
Doktor der Germanistik – Deswegen lohnt sich die Promotion in der Germanistik
Lesen galt lange als eintöniges Hobby. Doch in Zeiten von #Booktok auf TikTok, Cozy Hobbies und literaturbegeisterten InfluencerInnen ist Lesen und somit auch die Germanistik wieder im Trend. Laut dem Statistischen Bundesamt waren im Jahr 2023 rund 63.000 Studierende im Fachbereich Germanistik/Deutsch in Deutschland eingeschrieben. Somit belegt das Fach im Wintersemester 2023/24 den zehnt beliebtesten Platz der Studienfächer in Deutschland hinter der Wirtschaftsinformatik. Die drei beliebtesten Plätze belegen die Betriebswirtschaftslehre, die Informatik und die Rechtswissenschaft.
Über die Beliebtheit der Betriebswirtschaftslehre erfahren Sie hier mehr. Ein Interview mit Prof. Dr. Thorsten Schaub, Professor für Wissensverarbeitung und Informationssysteme am Institut der Informatik und Computational Science an der Universität Potsdam, die Promotion in der Informatik können Sie hier lesen. Über die Beliebtheit der Promotion in den Rechtswissenschaften klärt Prof. Dr. Armin Hatje, Professor für öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Hamburg, hier auf.
Prof. Dr. Marcel Krings ist Professor für neuere Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg. Zusätzlich berät er Studierende des Bachelor- und Masterstudiengangs sowie für eine Promotion in der Germanistik. Im Interview mit Hochschul-Job.de erklärt er, warum sich eine Promotion in der Germanistik lohnt, welche Punkte man bei der Entscheidung abwägen sollte und welche Hürden auf Promovenden zukommen.

Wie viele Studierende promovieren in der Germanistik?
In Heidelberg studieren 1.069 StudentInnen, Stand Sommersemester 2024, das Fach Germanistik. Setzt man das in Relation zu der Zahl der Promovenden, erzählt Prof. Dr. Marcel Krings: „Bei uns promovieren fünf Prozent der Studierenden hier in Heidelberg“. Deutschlandweit haben laut dem statistischen Bundesamt im Jahr 2023 insgesamt 2.516 Studierende eine Promotion in der Germanistik begonnen. Das entspricht in Relation zu der Gesamtanzahl an Germanistik-Studierender in Deutschland einem Anteil von fast vier Prozent.

Warum sollte man sich für eine Promotion in der Germanistik entscheiden?
Prof. Dr. Marcel Krings: „Im Großen und Ganzen ist eine Promotion ein Zeichen für ein vertieftes Interesse am Fach und für eine gewisse fachliche Begabung. Wenn Studierende der Germanistik in Richtung einer wissenschaftlichen Karriere gehen möchten, ist die Promotion eine Voraussetzung. Von den Studierenden hier in Heidelberg promovieren fünf Prozent der Studierenden. Der Rest hat offensichtlich andere Berufsvorstellungen. Hier muss man differenzieren: Ich glaube nicht, dass es bei jeder Berufslaufbahn von Vorteil ist eine Promotion mitzubringen.“
„Ich glaube nicht, dass es bei jeder Berufslaufbahn von Vorteil ist eine Promotion mitzubringen.“ – Prof. Dr. Marcel Krings
„In der Germanistik ist es nicht unbedingt so, dass man durch eine Promotion 10-15 Prozent mehr Gehalt bekommt. Dennoch zeigt man dem potenziellen Arbeitgeber, dass man in der Lage gewesen ist, sich dauerhaft, hartnäckig und erfolgreich mit einem abstrakten Thema zu beschäftigen. „
„Wir bilden in Heidelberg auch Gymnasiallehrer für das Fach Deutsch aus, dann spielt eine Promotion für das Gehalt keine Rolle. Aber man sollte nicht unterschätzen, dass man sich über zwei, drei Jahre hinweg mit einem bestimmten Thema vorzugsweise aus der Literatur beschäftigt hat. Das bringt einem doch einen ganz guten fachlichen Grundstock für den Deutschunterricht. Wir bemühen uns immer nicht nur pädagogisch geschulte, sondern auch fachlich fundierte Lehrer auszubilden. Eine Promotion ist etwas, mit dem man sich etwas herausheben kann und die für die spätere berufliche Praxis sicherlich einiges bringen kann. Man sollte in Hinblick auf die spätere Berufswahl immer abwägen, ob eine Promotion in den Berufswunsch passt.“

Was raten Sie Studierenden, die eine Promotion in Erwägung ziehen?
Prof. Dr. Marcel Krings: „Im Wesentlichen gebe ich immer zu bedenken, dass die Promotion zwei, drei Jahre Lebenszeit ausmacht. Die AbsolventInnen und StudienanfängerInnen werden heutzutage immer jünger und die größte und allerwichtigste Voraussetzung scheint mir, dass jemand wirklich bereit ist, zwei, drei Jahre seines Lebens in mehr oder weniger individuelle, einsame Arbeit zu stecken. Wir arbeiten in der Germanistik nicht immer in Forscherteams, wie zum Beispiel in den Lebenswissenschaften. Ich frage die Interessenten immer, ob sie wirklich bereit sind sich aus eigenem tiefem Interesse heraus mit einem Thema zu beschäftigen, mit dem sich wahrscheinlich nur wenige Menschen auskennen. Das fachliche Interesse ist die Grundvoraussetzung. Dann muss ein Interessent an einer Promotion aber auch die intellektuellen Fähigkeiten besitzen. Diese kann man aber etwas absehen, das ist klar.“
Augen auf bei Themen- und Autorenwahl in der Germanistik
Haben Sie Tipps für eine Promotion in der Germanistik?
Prof. Dr. Marcel Krings: „Man sollte Themen besetzen, die auch abseits des eigenen Lehrstuhls gefragt sind. In der Literaturwissenschaft sollte man in Bezug auf die Autorennamen nicht zu früh in die dritte, vierte Reihe gehen. Wenn jemand eine fundierte Arbeit über Goethe geschrieben hat und ein anderer über einen Autor der dritten, vierten Reihe, dann wird man wahrscheinlich erstmal den, der über Goethe geschrieben hat, in Erwägung ziehen. Daran muss man sich immer noch messen. Das sind strategische Überlegungen für die Positionierung innerhalb des wissenschaftlichen Felds.
„Dann sollte man sich überlegen, wie man seine Arbeit möglichst interessant gestalten kann. Es bietet sich manchmal an noch eine komparatistische Perspektive, je nach der Wahl des zweiten Fachs, hinzuzunehmen.“

Promotion in der Germanistik – Finanzierungsmöglichkeit beachten
„Dann mache ich das manchmal auch von der Frage abhängig: Kann sich jemand finanzieren? Also gibt es die Möglichkeit eines Stipendiums? Man kann immer versuchen eins zu beantragen, aber das ist relativ schwierig, weil es immer eine Vielzahl an Interessenten gibt. Oft ist es auch so, dass sich die Dauer einer Promotion ohne Förderung um ein, zwei Jahre verschiebt. Das heißt, man muss mit ein, zwei Jahren mehr rechnen.“
„Man muss, wie man so schön sagt, schon ein bisschen Staub fressen auf dem Weg“ – Prof. Dr. Marcel Krings
Prof. Dr. Marcel Krings: „Ansonsten gebe ich zu bedenken, wie der weitere Weg sein soll. Wenn man die Wissenschaft anstrebt, kann man im Grunde nicht wirklich etwas vorausplanen. Das ist sicherlich ein großer Nachteil. Wir leben in Zeiten immer sinkender Dauerstellen, Assistentenstellen und Graduiertenkollegs gibt es kaum mehr. Das heißt, es gehört schon ein großes Maß an Idealismus dazu, sich an so ein Projekt heranzuwagen. Man muss, wie man so schön sagt, schon ein bisschen Staub fressen auf diesem Weg. Und wenn man spürt, der oder die weiß noch nicht so genau, dann versuche ich etwas ins Gewissen zu reden: Versuchen Sie herauszufinden, was bringt Ihnen die Promotion?“

Wie sieht eine Promotion im Germanistischen Seminar in Heidelberg aus?
Prof. Dr. Marcel Krings: „Während des Promotionsprozesses in der Germanistik hier in Heidelberg ist niemand verpflichtet zu lehren. Das entscheidet sich meist nach individuellem Interesse und Eignung. Wenn jemand stark fortgeschritten ist und in Hinblick auf spätere Bewerbung auch Evaluationen vorlegen möchte, dann ist das alles sehr sinnvoll. Es besteht aber kein Zwang oder Druck. Ansonsten gibt es regelmäßige Kolloquien, in welchem fertige Kapitel und Arbeiten gelesen und anschließend darüber gesprochen wird. Es ist wichtig, dass man einfach im Gespräch verbleibt. Wir hatten in Heidelberg mal ein Graduiertenkolleg, das aber aus Mittelgründen beendet worden ist. Man kann aber auch versuchen in die fakultätsübergreifende Doktorandenschule zu kommen. Aber die automatischen Sachen, wie zum Beispiel Assistentenstellen, in Relation gesetzt zu der Gesamtzahl an Germanistikstudierenden, sind wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Wie sind die Jobaussichten in der Germanistik?
Prof. Dr. Marcel Krings: „Bezüglich der universitären Möglichkeiten muss man wahrscheinlich sagen, dass diese insgesamt eher schlecht sind. Die Assistentenstellen sind sehr sehr rar gesät. Ansonsten gibt es noch die Möglichkeiten sich die Stelle selbst zu schaffen, das ist aber kompliziert und anteilsmäßig auch sehr gering. Es gibt auch die Möglichkeit jemand über Drittmittelprojekte zu beschäftigen, der dann etwa im Kontext dieses Projekts seine Qualifikationsarbeit schreibt. Aber meistens enden solche Stellen nach zwei Jahren, und es ist möglich, dass neben der Arbeit am Projekt kaum Zeit für die eigene Dissertation bleibt.“
„Trotz aller Schwierigkeiten schadet eine Promotion nicht“ – Prof. Dr. Marcel Krings
Auch wenn eine Promotion einer realistischen Abwägung bedarf, betont Prof. Dr. Marcel Krings: „Mir ist es ein Anliegen, dass der nötige Idealismus und das fachliche Interesse für eine Promotion weiterhin vorhanden sind und sich Studierende für eine Promotion in der Germanistik entscheiden. Trotz aller Schwierigkeiten schadet eine Promotion nicht. Zudem hat man durch eine Promotion die Möglichkeit einen beachtlichen intellektuellen Fortschritt zurückzulegen.“
Was verdienen GermanistInnen?
Das Gehalt von GermanistInnen ist abhängig davon, ob sie angestellt, verbeamtet oder freiberuflich tätig sind. Das durchschnittliche Bruttojahresgehalt beträgt laut der Website Stepstone rund 41.800 EUR. Der Großteil der GermanistInnen bewegt sich in einer Gehaltsspanne von 2.933 EUR und 4.275 EUR pro Monat.
Dieses Interview führte Redakteurin Hanna Uhl am 09.09.2024.