Ein klarer Weg – Karriere im Tourismus
Natalie Olbrich, 32, berichtet über Ihre Erfahrungen während der Promotion im Tourismus. Neben den Problemen einer jeden Promotion, alles unter einen Hut zu bekommen, zeigt Sie die Chancen auf, welche sich Ihr als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität geboten haben.
Natalie Olbrich: „Die Promotion habe ich schon während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl Tourismus begonnen. Ich habe dann aber noch lange nach einem passenden Thema gesucht. Ungefähr 2019 habe ich mein Thema gefunden. Eigentlich wollte ich erst etwas ganz anderes machen, weil ich mehrere Themen hatte, für die ich mich interessiert habe. Im Endeffekt bin ich aber über ein Drittmittelprojekt vom DAAD auf das Thema der Kulinarik aufmerksam geworden. Darüber hatten wir eine Kooperation mit Australien, wobei wir unsere Partner vor Ort besucht haben und uns den chinesischen Gast und dessen kulinarisches Verhalten in Deutschland bzw. in Australien angeschaut haben. Dadurch bin ich auf dieses Thema aufmerksam geworden. Da man nicht nur über Kulinarik schreiben kann, haben sich im Laufe der Zeit weitere Themenfelder der Dissertation rund um die Kulinarik entwickelt.“
Die Leidenschaft für den Tourismus liegt bereits in Olbrichs Kindheit. Als Geschäftsmann war ihr Vater viel unterwegs, sodass Olbrich häufig in Hotels, Flugzeugen und Mietautos unterwegs war. „Ich habe irgendwie Interesse daran gefunden und wollte wissen, wie das eigentlich alles funktioniert. Angefangen hat es mit Praktika bei einer Hotelkette, weil ich verstehen wollte, wie diese Marke funktioniert. Also wieso ist dieses Hotel weltweit, egal in welchem Land, immer gleich? Was zeichnet diese Marke aus? Ich war zu diesem Zeitpunkt relativ stark auf die Hotellerie fokussiert und habe dann viele Praktika gemacht, um mich zu orientieren. Mir ist dann immer wieder empfohlen worden, dass ich mich allgemein halten soll. Deshalb habe ich dann Tourismus studiert und nicht Hotellerie oder Event oder Sport, sondern habe mich eben sehr allgemein aufgestellt. Und ich merke nun im Nachhinein, dass es sehr gut war, sich allgemein aufzustellen und nicht gleich sehr spezifisch zu studieren, weil es für die Wissenschaft, die Universitätslandschaft besser geeignet ist.“
Ein kulinarisches Erlebnis
Kulinarik… Beim Gedanken an dieses Wort schweben einem Mehrgängemenüs, ansprechend gestaltete Teller, Cocktails, oder Food Festivals vor. Doch was bedeutet Kulinarik eigentlich, Frau Olbrich? „Das Ganze wird immer als Erlebnis beschrieben. Im Tourismus unterscheiden wir dabei zwischen Erlebnis und Erfahrung.“
Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit herausfinden?
Natalie Olbrich: „Ich möchte wissen in welchem Zusammenhang Erlebnis und Erfahrung in diesem Zusammenhang stehen. Da Essen und Trinken ein viel zu großer Bereich ist, habe ich mich für die Untersuchung eines Weinerlebnisses entschieden. Und ganz explizit untersuche ich wie dieses Erlebnis besser werden kann. Und da bin ich dabei, mir die Rolle des Gastes anzuschauen. Also wie beeinflusst das aktive zutun des Gastes das Erlebnis und was ist überhaupt aktiv. Bedeutet es, die Weinflasche zu öffnen und auf einmal ist es für mich ein super Erlebnis oder bedeutet es für mich einfach nur mit den Personen vor Ort in den Austausch zu kommen? Ich möchte also wissen an welchen Stellschrauben und Berührungspunkten müsste man korrigieren, um ein ganz tolles Erlebnis zu erreichen welches dann zu einer Erfahrung wird. Ich schaue mir natürlich nur ein Weingut an mit ein paar Gästen und kann das nicht auf alles übertragen. Regionale Aspekte spielen einen ganz großen Einfluss oder die Herkunft der Gäste. Wie oft haben Sie so ein Erlebnis schon mal gehabt? Ich möchte ich bei der Erhebung nicht einfach nur den Gast befragen, sondern eine besondere Methodik anwenden. Es ist eine sogenannte Bildmethode. Der Gast bringt Bilder mit ins Gespräch und kann mir anhand dessen eine Verbindung zum Erlebnis schildern. Damit fange ich an dem Gast näher zu kommen. Mit dieser Methode versucht man relativ schnell in die unterbewusste Ebene einzutreten. Oftmals ist es einem gar nicht bewusst, was eigentlich an einem Erlebnis so besonders war und durch die Bilder hat der/die Befragte eine gewisse Hilfestellung und kann sich daran orientieren.“
Herausforderungen und Chancen in der Promotion
Welche Aufgaben haben Sie am Lehrstuhl?
Natalie Olbrich: „Hauptaufgabe und eine der wichtigsten Aufgaben ist die Lehre. Ich habe Master- sowie Bachelor-Lehrveranstaltungen, Deutsch sowie Englisch unterrichtet. Wichtig ist natürlich auch die Begleitung der Studierenden bei den Prüfungen oder Abschlussarbeiten. Also dieser sehr starke und enge Kontakt mit den Student:innen nimmt viel Zeit in Anspruch, wo man auch so etwas macht wie die Lehrplanung, was eben so alles dazugehört. Und auf der anderen Seite natürlich dann die Wissenschaft an sich, also sei es eben regionale Projektarbeit. Wir hatten hier mit dem Naturpark Altmühltal ziemlich viele Projekte, aber auch internationale Projekte, wie das DAAD Projekt. Das sind solche Dinge, die zur eigentlichen Forschung hinzukommen, wo man Daten erhebt und auswertet und das Ganze dann in Publikationen veröffentlicht. Außerdem organisiert man dafür vielleicht eine Veranstaltung, eine Tagung, ein Event, einen Workshop, sodass man sich ein gewisses Netzwerk aufbaut und in verschiedenen Gruppierungen Mitglied wird. So lernt man andere Wissenschaftler:innen kennen, sei es im Mittelbau oder eben auch die Professor:innen. Tourismus ist ein Fach, das sehr praxisorientiert ist. Da es keine Disziplin ist, sondern sehr interdisziplinär ist, wird es an vielen Hochschulen angeboten, in Bayern gibt es allein drei: in Deggendorf, München und Kempten und deshalb gibt es auch ein sehr großes Netzwerk an Professor:innen, die man mittlerweile kennt. Und so hat sich das eben über die Jahre aufgebaut.“
Neben der Durchführung der Lehre hat Frau Olbrich außerdem 2019 bis 2021 die Betreuung des Masterstudiengangs „Tourismus und nachhaltige Regionalentwicklung – Management und Geographie“ übernommen. Zu ihren Aufgaben zählen die ständige Überwachung und Überarbeitung der Module, die Betreuung der Auslandssemester sowie die Begleitung der Bewerbungsphase. In der Zeit der Pandemie sei viel Zeit in die Betreuung und Beratung der Studierenden gegangen, um in dieser schwierigen Zeit den Studierenden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
2022 hat Olbrich mit der Entwicklung eines neuen innovativen Masterstudiengangs „Transformation und nachhaltige Lebenraumentwicklung – Tourismus neu gestalten“ begonnen. Dieser Master ist ein digitales Studienprogramm, welches mit Präsenzphasen, alle vier bis sechs Wochen, ausgestattet ist. Im Mittelpunkt des Studiums steht der forschungsorientierte Transfer mit einer engen Verknüpfung an die Praxis. Als Teil einer Kooperation zwischen der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und den Hochschulen Deggendorf, Kempten und München weist sich der Studiengang mit vielen interdisziplinären Fähigkeiten und Kompetenzen aus, nicht nur in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, sondern auch der Geographie. Im Oktober 2023 konnte sich erstmals in diesem Studiengang an der School of Transformation and Sustainability immatrikuliert werden.
Die Promotion mit Vollzeitanstellung – Work-Life-Balance?
Natalie Olbrich berichtet über die Schwierigkeiten, die mit einer Anstellung am Lehrstuhl und der gleichzeitigen Promotion einhergehen. Zunächst hatte sie eine 50 Prozent Teilzeitstelle, doch seit April hat sie eine Vollzeitstelle inne. Wie die Vereinbarung von Arbeit, Promotion und Freizeit damit aussieht, erklärt Olbrich.
Wie kann man eine Vollzeitstelle mit der Promotion vereinbaren?
Natalie Olbrich: „Schwierig. Also jetzt ist es natürlich noch schwieriger, wenn man eine Vollzeitstelle hat. Schwierig ist es in dem Sinne, weil es einfach so viele Themen gibt, sei es nur von den Forschungsthemen her. Mein Thema mit der Kulinarik ist kein Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls, das heißt, es ist mein persönliches Forschungsthema. Ich habe zwar den Bereich der Erlebnisforschung mit dabei, was ein sehr allgemeines Thema im Tourismus ist, was in jeder Lehrveranstaltung Anklang findet, wo es viel Literatur gibt, aber dieser Bereich Kulinarik ist trotzdem sehr einzigartig. Daran arbeitet man nicht tagtäglich. Es gibt somit immer wieder andere Projekte, Publikationen oder Tagungen, die brisanter sind als die eigene Arbeit, die dann hinten angestellt ist. Ehe man sich versieht, ist es Freitagabend 20:00 Uhr. Und am Wochenende möchte man sich vielleicht dann doch mal rausnehmen, nichts zu machen. Und so hat sich das irgendwie entwickelt, dass man nicht mit der Dissertation aufsteht, sondern mit der Dissertation endet und das ist schade. Aber am Ende finde ich es auch okay, weil das der Grund ist, weshalb ich da bin, wo ich jetzt bin. Es ist so zweiseitig.“
Wie eigenständig können Sie arbeiten?
Natalie Olbrich: „Sehr eigenständig. Da es mein persönliches Projekt ist, was ich umsetze. Deshalb ist es am Ende so, dass ich selber dafür verantwortlich bin. Das heißt aber nicht, dass ich alleine bin. Also ich habe immer Unterstützung, sei es durch die Kolleg:innen oder durch die Community. Wenn ich mir unsicher bin halte ich Rücksprache und lasse mich quasi absichern. Aber das Gleiche gilt natürlich auch für meinen Doktorvater und den Zweitbetreuenden, mit denen ich auch öfters im Austausch bin und mich da entsprechend mit Ihnen berate. Wichtig zu wissen ist auch, dass ich eine Monographie schreibe und dementsprechend keine Paper publizieren muss oder ähnliches, was noch einmal mehr Freiheiten bedeutet.“
Nicht nur der wissenschaftliche Austausch ist wichtig
Wie sieht der Austausch unter den anderen Doktorand:innen aus?
Natalie Olbrich: „Wir haben ein Doktorandenkolloquium, welches mein Doktorvater Professor Pechlaner zusammen mit einem Kollegen von der Universität Innsbruck zusammen schon ganz viele Jahre organisiert. Über die Jahre sind auch immer wieder andere Gäste und Gastprofessor:innen hinzugekommen. Da trifft man sich ungefähr einmal im Jahr oder einmal im Semester und präsentiert seinen aktuellen Stand, kann Fragen stellen oder Feedback einholen. Jedoch kann dort kein tiefgreifender Diskurs entstehen, da die Themen alle sehr breit gefächert sind und man zu einer Arbeit von jemand anderem nicht viel sagen kann. Aber unterm Strich ist es so eine Art Freundeskreis geworden. Also die Leute, die da sind, tragen die gleichen Sorgen und sind auch schon viele Jahre vielleicht dabei. Ich bin jetzt ja auch nicht mehr die Jüngste und da bieten diese Treffen eine gute Möglichkeit, sich auch unabhängig von der Arbeit seine Sorgen und Nöte miteinander zu teilen.“
„Ich möchte nicht direkt den Frauenstempel bekommen!“ – Natalie Olbrich
Es ist allgemein bekannt, dass Nachwuchswissenschaftler:innen vor immer neuen Herausforderungen stehen. Egal ob Zeit- oder Veröffentlichungsdruck, viele Termine und der Wunsch an möglichst vielen verschiedenen Veranstaltungen teilzunehmen und Kontakte zu knüpfen, um im Nachhinein auch Perspektiven zu haben. Das alles meist Verbunden mit finanziellen Sorgen und der Zeit im Nacken.
Doch Natalie Olbrich berichtet noch von einem ganz anderem Problem in der Wissenschaft. Dem des Geschlechts, denn sie berichtet davon häufig den Frauenstempel zu bekommen: „Viele Professuren im Tourismus sind männnlich, dass obwohl die Studiengänge überwiegend weiblich sind. Dann heißt es schnell ‘Du als Frau wirst nie Schwierigkeiten haben, irgendwo anzukommen.’ Das hört man ganz oft, ohne dass sie eigentlich wissen, was man leistet oder vielleicht auch nicht leistet. Kann ja auch sein, dass man nicht gut ist. Aber immer diese Selbstverständlichkeit, dass man erfolgreich sein wird. Aber zum Beispiel in den Tourismusbüros, in den Hotels, oder bei den Reiseveranstaltern gibt es sehr, sehr viele Frauen. Aber sobald man dann in die Leitungsbereiche schaut, wie bei TUI und so weiter, sind dann eher die Männer vertreten. Es ist leider ein Fakt, dass die Frau bis zu einer Ebene kommt und sich entwickeln kann, dann gibt es oft mal eine Pause durch Kinder. Es geht halt nicht anders und da fehlen halt dann einfach fünf Jahre oder auch Zehn, die man nicht mehr nachholen kann.“
Die Dissertation als Endlos-Thema
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Natalie Olbrich: „Meine Pläne haben sich nicht stark verändert, würde ich sagen. Aber aktuell gehen sie in eine andere Richtung, ohne dass das schlecht ist. Ich habe immer gedacht, dass ich an eine Hochschule gehe und wahrscheinlich versuche eine Professur zu bekommen, weil mir diese Arbeit mit den Student:innen sehr, sehr viel Spaß macht. In den Lehrveranstaltungen habe ich gemerkt, dass mir das unterrichten, gemeinsam diskutieren, etwas erarbeiten oder kleine Projekte umsetzen am meisten Spaß macht, oder zumindest mehr als das Publizieren. Und dadurch, dass ich jetzt den Master fast zwei Jahre am Lehrstuhl betreut habe, habe ich mir ein gewisses Wissen aufgebaut. Und so bin ich eben auch zur neuen Fakultät gekommen, als Referentin. Wir entwickeln Studiengänge und bauen eine Fakultät komplett neu auf. Sei es mit den Studiengängen, sei es mit den Professoren, sei es mit dem Marketing. Alle Themen, die so dazukommen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich gerade eine Pause mit der Dissertation einlege, sondern dass ich gerade einen Bereich kennenlerne, der mir wirklich Freude bereitet. Und deshalb habe ich jetzt mein Ziel nicht aus den Augen verloren, es aber vielleicht ein, zwei Jahre nach hinten geschoben. Inwiefern ich mich dann in diese Richtung entwickeln möchte, ist noch nicht klar.“
Sind Sie sorgenfrei, was die Zukunft angeht?
Natalie Olbrich: „Ich glaube, sorgenfrei ist niemand. Eine Sorge, die glaube ich jeder hat, dass er die Arbeit, wenn er sie begonnen hat auch abschließen möchte. Man braucht allerdings seine Zeit, die man dafür braucht. Und ich finde, dafür darf man nicht verurteilt werden. Es gibt viele Gründe warum eine Doktorarbeit längern dauert, Krankheit, Auszeiten, Familie und Kinder, oder wie in meinem Fall eben das sammeln von Berufserfahrung als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Und diese Erfahrung, die man sammelt darf man auch nicht unterschätzen. Das Wissen und die Kompetenzen die man sich aufbaut nehmen auch viel Power in Anspruch. Meine größte Sorge ist, glaube ich, dass man die Arbeit einfach nicht zu Ende bekommt, dass das so ein Endlos-Thema wird, wo man halt mal ein Wochenende was macht und dann die nächsten zwei Monate nicht mehr. Und man auch zu keinem Abschluss kommt, mit dem man auch zufrieden ist, weil ich ich glaube, man kann die Arbeit oft genug angucken und dann wird man sie noch fünf Jahre nicht abgeben. Da muss man dann den Punkt finden an dem man sagt, jetzt ist gut, weil man nie alles beantworten kann.“
Wenn sich der Kreis schließt
Hatten Sie einen Lieblingsmoment in der Promotion?
Natalie Olbrich: „Ich denke mein Lieblingsmoment war, als ich festgestellt habe, dass ich mein Thema gefunden habe, bei dem ich gemerkt habe, das hat mich auch als Kind schon begleitet. Wenn man als Kind irgendwo bei einer Weinverkostung mit war und total gelangweilt daneben steht und sich die ganze Zeit denkt wie langweilig das ja ist. Das ist natürlich der kindliche Blick, aber im Nachgang ist mir der Gedanke gekommen wie man es besser und spannender machen könnte. Durch welchen Zufall auch immer, habe ich dann ein Paper gefunden, was relativ zentral für mich war mit dem Thema der Co-Kreation, also dem aktiven Zutun des Gastes. Da habe ich gemerkt jetzt greift ein Rad in das andere, und es bildet sich ein Konstrukt. In solchen Momenten habe ich gemerkt ich bin auf einem gutem Weg. Und natürlich die Anmeldung war auch so ein Moment den man lang vor sich hergeschoben hat, weil man immer wieder überlegt hat, ob das so richtig ist. Dann geht man in die Uni und dann fährt ein Dokument aus dem Drucker auf dem steht, dass man angenommen ist. Erst da realisiert man so richtig, dass es jetzt kein zurück mehr gibt.“
Dieses Interview führte Redakteurin Laura Marie Hattenhauer am 08.05.2024.
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