisten kann.

In der FONA-Strategie enthalten sind drei Ziele, welche in acht prioritären Handlungsfeldern konkretisiert dargelegt werden:

Ziel 1: Klimaziele erreichen

  • Handlungsfeld 1: Treibhausgase vermeiden und mindern (Mitigation)
  • Handlungsfeld 2: Anpassungsfähigkeit und Risikovorsorge verbessern (Adaption)
  • Handlungsfeld 3: Wissen für wirksame Klimapolitik

Ziel 2: Lebensräume und natürliche Ressourcen erforschen, schützen, nutzen

  • Handlungsfeld 4: Erhalt der Artenvielfalt und Lebensräume
  • Handlungsfeld 5: Natürliche Ressourcen sichern (Wasser, Böden)
  • Handlungsfeld 6: Kreislaufwirtschaft – Rohstoffe effizient nutzen, Abfall vermeiden

Ziel 3: Gesellschaft und Wirtschaft weiterentwickeln – gut leben im ganzen Land

  • Handlungsfeld 7: Gesellschaft gemeinsam gestalten – Zusammenhalt stärken
  • Handlungsfeld 8: Regionen innovativ gestalten

Weiterhin wird für jedes Handlungsfeld durch konkrete Aktionen aufgezeigt, wie diese untersetzt ist, um die strategischen Ziele zu erreichen. Durch entsprechende Fördermaßnahmen leistet die Forschung für Nachhaltigkeit einen wesentlichen Beitrag zur Vorsorgeforschung bei. Aktuell Fördermaßnahmen wurden beispielsweise für Projekte zur Forschung zu CO2-Entnahmemethoden, die Wasserversorgung der Zukunft oder ressourceneffizientere Kreislaufwirtschaft bewilligt.

Nachhaltigkeitswissenschaft in der Lehre und Forschung

Nachhaltigkeit bestimmt unsere Zukunft und muss sich somit in allen Dimensionen widerspiegeln. Um dies zu ermöglichen, muss nicht nur die Forschung vorangetrieben werden, sondern auch die Lehre. Nachhaltige Lehre und Lehre über Nachhaltigkeit muss wegweisende Denkens- und Handlungsstrukturen hervorbringen, um künftige Generationen auf eine entsprechende Lebensweise vorzubereiten.

Im Gespräch mit Hochschul-Job.de hat Marie Zweifel die Vorlesungsreihe SustainAbility der TU Dresden vorgestellt, welche bereits 2023 den ‚eku Zukunftspreis‘ gewonnen hat. Sie erklärt, wie die Veranstaltung aufgebaut ist, was die Ziele sind und warum genau die Veranstaltung so gut ankommt.

SustainAbility: Nachhaltigkeit verstehen und umsetzen Vorlesungsreihe TU Dresden

Was macht eigentlich exzellente Lehre aus? Sie sollte zukunftsorientiert und nah an den Bedürfnissen der Studierenden ausgerichtet sein. Genauso sieht auch die Vorlesungsreihe SustainAbility an der TU Dresden aus. 2023 hat die Veranstaltung den ‚eku – Zukunftspreis‘ in der Kategorie ‚eku – Erfolg Wissenschaft‘ gewonnen, mit welchem Projekte prämiert werden, die zu einer ökologischen Entwicklung in Sachsen, sowie zum Schutz von Klima, Ressourcen, Natur und Umwelt beitragen.

Team SustainAbility: von links nach rechts: Marie Zweifel, Lea Bänder, Kara Nowotny, Emely Nicht, Emanuel Lehmann (nicht auf dem Bild zu sehen: Laurin Knapp)
Team SustainAbility: von links nach rechts: Marie Zweifel, Lea Bänder, Kara Nowotny, Emely Nicht, Emanuel Lehmann (nicht auf dem Bild zu sehen: Laurin Knapp)

Marie Zweifel, Lehramts-Studentin an der TU Dresden, hat das Projekt mit gegründet und begleitet es seither. „Diese Veranstaltung hat sich aus Mitglieder:innen der TU Umweltintiative gegründet, einer Hochschulgruppe an der TUD, die sich der Thematik Nachhaltigkeit und Umweltschutz angenommen hat. Da kam vor ein bisschen mehr als drei Jahren der Wunsch auf, dass wir ein grundlegendes Bildungsangebot schaffen wollen, welches diesen Bereich abdeckt. Daraus haben sich dann Menschen gefunden, unter anderen ich, die das sehr gern machen wollten. Allgemein stellen für mich Umweltschutz und Nachhaltigkeit wichtige Themen dar. Außerdem studiere ich Lehramt, das heißt, ein Bildungsangebot in diese Richtung lag nahe.“ 

Hochschul-Job.de: Was ist die Vorlesungsreihe „SustainAbility“ eigentlich genau?

Marie Zweifel: „Es ist eine studentisch organisierte Vorlesungsreihe, das heißt, die Organisator:innen sind alle Studierende. Es ist eine Ringvorlesung, mit welcher die Grundlagen zur Nachhaltigkeit abgedeckt werden sollen. Die Veranstaltung ist dabei so strukturiert, dass wir in den ersten Vorlesungen darüber sprechen was der Nachhaltigkeitsbegriff meint, was der menschengemachte Klimawandel ist und weshalb dieser existiert. Anschließend gehen wir in die lösungsorientierte Richtung, wobei wir darüber sprechen, wie zum Beispiel eine nachhaltige Mobilität, eine nachhaltige Ernährung, oder Wirtschaft aussehen kann. Dabei versuchen wir auch Aspekte wie: ‚Wie stehen wir Menschen zum Klimawandel‘ – Stichwort Klimawandelskepsis, oder auch Themen wie soziale Nachhaltigkeit, insbesondere Klimagerechtigkeit einzubringen, um einen möglichst großen Überblick über das Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel verschaffen können.“

Die einzelnen Veranstaltungen selbst werden dabei von verschiedenen Dozierenden der TUD und anderen Gastdozierenden durchgeführt. Diese stammen aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen und können entsprechend viele verschiedene Facetten von Nachhaltigkeit einbringen. „Dadurch soll ein gut vernetztes Wissen aufgebaut werden. Gleichzeitig ist uns wichtig, dass jederzeit Partizipation der Studierenden möglich ist und Raum für Fragen und Diskussionen gelassen wird. Wir versuchen hier das klassische Format einer Vorlesung von 90 Minuten aufzubrechen, indem bei uns die Vorlesung nur 60 Minuten geht und die restlichen 30 Minuten für Fragen und Diskussionsbedarf offen sind, sodass die Studierenden aktiviert werden und eben auch gemeinsam mit den Referierenden, auf Augenhöhe Lösungsansätze diskutieren können.“ so Marie Zweifel. 

Hochschul-Job.de: Was ist das Ziel der Veranstaltung? 

Marie Zweifel: „Wir wollen die Menschen aufzurütteln, die Dringlichkeit der Klima- und Biodiversitätskrise darlegen und dementsprechend auch die Notwendigkeit für nachhaltiges Handeln. Perspektivisch ist das Ziel, dass die Teilnehmenden aus unserer Vorlesung irgendwas mitnehmen können, womit sie dann ihr eigenes Leben nachhaltiger gestalten können. Außerdem wird den Teilnehmenden unserer Vorlesung nötiges Fachwissen mitgegeben, um faktenbasiert über die Klima- und Biodiversitätskrise zu sprechen und diskutieren, um für eine lebenswerte Zukunft einzustehen.“ 

Hochschul-Job.de: Was ist Ihr Fazit aus der Veranstaltung der letzten Jahre?

Marie Zweifel: „Mein Fazit ist, dass es total wichtig ist, dass wir über diese Themen diskutieren und ihnen auch im universitären Kontext einen entsprechenden Rahmen geben. Aus dem Feedback, welches wir bekommen, sehen wir, dass es notwendig ist, dass solche Veranstaltungen existieren. Den Teilnehmenden macht es Spaß und es wird oft der Wunsch geäußert nach weiteren ähnlichen Angeboten. Es ist sehr spannend zu sehen, wie sich die Veranstaltung immer wieder weiterentwickelt, da wir natürlich auch jedes Semester versuchen, die Veranstaltung zu optimieren und die Themen an die Wünsche der Studierenden anzupassen. “ 

„Ich glaube, die Studierenden schätzen an unserer Vorlesung besonders, dass wir versuchen, sie besonders studiorientiert zu gestalten, da wir natürlich auch selbst wissen, was die Probleme und Herausforderungen der Studierenden sind.“ so Marie Zweifel. Um die Veranstaltung für möglichst viele Studierende zugänglich zu machen, findet neben der Präsenzveranstaltung immer eine Live-Übertragung über Zoom statt, welche in aufgezeichneter Form

Poster SoSe 24 SustainAbility. Alle Informationen auf der Website zu finden.
Flyer SustainAbility; Quelle: TUD

auch nicht-linear angeschaut werden kann. Außerdem können sich die Studierenden zwischen verschiedenen Prüfungsleistungen entscheiden, um ein angenehmes Lernen für alle zu ermöglichen:

  • Klausur, online, anwendungsbezogen und im Open-Book-Format, 90 Minuten (3 CP)
  • Portfolio, online, bestehend aus 3 Statements und 6 Kommentaren zu Vorlesungsinhalten (3 CP)
  • Teilnahmeschein für Teilnahme an 80 % der Veranstaltungen (1 CP)

Hochschul-Job.de: Ist es eine Pflichtveranstaltung?

Marie Zweifel: „Leider nicht. An der TU Dresden können sich die meisten Studierenden unsere Vorlesungsreihe im sogenannten Aqua-Bereich (allgemeine Qualifikationen) anrechnen lassen. Jedoch sind wir leider kein fest integriertes Angebot. Das ist auf jeden Fall etwas, was wir perspektivisch noch sehr gern hätten, sodass sich alle Studierenden mindestens einmal im Studium mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, weil es eben ein so bedeutendes Thema ist.“

Hochschul-Job.de: Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?

Marie Zweifel: „Ein Wunsch unsererseits wäre, dass gerade studentische Bildungsangebote an Universitäten noch  mehr wertgeschätzt und gesehen werden, da wir eigentlich richtig coole und wichtige Arbeit leisten und einer breiten Masse an Studierenden, unabhängig vom Studiengang, Umweltbildung zugänglich machen. Zudem wünschen wir uns natürlich, dass unsere Vorlesungsreihe eine nachhaltige Wirkung bei den Teilnehmenden erregt und diese etwas für ihr eigenes Leben mitnehmen können.“  

Kassel Institute for Sustainability „Wir wollen die Welt besser machen“ – Prof. Dr. Andreas Braun

Um die Nachhaltigkeit in Forschung und Lehre zu schärfen und um „in zehn bis 15 Jahren einer der großen europäischen Player im Bereich Nachhaltigkeitsforschung und Lehre“ zu sein hat die Universität Kassel ein ganzes Institut nur für das Profilfeld ‚Nachhaltigkeit‘ eingerichtet, so Prof. Dr. Andreas Braun, Leiter des “Kassel Institute for Sustainability”. Er stellt das Kassel Institute for Sustainability für Hochschul-Job.de vor und erklärt, was das Institut besonders macht und welche Vorteile sich daraus für die Forschung und Lehre ergeben.

Prof. Dr. Andreas Braun – Akademischer Werdegang

Hochschul-Job.de: Wie kam es zur Gründung des Institutes?

Prof. Dr. Andreas Braun: „Der Auslöser war tatsächlich, dass das Land Hessen erkannt hat, dass einerseits die Betreuungsverhältnisse in der Lehre verbessert werden müssen und anderseits die Unis eine Profilschärfung durchführen müssen. Dementsprechend wurden vom Land Hessen 300 neue Professor:innenstellen eingerichtet. Die Uni Kassel hat damals die Entscheidung getroffen, diese Stellen eben nicht ‚wahllos‘ zu verteilen, sondern sie geballt auf den Bereich Nachhaltigkeit zu setzen und dabei einen interdisziplinären Ansatz zu verfolgen. Die Initiative kam vom vormaligen Rektor, Herrn Finkeldey, welcher erkannt hat, dass Nachhaltigkeit ohnehin das Thema des 21. Jahrhunderts ist, zu dem sich alle Unis positionieren müssen. Da wollte er keine halben Sachen machen.“

Hochschul-Job.de: Was ist das Ziel?

Prof. Dr. Andreas Braun: „Kurz gesagt: Wir wollen die Welt besser machen! Das schöne ist, dass die Menschen, die im Kassel Institute arbeiten, wirklich auch einen großen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen, zu Klimawandel, Biodiversität aber auch zu den sozialen Nachhaltigkeitszielen leisten wollen. Das ist der Spirit, der von allen geteilt wird. Was ich erlebe, ist eine gemeinsame Vision, eine gemeinsame Motivation, statt lauter Individuen, die alle ihre persönliche Publikationsstatistik schminken wollen. Wir wollen weit kommen. Wir haben hier mit dem Kassel Institute eine Chance auf lange Sicht zu fahren und mit Geduld und Ruhe zu planen und aufzubauen. Und in zehn bis 15 Jahren wollen wir einer der großen europäischen Player im Bereich Nachhaltigkeitsforschung und -lehre sein.“

„Zum einen wollen wir eine kritische Nachhaltigkeitsforschung machen, die nicht so technozentrisch ist wie an anderen Institutionen, wo sich schon allein dafür als nachhaltig bezeichnet, dass man beforscht, wie das Lithium für die Batterien der E-Autos aus der Atacamawüste gekratzt werden kann. Wir wollen ein anspruchsvolles und kritisches Nachhaltigkeitsverständnis in der Forschung entwickeln. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich den Studierenden, die wir als neue, viel kritischere Generation erleben, ein Lehrangebot machen, welches sie auf eben diese kritische Reflexion und Gestaltung der Zukunft vorbereitet. Die zukünftigen Studierenden sind zunehmend aktivistisch-orientierte Studierende, welche wirklich was verändern wollen und entsprechend ein Ausbildungsangebot wollen, was sie genau darauf vorbereitet.“

Nachhaltigkeitslehre in allen Bereichen

Durch 17 neue Professuren am Institut gibt es freie Deputate und enorm viel Expertise, welche es ermöglichen etwas neues aufzubauen. Die Universität hat sich zum Ziel gemacht, Nachhaltigkeit in praktisch allen Profilen studierbar zu machen. „Die Idee ist zu sagen, man bietet vom Bachelor bis zur Graduiertenschule nachhaltigkeitsbezogene Lehre an. Zum einen sehr allgemein im Sinne von Bachelor/Master of Sustainability Science, bis hin zum spezialisierten Bachelor Renewable Energies oder nachhaltige Mobilität, nachhaltige Kommunikation und so weiter. “ – so Prof. Dr. Braun.

Die Universität sei bereits in der Entwicklung neuer Studiengänge, erklärt Braun: „Wir entwickeln einen Uni-weiten Bachelor Nachhaltigkeitsstudien (UNAS), in dem es uns gelungen ist, dass alle Fakultäten diesen Bachelor mitgestalten. Außerdem gibt es den INAS-Bachelor (integrierte Nachhaltigkeitsstudien), welchen man ab dem Wintersemester 2024/2025 als Nebenfach in verschiedenem Umfang wählen kann. Es gibt also das eigenständige Modell und das Nebenfachmodell. Der UNAS-Bachelor soll im nächsten Jahr 2025/2026 starten.“

Hochschul-Job.de: Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?

Prof. Dr. Andreas Braun: „Die Frage eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsverständnisses taucht des Öfteren bei uns im Institut auf, weil man nicht so einfach eine geteilte Definition über die Rechtswissenschaft, die Sozialwissenschaft, die Kulturwissenschaft, die Ingenieurwissenschaft finden kann. Nachhaltigkeit kann immer nur innerhalb eines bestimmten Kontextes wirklich trennscharf definiert werden. Was uns aber wichtig ist, ist ein gemeinsame, übergeordnetes Nachhaltigkeitsverständnis! Dieses setzt beim Konzept der starken Nachhaltigkeit an.“

„In der Nachhaltigkeitsforschung unterscheidet man klassisch zwischen schwacher und starker Nachhaltigkeit. Es gibt drei Sphären, bzw. Kapitalien: Ökonomisch, Ökologisch und Sozial – Stichwort Triple-Bottom-Line-Denken. Bei der schwachen Nachhaltigkeit dürfen die drei Kapitalien subtituiert werden. Das bedeutet, man darf beispielsweise ökologisches Kapital durch ökonomisches ersetzen. Starke Nachhaltigkeit bedeutet, dass das Naturkapital erhalten bleiben muss nicht substituiert werden darf.“

Professor Braun erklärt, was eine entsprechende Substitution in der Konsequenz bedeutet: „Weltweit erleben wir, dass Unternehmen Raubbau am ökologischen Kapital betreiben (z.B. Biodiversitätsverluste und Artensterben auslösen), dies greenwashen und dann auch noch als ’nachhaltig‘ deklarieren, weil durch das erzeugte Wirtschaftswachstum ökonomisches Kapital aufgebaut wird.

Dieses Denken hat den Planeten an die Grenzen des Kollapes gebracht.

Deswegen ist aus meiner Sicht ein starkes Nachhaltigkeitsdenken entscheidend, denn Naturkapital darf nicht substituiert werden, zumindest dann nicht, wenn es hochwertiges Naturkapital ist: Biodiversität und vom Aussterben bedrohte Tierarten. Der Planet ist an den Grenzen und die natürlichen Systeme dürfen nicht weiter in diesem Maße belastet werden. Das ist aus meiner Sicht besonders wichtig. Die sozialen Ziele sind natürlich genauso wichtig. Zum einen sind die sozialen Ziele eingebettet in Ökosysteme und wenn diese kollabieren, kann auch Wohlfahrt nicht mehr gewährleistet werden, zum Beispiel, wenn die Wasservorräte durch den Klimawandel schwinden. Zum anderen stehen die sozialen Ziele auch für sich und es kann beispielsweise nicht angehen, dass hierzulande rechtspopulistische Narrative vom angeblichen „Weltsozialamt Deutschland erzählt werden, während auch heute unser Wohlstand u.a. durch unfaire Handelsbedingungen, Ausbeutung und sogar moderne Sklavenarbeit im Süden erzeugt wird.“

Studiengänge im Bereich Nachhaltigkeit

Das steigende Bewusstsein in der Gesellschaft zur Dringlichkeit der Umweltprobleme wirkt sich auf verschiedene Bereiche aus. Nicht nur die Wirtschaft hat erkannt, dass Nachhaltigkeit nicht nur als moralische Verpflichtung zu sehen ist, sondern diese auch wirtschaftliche Vorteile bieten kann, um Ressourcen zu sparen, die Effizienz zu steigern oder neue Märkte zu erschließen. Dies schafft neue Arbeitsplätze und Karrieremöglichkeiten wie zum Beispiel im Bereich Umweltschutz, erneuerbare Energien, städtische Planung und natürlich der Forschung. Die Vielfältigkeit der Studiengänge, welche sich auf die Nachhaltigkeit fokussieren, steigert sich als Teil dieser Entwicklung immer weiter. Auf Studycheck finden sich über 200 Studiengänge mit dem Bezug zur Nachhaltigkeit. Dabei entwickelt sich der Bereich Nachhaltigkeit immer weiter und schlägt sich in verschiedensten Fachbereichen und Schwerpunkten nieder:

Ein Studium im Bereich der Nachhaltigkeit bietet somit die Möglichkeit eine aktive Rolle nicht nur in der technischen, sondern auch in der gesellschaftlichen Transformation zu spielen, um so ein Leben auch für kommende Generation lebenswert zu erhalten.

Diese Interviews führte Redakteurin Laura Marie Hattenhauer am 05.04.2023 (SustainAbility) und am 08.04.2023 (Kassel Institute).

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