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Plagiate in der Wissenschaft – Prof. Dr. Klaus Meier: „Wir müssen erlaubte Hilfsmittel neu definieren und Bewertungskriterien anpassen”

Der wohl häufigste Fehler entsteht in einer wissenschaftlichen Arbeit beim richtigen Zitieren. Sobald man eine fremde Quelle als Paraphrase verwendet oder Inhalte wortwörtlich in der eigenen Arbeit verwendet, ohne diese zu kennzeichnen, entsteht ein Plagiat. 

Dabei kann man zwischen offensichtlichen und versteckten Plagiaten unterscheiden. Bei einem offensichtlichen Plagiat werden die Gedankengänge ohne Veränderungen übernommen – es fehlen also die Anführungsstriche mit Quellenangabe. Werden die übernommenen Sätze leicht verändert, sodass der Sinn noch der gleiche ist, handelt es sich um ein verstecktes Plagiat.  

Wenn ein Plagiat entdeckt wird, kann es nicht nur dazu führen, dass die Prüfung nicht bestanden ist, sondern es kann bei bereits veröffentlichten Werken auch rechtliche Konsequenzen sowie natürlich die Aberkennung des akademischen Grades nach sich ziehen. Welche Konsequenzen sich aus einem Plagiat ergeben können, haben wir für dich recherchiert. 

Prof. Dr. Klaus Meier, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt – Foto: Dr. Christian Klenk

Prof. Dr. Klaus Meier, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, betreut bereits seit 2009 Promovierende im Bereich der Journalistik und hat für Hochschul-Job.de erklärt, wie das Prüfverfahren einer Dissertation aussieht, was beim Verdacht auf ein Plagiat passiert und welche Herausforderungen sich aus dem Chatbot GPT für die Hochschullehre ergeben.  

Ab wann entsteht ein Plagiat?

Wenn man somit fremde Textausschnitte wortwörtlich übernehmen möchte, müssen diese auch als solche gekennzeichnet werden, das heißt, sie müssen in Anführungszeichen stehen und eine Angabe über die Quelle enthalten. Auch Paraphrasen, also umgeschriebene Textausschnitte, müssen mit der ursprünglichen Quelle versehen sein. Diese beinhaltet zum Beispiel im APA-Stil mindestens den Autor oder die Autorin und das Jahr der Veröffentlichung des genutzten Textausschnittes. 

Anders sieht es aus bei der Quellenangabe von Grundlagenwissen, also Wissen, dessen Kenntnis in einem Fach angenommen wird. Dies würde zum Beispiel im Fachbereich der Physik die Relativitätstheorie umfassen. Hier kann man dann auf den Beleg verzichten, dass die Relativitätstheorie von Albert Einstein stammt.   

Wie vermeide ich Plagiate? 

Gerade in wissenschaftlichen Arbeiten ist viel Literaturarbeit nötig, um die passenden Inhalte für die eigene Arbeit identifizieren zu können. Um unabsichtliche Plagiate zu umgehen, sollte man bereits im Rechercheprozess penibel genau die Textstellen inklusive Quelle und Seitenzahl festhalten, um später eine zusätzliche Suche nach der Quelle zu vermeiden, denn hier können schnell Fehler passieren. Dabei sollte man außerdem darauf achten, die eigenen Gedanken deutlich sichtbar von allen fremden Argumenten und Gedankengängen zu differenzieren, um später nicht versehentlich falsch zugeordnete Zitate zu verfassen. 

Grundsätzlich können Literaturverwaltungsprogramme dabei von großem Nutzen sein, um alle Quellenangaben geordnet in einem Verzeichnis festzuhalten. Um ganz sicher zu gehen, dass man nicht unabsichtlich plagiiert, kann man im Abschluss Plagiat-Prüfungsprogramme wie zum Beispiel Turnitin, welches ihr kostenlos auf Scribbr testen könnt, zu Hilfe nehmen. Achtung! Diese Programme können nur prüfen, zu wie vielen Prozent die Arbeit Ähnlichkeiten mit anderen Arbeiten aufweist, nicht aber ob ein Plagiat vorliegt.

Wer prüft eigentlich die Dissertation und wie ist der Ablauf?

Sobald alle Teile der Doktorarbeit abgearbeitet sind, die Texte stehen und zum letzten Mal alles gecheckt wurde, bedeutet dies, dass es Zeit für die endgültige Abgabe der Arbeit ist und somit die Prüfung der Arbeit ansteht.  

Prof. Dr. Klaus Meier: „Die Prüfung der Dissertation ist in den Promotionsordnungen der Fakultäten festgehalten, wobei der Doktortitel auch von der zuständigen Fakultät vergeben wird. In der Regel gibt es zur Prüfung der Dissertation einen Erstprüfer / eine Erstprüferin und einen Zweitprüfer / eine Zweitprüferin, welche dann beide unabhängig voneinander ein Gutachten über die Arbeit anfertigen. Anschließend liegen die Arbeit sowie die Gutachten für mindestens zwei Wochen in der Fakultät aus, sodass alle prüfungsberechtigten Personen Einblick in die Arbeit und die Gutachten erhalten können. Falls in diesem Schritt Einspruch käme, würde noch einmal ein neues Verfahren angestoßen werden, um das sich der Promotionsausschuss kümmert. Wenn kein Einspruch vorliegt, gibt es im nächsten Schritt die Disputation, also eine mündliche Prüfung, in welcher die Arbeit verteidigt werden muss. Wenn dann alles bestanden wurde und die Dissertation veröffentlicht ist, wird der Doktortitel vergeben.” 

Was passiert beim Verdacht auf ein Plagiat? 

Sobald man einen Satz von jemandem anderen als geistiges Eigentum in der eigenen Arbeit übernimmt, ohne diesen zu kennzeichnen, entsteht ein Plagiat. Was passiert wenn ein Plagiat bei der Prüfung der Dissertation entdeckt wird, erklärt Prof. Dr. Meier: „Wenn ein Plagiat im kleinsten Sinn als einzelner Satz vorkommt, dann heißt es nicht, dass man durch die ganze Doktorarbeit durchfällt, sondern es wird als handwerklicher Fehler im Gutachten vermerkt, sodass man Punktabzug beziehungsweise eine schlechtere Note erhält. Für die Veröffentlichung muss der Fehler korrigiert werden. Wenn solche Fehler mehrfach oder sogar systematisch passieren, ist das wiederum eine andere Sache. Dann muss geprüft werden, inwiefern eine Täuschungsabsicht dahinter steht beziehungsweise inwiefern diese in der Arbeit erkennbar ist. Die Abwägung, ob nur einzelne handwerkliche Fehler vorliegen, welche unabsichtlich entstanden sind und im Großen und Ganzen nicht relevant sind, weil in ganz überwiegenden Teilen eine eigenständige Arbeit vorliegt, ist extrem schwierig. Wenn alleine der Verdacht auf eine Täuschungsabsicht nahe liegt, kann man den Doktortitel nicht vergeben.”    

Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem absichtlich erstellten Plagiat? 

Prof. Dr. Meier: „Zum einen ist es natürlich der Betrug, den man begeht gegenüber den Betreuer*innen, gegenüber der Fakultät, gegenüber dem Prüfungsgremium. Zum anderen verletzt man mit einem Plagiat aber auch das Urheberrecht. Man übernimmt das geistige Produkt einer anderen Person und tut so, als wäre es das eigene geistige Produkt. Eine Urheberrechtsverletzung kann unter Umständen auch Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, weil der Urheber klagen kann. Aber dazu könnte es nur kommen, wenn Dissertationen bereits veröffentlicht vorliegen und das wird natürlich eben durch das Prüfverfahren versucht zu verhindern. Die Arbeit wird also, bevor sie überhaupt publiziert werden kann, vorher schon aus dem Verkehr gezogen.” 

Welche Folgen ein Plagiat an deiner Universität haben kann, kannst du in deiner Promotionsordnung deiner Fakultät nachlesen, denn diese werden eigenständig von den Universitäten festgelegt. Neben der prüfungsrechtlichen Konsequenz, die Arbeit als „nicht bestanden” zu bewerten, kann auch die Exmatrikulation oder ein Verweis von der Universität drohen. In solchen Fällen darf man in der Regel auch an einer anderen Universität nicht mehr promovieren. Wenn durch ein Plagiat sogar ein Titel erschlichen wurde, kann zusätzlich zur Aberkennung des Titels auch eine Geldstrafe für das Führen von akademischen Graden drohen. 

„Das Potenzial von ChatGPT ist enorm” – Prof. Dr. Klaus Meier

Für die Erstellung der wissenschaftlichen Arbeit gibt es einige Programme und Tools, welche einen bei der Arbeit unterstützen können. Literaturverwaltungsprogramme wie Citavi oder Grammatik-Check-Tools sind längst im Standardrepertoire eines jeden Studierenden zu finden. Durch die Einführung der neuen KI ChatGPT, ist die Frage, inwieweit der Chatbot auch in der Hochschullehre verwendet werden kann und welche Probleme sich daraus für die Hochschullehre ergeben. 

Prof. Dr. Klaus Meier: „In der momentan vorliegenden Fassung (Stand: 23.01.2023 – Anmerk. Red.) kann der Chatbot noch nicht wissenschaftlich arbeiten. Er ist ja ein Dialogsystem, das Wörter und Sätze möglichst logisch auf Basis von Trainingsdatensätzen aneinander reiht. Quellen zum Beispiel werden einfach erfunden. Allerdings ist das Potenzial, das im Allgemeinen in solchen Textassistenten liegt, enorm, wenn sie mit Suchmaschinen vernetzt und für den Umgang mit wissenschaftlichen Quellen trainiert werden. Das hat weitreichende Konsequenzen. Eine Konsequenz ist, dass man nicht mehr eindeutig allein aufgrund des Textes sagen kann, dass diese Arbeit jemand eigenständig geschrieben hat, da eine KI entweder unterstützend oder sogar wörtlich produzierend genutzt worden sein kann. Ein generelles Verbot solcher Tools ist jedoch fraglich, da sie auch beim wissenschaftlichen Arbeiten hilfreich sein können – und sie verschwinden nicht mehr, sondern werden immer besser. Die aktuelle Verbotsdebatte erinnert entfernt an die Diskussion um den Taschenrechner in den 70er Jahren oder um Wikipedia vor 20 Jahren. Wir müssen erlaubte Hilfsmittel neu definieren und Bewertungskriterien anpassen. Wer KI-Tools benutzt, muss transparent darlegen, dass diese Tools benutzt wurden und wofür und weshalb. In welcher konkreten Form diese Dokumentation aussehen soll, wird in der Wissenschaft gerade weltweit ausgelotet. Zum anderen ist es bei Dissertationen allgemein auch so, dass diese immer begleitet und betreut werden. Es gibt Zwischenschritte bei denen man über die Fortschritte mit dem/der Betreuer*in spricht und in denen die Arbeit präsentiert wird. Es gibt Kolloquien oder begleitende Seminare, in denen die Studierenden ihren Fortschritt vorstellen und diskutieren, wie weit sie gekommen sind und welche Probleme bestehen. Dieses mündliche Begleiten der Arbeiten wird wichtiger werden, um abschätzen zu können, inwiefern jemand eigenständig arbeitet.” 

Meier merkt weiterhin an, dass wir erst am Anfang der Entwicklung stehen. Er ist zuversichtlich, dass Tools wie ChatGPT nur auf den ersten Blick Gefahren, auf den zweiten auch Chancen mit sich bringen: „Diese Tools werden die Methodenausbildung und unser Verständnis von Wissenschaft schärfen. Wozu brauchen wir Wissenschaft? Der Wert einer Dissertation – wie allgemein jeder wissenschaftlichen Arbeit – liegt doch nicht darin, einen gefälligen und logisch aufeinander aufbauenden Text zu schreiben. Es geht um die Höhe des Erkenntnisgewinns. Das hat mit der Wissenslücke gegenüber bisherigem Wissen und der Positionierung im Fachdiskurs zu tun. Es beginnt mit der innovativen Fragestellung, die umso besser ist, je besser man die bisherige Forschung kennt und diese überprüfen oder sogar aus ihr ausbrechen möchte. Dann kommt die methodisch transparente Umsetzung – also ein Offenlegen des Forschungsprozesses. Und erst daraus ergibt sich Erkenntnis, die für das Fach und oft auch für die Gesellschaft relevant ist. Anders formuliert: Wissenschaftlicher Fortschritt ist ein nachvollziehbarer Vorstoß in unbekanntes Terrain – und nicht das geschickte Umwälzen und Umformulieren von bereits Bekanntem. Oder etwas provozierend gesagt: Wenn wir nicht mehr so viel Aufwand betreiben müssen, damit Studierende einen Text unfallfrei schreiben können, weil eine KI sie dabei unterstützt, dann können wir doch mehr Zeit in ein Verständnis für den tatsächlichen Erkenntnisgewinn investieren. Künftige Methodenausbildung muss einen kreativen, aber auch kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit KI-Tools integrieren.” 

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Was ist ein Plagiat? 

Ein Plagiat entsteht in einer wissenschaftlichen Arbeit durch nicht kenntlich gemachte Zitate. Sobald eine fremde Quelle als Paraphrase verwendet wird oder Inhalte wortwörtlich in der eigenen Arbeit verwendet werden, ohne diese zu kennzeichnen, entsteht ein Plagiat. 

Was sind die Konsequenzen eines Plagiats?

Neben der prüfungsrechtlichen Konsequenz, die Arbeit als „nicht bestanden” zu bewerten, kann auch die Exmatrikulation oder ein Verweis von der Universität drohen. Sobald die Arbeit veröffentlicht ist, führt ein Plagiat außerdem zu einer Urheberrechtsverletzung, welche Schadensersatzansprüche mit sich ziehen kann. Weitere Konsequenzen kannst du im Artikel unter Absatz 5 nachlesen. 

Was passiert bei einem Plagiat in der Dissertation?

Ein Plagiat in der Dissertation führt nicht automatisch dazu, dass die Prüfung nicht bestanden ist. Vielmehr wird geprüft, ob ein handwerklicher Fehler vorliegt und ob eine Täuschungsabsicht erkennbar ist. 

Wer prüft die Dissertation?

Wie die Prüfung der Dissertation ausfällt, ist in der Promotionsordnung der Fakultät festgelegt. „In der Regel gibt es zur Prüfung der Dissertation einen Erstprüfer / eine Erstprüferin und einen Zweitprüfer / eine Zweitprüferin, welche dann beide unabhängig voneinander ein Gutachten über die Arbeit anfertigen.” (Prof. Dr. Klaus Meier)

Welche Folgen hat ein Plagiat auf bereits erhaltene akademische Grade?

Wenn durch ein Plagiat sogar ein Titel erschlichen wurde, kann zusätzlich zur Aberkennung des Titels auch eine Geldstrafe für das Führen von akademischen Graden drohen. 

Dieses Interview führte Redakteurin Laura Marie Hattenhauer am 23.01.2023.

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