Wie gelingt Wissenschaftskommunikation in PR-Agenturen?
Messenger-RNA, Impfstoffe, Viren – Was diese Dinge genau sind, ist als Laie schwierig zu beantworten. Auch wenn beispielsweise in der Corona-Pandemie viel Aufklärungsarbeit geleistet wurde, die Welt der Wissenschaft ist für Nicht-Wissenschaftler oft schwer zu durchblicken. Um komplexe, wissenschaftlichen Themen auch als Laie zu verstehen, kann nicht nur der Wissenschaftsjournalismus helfen, sondern auch die Wissenschaftskommunikation von PR-Agenturen.
Über die Fachrichtung Medienwissenschaft erfahren Sie im Ratgeber mehr. Ein Interview mit Korbinian Klinghardt zum Thema „Journalismus und Innovation“ können Sie hier lesen. Über journalistische Plattformen der Zukunft klärt Lukas Erbrich hier näher auf.
Patricia Staudacher-Sauer ist Gründerin von klok Science, einer Agentur für Wissenschaftskommunikation in Nürnberg. Im Interview mit Hochschul-Job.de erklärt sie, was die Wissenschaftskommunikation so spannend macht, wie ihre Arbeit genau aussieht und warum sie lieber in der PR statt im Journalismus arbeitet.
Wie war Ihr Weg in die Wissenschaftskommunikation?
Patricia Staudacher-Sauer: „Ich habe im Jahr 2007 nach meinem Biologie-Studium, Volontariat bei Bertelsmann und einigen Jahren Erfahrung im Bereich PR und Umternehmenskommunikation, in Nürnberg eine klassische Werbeagentur gegründet. Das war damals Sauer + Staudacher Kommunikation, die heutige klok GmbH & Co KG. Dann haben mir irgendwann die Naturwissenschaften so gefehlt, dass ich mich als Abteilungsleiterin Kommunikation und Marketing beim Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen beworben habe. Dort habe ich dann fast zwei Jahre die Abteilung geleitet. Das war wieder ein guter Einstieg in die Naturwissenschaften. Da war es fast eine logische Konsequenz, neben klok – die Agentur war immer weiterhin aktiv – im Jahr 2019 klok Science zu gründen und so den Bereich Wissenschaftskommunikation aufzubauen.“
„Ich mag die Denke“ – Patricia Staudacher-Sauer
„Die Wissenschaftskommunikation ist der Bereich, in dem ich jetzt schwerpunktmäßig arbeite, weil mir das einfach Spaß macht. Die Arbeit ist etwas, dass mir sehr am Herzen liegt, weil ich mich in dem wissenschaftlichen Denken zuhause fühle. Ich mag die Denke … Ich mag’s einfach mich mit Naturwissenschaften auseinanderzusetzen.“
Wie kam es zur Gründung von klok Science?
Patricia Staudacher-Sauer: „Ich habe gesehen, dass es da ganz viel zu tun gibt. Die Wissenschaftler, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sind absolute Koryphäen auf ihrem Gebiet. Da bleibt zum einen wenig Zeit für Kommunikation und Marketing, zum anderen fehlen manchmal die Skills. Trotzdem wird das Erklären von Wissenschaft und Medizin immer wichtiger, das haben wir ja auch in Zeiten von COVID gesehen. Hier hatten wir mit klok Science sehr, sehr viel damit zu tun der Öffentlichkeit die Wirksamkeit von Impfstoffen und neusten Zulassungen von unterschiedlichen Medikamenten zu erklären und zu „vermarkten“.“
„Verstehen fördert Akzeptanz“ – Patricia Staudacher-Sauer
„„Vermarkten“ ist natürlich ein etwas lapidarer Begriff, für das was wirklich gemacht wird, aber unterschiedliche Institute, Institutionen oder Hochschulen haben immer mehr den Bedarf ihre Arbeit unterschiedlichen Zielgruppen nahe zu bringen. Es gibt zum Beispiel Institute, die von Bürgerinnen und Bürgern finanziert werden, die haben einen ganz anderen Bedarf ihre Ergebnisse zu präsentieren als wiederum andere, die eine Kooperation mit der Wirtschaft anstreben. Aber es gibt auch Forschung, zum Beispiel während der COVID-Pandemie, die für die breite Öffentlichkeit von Interesse ist. Hier besteht die Herausforderung darin komplexe Themen für die Bevölkerung, beispielsweise für den Tageszeitungsleser so aufzubereiten, dass sie interessant sind und auch verstanden werden. Und dass die Themen so natürlich auch Akzeptanz in der Bevölkerung erfahren.
Das ist das Spannende an der Wissenschaftskommunikation, oder an Kommunikation im Allgemeinen: Welche Zielgruppe möchte ich ansprechen und wie bereite ich die Informationen dann auf?“
Wie ist Ihre Agentur aufgebaut?
Patricia Staudacher-Sauer: „Wir haben vier feste Mitarbeiter mit unterschiedlichen Kompetenzen. Ich bin Naturwissenschaftlerin und Redakteurin. Ich erarbeite die Konzepte und bin Ansprechpartnerin für unsere Kunden. Dann haben wir zwei Technikjournalisten und noch einen Grafiker, der sich um Print, Video, Web und Social Media kümmert.“
„Keiner kann alles können“ – Patricia Staudacher-Sauer
„Was wir im Bereich Grafik nicht leisten können, kaufen wir aus unserem Netzwerk zu. Nicht jeder Grafiker oder Fotograf kann alles. Manche können super Illustratoren sein, aber keine gescheite Website bauen – Keiner kann alles können. Alles Inhaltliche, die Aufbereitung von Themen sowie das Konzeptionelle bleibt aber die alleinige Kernkompetenz der Redaktion unserer Agentur. Hier „helfen“ uns im Zweifel nur unsere Kunden, die Wissenschaftler.“
Muss man ein naturwissenschaftliches Studium haben, um Wissenschaftskommunikation zu machen?
Patricia Staudacher-Sauer: „Ja! Ich denke aus meiner Perspektive kann man das fast nicht ohne. Weil es in Teilen tatsächlich sehr komplex ist. Wir haben während Corona viel fürs Paul-Ehrlich-Institut gearbeitet. Die hatten natürlich Millionen von Anfragen. Wir haben viel über Impfstoffe, Corona, Messenger-RNA und so geschrieben. Ich denke, wenn man kein Grundverständnis für wissenschaftliche Zusammenhänge und Basiswissen hat, weil man sie im Studium nicht gelernt hat, ist das bestimmt sehr schwierig sich da reinzudenken. Es ist absolut eine Anforderung an einer Wissenschaftskommunikationsagentur, dass da Naturwissenschaftler arbeiten.“
Wie läuft die Arbeit in der Agentur ab?
Patricia Staudacher-Sauer: „Der Kunde adressiert uns mit seinen Wünschen. Das kann allgemeine PR wie das Schreiben von Pressemitteilungen sein oder die Rundumkommunikation. Selbstverständlich müssen wir uns in die Themen, die an uns herangetragen werden hineindenken und uns die Key-Messages für die gewünschte Zielgruppe überlegen. Es gibt komplexere und weniger komplexe Themen. Wir lesen uns ein, recherchieren und stehen im engen Kontakt mit den Wissenschaftlern. Wir müssen auch immer ein Gefühl dafür entwickeln, wie eine Organisation tickt. Was sind die Besonderheiten? Wie sieht die Kultur des Instituts oder der Universität aus? Das sind wichtige Fragen für eine authentische Kommunikation.“
Wie schaffen Sie es komplexe Inhalte zu verstehen?
Patricia Staudacher-Sauer: „Das Wichtige ist immer die Zielgruppe. Also wie komplex, kann ich es am Ende wirklich lassen. Will ich die Bevölkerung, also die durchschnittlich naturwissenschaftlich interessierten ansprechen oder die Politik oder die Wirtschaft? Welches Interesse hat sie an dem Thema? Im nächsten Schritt arbeiten wir die Keywords und Keyfacts der Zielgruppe heraus, um zielgerichtet das zu transportieren, was gesagt werden soll.“
„Die größte Herausforderung ist das Kürzen und dabei nicht zu verfälschen“ – Patricia Staudacher-Sauer
„Die größte Herausforderung ist es, nicht unvollständig und daher unkorrekt zu Kommunizieren. Das ist eigentlich das Komplizierteste daran, dass man nicht zu stark reduziert und damit den Inhalt verdreht. Man muss den Spagat zwischen vollumfänglich im Sinne aller relevanten Informationen schaffen und dennoch verständlich kommunizieren.
Eine Technik, die wir viel nutzen: Wir lesen die Papers, interviewen die Wissenschaftler und sammeln Informationen. Dann diskutieren wir die Inhalte und überlegen, was für die Zielgruppe relevant ist. Dann texten wir Zielgruppen- und Kanal-spezifisch. Denn nicht alleine die Zielgruppe, sondern auch der Kanal, den wir nutzen, ist von Relevanz. Mit Kanal ist die Pressemitteilung, ein Social-Media-Beitrag oder eine Eröffnungsrede gemeint.“
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Auftraggebern ab?
Patricia Staudacher-Sauer: „Das kommt ganz darauf an was unser Job ist. Häufig realisieren wir vollumfängliche Kommunikation. Da bedeutet wir schreiben Pressemitteilungen, Artikel für Zeitungen und wir installieren und bedienen Social-Media-Kanäle. Wenn wir diese 360 Grad Kommunikation machen, ist es wichtig, dass wir regelmäßig zum Beispiel auf Social Media posten.
Deswegen haben wir einmal die Woche einen jour fixe mit dem Kunden. Das ist dann im Unternehmen jemand der für die Kommunikation zuständig ist oder Menschen aus Arbeitsgruppen, die über neuste Erkenntnisse berichten. Neben dem jour fixe gibt es auch noch einen Redaktionsplan, der organisiert welche Themen wann kommen. Wann ist ein Thema relevant, wann ist eine Messe, ein Kongress oder wann wir ein bestimmtes Paper veröffentlicht? Der Plan ist wichtig, um die Kommunikation zielgerichtet und effektiv zu steuern.“
Was gibt es für Schwierigkeiten im Arbeitsablauf?
Patricia Staudacher-Sauer: „Eigentlich keine. Ich arbeite sehr gerne mit Wissenschaftlern zusammen, weil sie zielorientiert und selten prätentiös sind. Die geben mir dann auch ein klares Feedback. Da habe ich noch nie Schwierigkeiten erlebt. Da kenne ich aus anderen Bereichen der Agentur, dass jemand an mich herantritt und sagt: Jetzt vermarkten, verkaufen Sie mich mal, ich möchte ins Managermagazin!“
„Ich kann keine Locken auf Glatzen stricken“ – Patricia Staudacher-Sauer
„Aber wenn ich kein interessantes Thema finde, funktioniert das nicht. Ich kann keine Locken auf Glatzen stricken. Das ist im normalen Agenturbereich deutlich schwieriger, als im Wissenschaftskommunikationsbereich. In der Wissenschaftskommunikation gibt es ein Thema, eine Veröffentlichung. Ich habe schon etwas mit dem ich arbeiten kann. Das macht es eigentlich einfacher, obwohl die Themen komplexer sind. Es ist ein verhältnismäßig reibungsloserer Arbeitsablauf.“
Haben Sie schonmal einen Auftrag abgelehnt und warum?
Patricia Staudacher-Sauer: „Im Bereich Wissenschaftskommunikation habe ich noch nichts abgelehnt, aber es gäbe Dinge, die ich ablehnen würde. Ich habe gewisse ethische Grundsätze und mit denen würde ich nicht brechen. Ich würde nicht für ein Institut oder einen pharmazeutischen Bereich arbeiten, der viele Tierversuche mit höheren Organismen macht. Das entspricht nicht meiner Vorstellung. Ich esse seit ich siebzehn bin kein Fleisch und würde dann nicht das Leid anderer Lebewesen monetisieren.“
Haben Sie ein Projekt, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Patricia Staudacher-Sauer: „Im Oktober haben wir die Einweihung des neuen Halbleiterlabors der Max-Planck-Gesellschaft organisiert. Das war schon ein sehr besonderes Projekt. Für das Institut arbeiten wir kontinuierlich, aber die Einweihung des neuen Gebäudes und das auch zu vermarkten und zu erklären, was die machen, hat mir sehr viel Spaß gemacht. Halbleitertechnik klingt jetzt erstmal trocken, aber wenn man erzählen kann, dass das Halbleiterlabor Detektoren gebaut hat, die in Raumsonden das Weltall vermessen, die Informationen an die Erde schicken und man dadurch ein Verständnis hat, wie schwarze Löcher funktionieren, dann macht das richtig Spaß! Mit so einem Projekt kann man den Vorhang zur Seite schieben und zeigen, was alles Großartiges dahinter steckt.“
Wie hat sich die Arbeit in PR-Agenturen verändert?
Patricia Staudacher-Sauer: „Ich arbeite ja jetzt schon fast 25 Jahre in der Kommunikation. Früher war die Agenturlandschaft sehr davon geprägt, Kunden abhängig zu machen. Da hat man sich irgendein wildes Custom Management System ausgedacht, das nur die Agentur konnte und so war der Kunde darauf angewiesen. Das wird vielleicht heute in Teilen auch noch gemacht. So arbeiten wir arbeiten wir nicht. Wir wollen Kunden unabhängig aufstellen. Beispielsweise durch Workshops, sodass sie ihre CMS Systeme beispielsweise eigenständig bedienen können. Wir geben zum Beispiel auch Workshops, wie man Pressemitteilungen schreibt. Wir möchten viele neue Projekte kennenlernen und Kunden, die wir mit unserem Wissen und unseren Tools bereichern können. Das ist unser Anspruch.“
Kann Ihre Agentur dazu beitragen der zunehmenden Wissenschaftsskepsis in der Bevölkerung entgegenzusetzen?
Patricia Staudacher-Sauer: „Ja. Denn Skepsis beruht häufig auf Unwissenheit – dem Mangel an Informationen oder der Scheu vor Themen. Hier sind wir Vermittler zwischen Sender und Empfänger, indem wir den richtigen Ton finden. Wissenschaft sollte kein Selbstzweck sein, sondern unsere Welt besser machen und denen dienen, die sie brauchen.“
Warum sind sie in der Wissenschafts-PR und nicht im Journalismus?
Patricia Staudacher-Sauer: „Ich arbeite seit 25 Jahren im Bereich PR und ich glaube der Bedarf Wissenschaft transparent zu machen und zu erklären ist deutlich größer, als dass ich ihm mit reinem Journalismus gerecht werden kann. Wir betreuen auch Formate wie die „Lange Nacht der Wissenschaften“ und „Tag der offenen Tür“ und das Interesse daran wächst – auch bei jüngeren Menschen. Im Bereich PR habe ich viel mehr Tools an der Hand, um Wissenschaft zu vermitteln und erlebbar zu machen.“
„Ich habe auch mehr kreativen Spielraum als im Journalismus“ – Patricia Staudacher-Sauer
„Ich habe auch mehr kreativen Spielraum als im Journalismus. Ich kann als Wissenschaftsjournalist Artikel schreiben. Im PR-Bereich kann ich zum Beispiel aber auch Erklärvideos, Illustrationen, Grafiken und Social-Media Beiträge produzieren. Die Kanäle, die ich bespielen kann sind nochmal deutlich breiter und in Teilen plakativer. Deswegen mache ich gerne PR. Die ist jedoch allgemein manchmal negativ konnotiert. In der Wissenschaft ist das anders, denn Kosmentik funktioniert hier nicht. Hier zählen Fakten!“
Was verdienen PR-Schaffende?
Das Gehalt von PR-RedakteurInnen ist von Faktoren wie Berufserfahrung, Größe der Agentur und Stadt oder Bundesland abhängig. Das durchschnittliche Bruttojahresgehalt beträgt laut der Website Stepstone rund 45.200 Euro. Der Großteil der Menschen, die im PR-Bereich arbeiten beziehen ein Jahresgehalt zwischen 37.000 und 53.400 Euro pro Jahr.
Dieses Interview führte Redakteurin Hanna Uhl am 19.12.2024.
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