Ratgeber Gesundheitswissenschaften – Blick auf ein vielfältiges Studium mit einer spannenden Karriere
Googelt man den Begriff ‚Gesundheitswissenschaften’, tauchen Gymnastikbälle und Menschen in weißen Kitteln auf. Wir befinden uns also irgendwie im Bereich der Medizin. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Fachbereich der Gesundheitswissenschaften?
Die Gesundheitswissenschaft beschäftigt sich im Grunde mit der Gesundheit in der Bevölkerung und wie diese erhalten werden kann. Die WHO definiert genauer: „Alle (organisierten) Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten, zur Förderung der Gesundheit, zur Verlängerung des Lebens aller Bevölkerungsgruppen sowie zur Herstellung von gesunden Lebensbedingungen“. Dabei meint Gesundheit den „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen“ (WHO, 2020). Die Gesundheitswissenschaft beschäftigt sich also quasi mit dem, was hinter der Medizin steckt.
Teil der Ausbildung sind Ernährungspläne, Klinikmanagement, Gesundheitsförderung, Epidemiologie und Prävention von (Volks-)Krankheiten. Da die Gesundheitswissenschaften sehr interdisziplinär aufgebaut sind, finden aber auch Soziologie, Politikwissenschaft, Umweltwissenschaft, Demografie, Psychologie, Ökonomie und Recht Anwendung. Ebenso sind die Zusammenarbeit mit Praxispartner:innen und Politikberatung von zentraler Bedeutung. Die Branche gilt hinsichtlich der Jobsicherheit als relativ sicher, da Gesundheit gerade in einer alternden Gesellschaft immer relevanter wird. Im Vergleich zur Public Health, die sich vor allem mit der öffentlichen Gesundheit auseinandersetzt, liegt der Ursprung der Gesundheitswissenschaften im Wissenschaftlichen.
Studium der Gesundheitswissenschaften – Kombination aus Naturwissenschaften und sozialem Faktor
Laut dem Statistischen Bundesamt waren 196.239 Studierende im Wintersemester 2021/2022 im Bereich Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften eingeschrieben. Der Bereich der Gesundheitswissenschaften ist im Gegensatz zur NC-ummantelten Medizin meistens zulassungsfrei, ein Abitur oder auch eine abgeschlossene Berufsausbildung ebnen den Weg dorthin. Studierende haben die Möglichkeit, Naturwissenschaften mit einem sozialen Faktor zu verbinden. Die wohl bekanntesten Studienorte sind die Technische Universität München sowie die Charité in Berlin. München bietet das Studium bilingual (Deutsch und Englisch) an und legt den Fokus auf bio-(medizinisch)-psycho-soziale Aspekte. An der Charité stehen Bio-, Natur- und Geisteswissenschaften im Zentrum.
Nach einer Regelstudienzeit von sechs Semestern wird der Titel ‚Bachelor of Science’ erworben. Daran kann ein Master von in der Regel drei bis vier Semestern angeschlossen werden, der mit dem Titel ‚Master of Science’ vollendet wird. Gesundheitswissenschaften werden sowohl an Hochschulen als auch an Universitäten angeboten. Manche der Studiengänge sind auch berufsbegleitend (in Teilzeit oder mittels Abend- und Wochenendkursen) oder als duales Studium zu studieren, um parallel bereits die Praxis zu erwerben.
Absolvent:innen stehen viele Wege offen: Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Reha-Zentren, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherungen, Krankenkassen, Gesundheitsämter, Verbraucherschutz, Präventionszentren, Verbände, Berufsgenossenschaften, Politik-, Ernährungs- und Gesundheitsberatung, Vereine und Unternehmen können mögliche künftige Arbeitgeber:innen und Tätigkeitsfelder sein. Beliebt ist außerdem das Qualitätsmanagement und die App-Entwicklung. Auch im Ausland kommen Gesundheitswissenschaftler:innen gegen Tropen- und Infektionskrankheiten, für die globale Ernährungssicherheit, nach Naturkatastrophen, in der Entwicklungshilfe oder sogar als Journalist:innen für Fachzeitschriften zum Einsatz.
Roboter und App-Entwicklung – Digitalisierung in den Gesundheitswissenschaften
Auch in den Gesundheitswissenschaften hat die Digitalisierung Einzug gehalten und so öffnen sich auch hier neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Wissenschaftsschwerpunkt Gesundheitswissenschaften an der Universität Bremen beschäftigt sich mit Potenzialen, Grenzen und Risiken der Digitalisierung in Public Health. Das formulierte Ziel ist „die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung durch die Anwendung neuer Technologien auf individueller, Community- und globaler Ebene voranzutreiben“. Um dieses zu erreichen, werden die Technologien hinsichtlich Effektivität und Effizienz, Gerechtigkeit und nicht-intendierte Effekte bewertet. Die Forschenden konzentrieren sich auf digitale Datenerhebung in der Epidemiologie im Hinblick auf Verzerrung aufgrund sozialer Ungleichheiten, sowie auf die Möglichkeiten der Gesundheitskommunikation, beispielsweise zum Thema Impfungen. Digitale Public Health-Maßnahmen sind bisher kaum evaluiert, weshalb es in diesem Bereich weiterer Forschung bedarf.
In der Pflege hat die Digitalisierung großes Potenzial: Patient:inneninformationen können elektronisch erfasst werden, Roboter hingegen befinden sich noch in der Testphase. Diese sind aufgrund der befürchteten Vereinsamung der Patient:innen allerdings nicht unumstritten.
Karriere in der Forschung – Promotion in den Gesundheitswissenschaften
Ebenso ist natürlich eine Berufslaufbahn in der Forschung möglich. Gesundheitswissenschaftler:innen erheben unter anderem Daten und werten diese aus, um auf Basis dessen Simulationen und Prognosen möglicher Krankheiten zu generieren. Diese Arbeit ist eine wichtige Entscheidungshilfe für die Politik.
Als eine der angesehensten Universitäten Deutschlands bietet die Technische Universität München die Möglichkeit der Promotion an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften an. Die Forschungsbereiche sind breit aufgestellt, unter anderem kann zum Thema der Epidemiologie oder den Folgen und Kontexten des demografischen Wandels geforscht werden. Promovierende werden von der TUM Graduate School und dem Fakultätsgraduiertenzentrum betreut. Diese Betreuung umfasst neben dem selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten Workshops und Angebote des Austauschs unter Kolleg:innen. Wer sich darüber hinaus eine Betreuung wünscht, kann sich für das Mentoring-Programm anmelden. Hier begleiten TUM Alumni für ein Jahr Promovierende. Im Rahmen der überfachlichen Qualifizierung können außerdem Kurse zur persönlichen Weiterentwicklung belegt werden. An der TUM ist es außerdem möglich, einen Forschungsaufenthalt im Ausland zu absolvieren, der finanziell unterstützt werden kann. Für Promovierende mit Kind stellt die Universität einen Betreuungsservice.
Absolvent:innen erhalten entweder den Doktor der Philosophie (Dr. phil.) oder den Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.). Wissenschaftler:innen, die nach der Promotion in der Forschung bleiben, sind gefragt. Aus diesem Grund fördert die TUM im Hinblick auf Gleichstellungsmaßnahmen vor allem Frauen mit dem Ziel einer wissenschaftlichen Karriere mit Beratung, Unterstützung sowie Finanzierungshilfen.
Auch die Hochschule Magdeburg-Stendal bietet Promotionsstellen in den Gesundheitswissenschaften. Janine Jänisch promoviert hier zum Thema der klinischen Psychoonkologie. Im Interview mit Hochschul-Job berichtet sie von ihrem wissenschaftlichen Alltag.
Gehalt von Gesundheitswissenschaftler:innen
Ein:e durchschnittliche:r Gesundheitswissenschaftler:in verdient laut Stepstone im Jahr 45.445 EUR bis 59.736 EUR brutto. Wer in Mecklenburg-Vorpommern lebt, kommt mit 40.171 EUR brutto Jahresgehalt am schlechtesten weg. Wer in Hessen arbeitet, erhält mit 56.394 EUR brutto pro Jahr das höchste Gehalt. Dabei kommt es natürlich auch auf die Unternehmensgröße an: Ein:e Mitarbeiter:in einer Firma mit mehr als 20.000 Angestellten verdient im Jahr im Schnitt 17.323 EUR brutto mehr als ein:e Vertreter:in eines Unternehmens mit unter 100 Mitarbeiter:innen. Grundsätzlich ist es aber schwer eine generelle Gehaltsaussage zu treffen, da Gesundheitswissenschaftler:innen in so vielen Bereichen der Gesellschaft tätig sind.
Angestellte des öffentlichen Dienstes wiederum fallen beispielsweise unter die Tarifbezahlung. Im Gesundheitsamt erhalten Beschäftigte mit unter drei Jahren Berufserfahrung ein Jahresgehalt von bis zu 39.748 EUR brutto. Bei über neun Jahren Berufserfahrung steigt dieses auf durchschnittlich 46.720 EUR brutto jährlich an. Der Beruf als Ernährungsberater:in dagegen ist nicht ganz so lukrativ: Ernährungsberater:innen können sich auf ein durchschnittliches Jahresgehalt von 32.395 EUR brutto einstellen. Sechs Jahre Berufserfahrung mehr machen dabei einen jährlichen Unterschied von knapp 3.000 EUR brutto.
Verfolgt man den wissenschaftlichen Berufszweig, gliedert sich das Gehalt wie folgt: Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen an Universitäten und Hochschulen fallen in der Regel unter die Entgeltgruppe E13, vereinzelt unter E14 oder E15, und verdienen in dieser je nach Erfahrung 4.188,38 EUR und 6.037,38 EUR brutto im Monat. Juniorprofessor:innen erhalten nach W1-Besoldung etwa 4.500 EUR und 5.300 EUR brutto pro Monat. W2- und W3-Professor:innen können mit einer Spanne von 5.700 EUR bis 8.000 EUR brutto im Monat rechnen. An Hochschulen werden vermehrt Stellen mit W2-Besoldung ausgeschrieben, an Universitäten hingegen sind vor allem W3-Professuren üblich.
Gesundheitswissenschaftler:innen gefragter denn je
Die Covid-19-Pandemie hat die Bedeutung der Gesundheit in der Bevölkerung mehr denn je in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Eine Pandemie eventuell vorherzusehen, aber vor allem unter Kontrolle zu bekommen, sowie wichtige Gesundheitsinformationen verständlich aufzubereiten ist eine der wichtigsten Aufgaben von Gesundheitswissenschaftler:innen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sieht dabei vor allem die Surveillance der nationalen und pandemischen Situation, die Einführung von Gesundheitsschutzmaßnahmen, das flächendeckende Testen, die Politikberatung durch Expert:innen sowie die Risikokommunikation als bedeutend an. Die letzten Jahre haben einige Defizite in Deutschlands Gesundheitspolitik aufgezeigt. Das Zukunftsforum Public Health verweist vor allem auf eine fehlende Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis. Auch der fortschreitende Klimawandel wirkt sich auf das Wohlbefinden der Menschen aus. Gesundheitswissenschaftler:innen, die die Gesundheit in der Bevölkerung überblicken und das Management derer beherrschen, sind aktuell also gefragter denn je.
Von Julia Brechtelsbauer
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