Doktor der Erziehungswissenschaft – Deshalb lohnt sich die Promotion in der Pädagogik
‚Den ganzen Tag mit Kindern spielen, das kann doch jede:r.’ Von wegen: Pädagog:innen haben häufig eine jahrelange (akademische) Ausbildung hinter sich. Die Promotion ist nicht unbeliebt. Warum sich eine intensive forscherische Auseinandersetzung mit der Erziehungswissenschaft lohnt, wieso diese berufsbegleitend sinnvoll sein kann und was man für eine Doktorarbeit in der Pädagogik mitbringen sollte, fasst dieser Artikel zusammen.
Unterschied zwischen Pädagogik und Erziehungswissenschaft
Historisch gesehen fand man früher an Universitäten die ‚Pädagogik‘ als gängigen Begriff, bis nach und nach fast alle Institute und Fakultäten zur ‚Erziehungswissenschaft‘ umbenannt wurden. Nichtsdestotrotz herrscht in der Erziehungswissenschaft der wissenschaftliche Anspruch etwas mehr vor als in der Pädagogik. Pädagogik ist handlungsorientiert, Erziehungswissenschaft forschungsorientiert. In der Praxis vermischen sich beide Bereiche aber häufig.
Beliebt ist der Fachbereich unbestritten: Mit 61.591 Studierenden im Wintersemester 2021/2022 schafft es die Erziehungswissenschaft gemäß dem Statistischen Bundesamt auf Platz 13 der Top 20 am stärksten besetzten Studienfächer an deutschen Hochschulen. Populär ist die Pädagogik vor allem unter den Frauen. Im Wintersemester 2021/2022 waren laut dem Statistischen Bundesamt 48.236 weibliche Studentinnen eingeschrieben, womit die Erziehungswissenschaft auf Platz 7 der am stärksten von weiblichen Studierenden besetzten Studienfächer in Deutschland zu finden ist.
Sowohl in der Erziehungswissenschaft als auch in der Pädagogik tätig, ist auch Prof. Dr. Saskia Bender von der Universität Bielefeld. Sie ist Professorin für Erziehungswissenschaft, hauptsächlich in der Schulpädagogik beschäftigt und für den Studiengang ‚Integrierte Sonderpädagogik’ zuständig. Sie lehrt in den Themenbereichen ‚Soziale Teilhabe’, ‚Schulische Inklusion’ und ‚Beratung’ und forscht vor allem mit qualitativen und rekonstruktiven Methoden. Ihre Schwerpunkte sind ‚Schulforschung’, ‚Unterrichtsforschung’, ‚Kasuistik’ und ‚Kulturelle Bildung’.
Professorin der Erziehungswissenschaft Saskia Bender: „Warum sollte man sich nicht für eine Promotion entscheiden?“
Im wissenschaftlichen Part der Erziehungswissenschaft und einer Promotion sieht sie eine Bereicherung: „Warum sollte man sich nicht für eine Promotion entscheiden? Es schwingt ja immer so ein bisschen mit, dass es schwierig wäre, dass man das in der Praxis nicht braucht. Davon müssen wir wegkommen. Wieso muss man das wie einen Kampfschauplatz betrachten und fragen ‚Was ist die Dignität der Praxis?’ und ‚Was ist die Dignität der Wissenschaft?’ Es ist einfach ein bestimmtes vertieftes Wissen. In die Praxis gehen kann man trotzdem noch. Ich würde behaupten, dass einem tatsächlich, egal wo man sich bewegt, so eine wirklich intensive Beschäftigung mit einem Gegenstand prinzipiell etwas bringt“, erörtert sie. Beliebt ist das Schreiben einer Dissertation in der Erziehungswissenschaft durchaus: „Bei denen, die grundständig Erziehungswissenschaft studieren, ist das Interesse an der Promotion häufig prinzipiell erstmal da. Man stellt sich zwangsläufig im Studium irgendwann die Frage‚ möchte ich noch weiter daran arbeiten? Möchte ich mich noch intensiver damit auseinandersetzen?’“, begründet Prof. Dr. Saskia Bender das Interesse.
Dass Praxis und Theorie in der Erziehungswissenschaft kombiniert werden, ist gar nicht unüblich. Viele Pädagog:innen hätten bereits einige Jahre gearbeitet, bevor sie noch eine Doktorarbeit verfassten. „Das gibt es gar nicht so selten, dass Kolleg:innen irgendwann sagen ‚ich bin jetzt seit so und so vielen Jahren in der Schule oder als Supervisor:in oder als Leitung einer Kindertageseinrichtung tätig. Ein paar Fragen habe ich aber noch nicht für mich geklärt, oder die haben sich im Laufe meiner Berufslaufbahn aufgetan. Dem möchte ich mich jetzt nochmal vertiefend widmen’, sodass wir gerade auch in der Erziehungswissenschaft häufig berufsbegleitende Promotionen haben“, erläutert Prof. Dr. Saskia Bender. Das sei vor allem der Fall, wenn Pädagog:innen den Wunsch hätten, sich auch noch einmal empirisch mit dem eigenen Bereich auseinanderzusetzen. Vorteil von einer berufsbegleitenden Promotion sei, dass man stärker im Thema involviert und eine größere Nähe zum Feld vorhanden sei. Lehrkräfte, die sich für eine Laufbahn in der Schule entschieden hätten, beispielsweise, könnten später immer noch promovieren und dabei den Beamtenstatus behalten.
Interesse an der Sache und Freude, sich vertieft mit Dingen zu befassen
Für eine Promotion sollte man sich in jedem Fall bewusst entscheiden. „Es dauert ja schon ein bisschen länger. Das ist eine Entscheidung, die man sich biografisch schon überlegen sollte“, wirft Prof. Dr. Saskia Bender ein. Im Jahr 2020 wählten in Deutschland insgesamt 3.943 Doktorand:innen diesen Weg. 2.723 davon waren weiblich, 1.220 männlich. Auch an der Universität Bielefeld promovieren durchschnittlich mehr Frauen als Männer in der Erziehungswissenschaft. Je höher der Status allerdings werde, desto weniger Frauen würden es aber. „Das ist ein interessanter gesellschaftlicher Effekt, aber wir arbeiten daran. Bei uns in der Fakultät sind wir gerade mehr Frauen als Männer“, begrüßt Prof. Dr. Saskia Bender.
Für eine Doktorarbeit in der Erziehungswissenschaft braucht es als grundsätzliche Voraussetzung den Masterabschluss, darüber hinaus vor allem das Interesse an der Sache und die Freude daran, sich vertieft mit Dingen zu befassen. „Was die wissenschaftliche Auseinandersetzung auszeichnet, ist, dass man in der Lage ist, zuzulassen, Dinge auch mal in Frage zu stellen“, ordnet Prof. Dr. Saskia Bender ein. „Das ist der besondere Modus des wissenschaftlichen Arbeitens, dass man sagt ‚Ich gehe nicht davon aus, dass wir schon alles wissen, sondern, dass das Fragmente sind. Ich möchte eine andere Perspektive auf die Dinge werfen. Ich bin bereit, mich irritieren zu lassen. Ich bin bereit, mich in diesem Feld der Auseinandersetzung mit Wissen, der Infragestellung von Wissen und der Wissensgenerierung zu tummeln.“ Und man müsse es wollen, das sei das Wichtigste.
Promotion in der Erziehungswissenschaft – Möglichkeiten der Finanzierung
Für die Finanzierung einer Promotion in der Erziehungswissenschaft gibt es viele Möglichkeiten. Die erste ist die Haushaltstelle. „Wir haben als Professor:innen in der Regel alle mindestens eine volle oder eine halbe Stelle, die zur Professur gehört. Bislang war es tendenziell so, dass man Mitarbeiter:innen eingestellt hat, die man bereits als Studierende begleitet hat. Man kann sie [die Stelle, Anm. d. Red.] aber auch ganz offen deutschlandweit ausschreiben“, erklärt Prof. Dr. Saskia Bender. Bisweilen bestünde auch die Möglichkeit, auf derselben Stelle für die Postdoc-Phase eingestellt zu werden und sich im Anschluss gegebenenfalls für die Professur zu qualifizieren. Diese Aussicht sei allerdings aktuell im Umbruch: „Es wird ja gerade darüber diskutiert, dass man nur noch drei Jahre auf der Postdoc-Stelle bleiben kann. Dann bräuchte man schon eine Entfristungsperspektive. Dadurch wird es jetzt für Postdoc-Stellen schwieriger“, wirft Prof. Dr. Saskia Bender ein. Auch der Ausblick auf eine mögliche eigene Professur später sei im Moment nicht gesichert.
Ein weiterer Weg der Finanzierung sind Projektstellen. „In Bielefeld hat man die Möglichkeit, mindestens ein Drittel des Stellenanteils einer Projektstelle für die eigene Weiterqualifizierung zu verwenden“, erläutert Prof. Dr. Saskia Bender.
Die dritte große Säule bilden, wie auch in vielen anderen Fachbereichen, Stipendien. „Es gibt kirchennahe Stiftungen, wie das Evangelische Studienwerk Villigst e.V. oder das Cusanuswerk. Dann gibt es die parteinahen Stipendien, wie zum Beispiel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Hans-Böckler-Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und zudem der Studienstiftung des deutschen Volkes. Natürlich kann man die Promotionszeit selber finanzieren, wenn man parallel dazu arbeitet“, zählt Prof. Dr. Saskia Bender auf.
Sind alle finanziellen und auch alle sonstigen Hürden genommen, wird in der Erziehungswissenschaft am Ende der Promotion der Titel ‚Dr. phil’ verliehen.
Wissenschaft oder Wirtschaft – Jobchancen nach der Promotion in der Pädagogik
Nach der Promotion stellt sich die Frage: Universitäre oder außeruniversitäre Laufbahn? „In der Universität selber haben Sie natürlich mit einer Promotion deutlich bessere Chancen, auch die Entfristungsdiskussion ist ja eng an die Promotion geknüpft“, gibt Prof. Dr. Saskia Bender zu bedenken. Außerhalb der Universität sieht sie den Karriereerfolg als „sehr individuell“ an. „Es kommt darauf an, mit welchem Thema ich mich auseinandergesetzt habe. Passt das gerade zu den Kontexten, in denen man sich bewirbt? Es kann sein, dass es im Erstzugang in den Arbeitsmarkt gar nicht so einen großen Unterschied macht, ob man promoviert ist oder nicht. Aber in Bezug auf die Aufstiegs- und auch die Verdienstmöglichkeiten ergibt sich dann voraussichtlich ein Unterschied“, zeigt sie auf. Wolle man nicht von vornherein an der Universität bleiben, empfehle es sich, erst einmal Praxiserfahrung zu sammeln. Mit dieser Berufserfahrung könne man sich beispielsweise dann später doch auch noch auf Fachhochschul-Professuren bewerben, die diese voraussetzen.
Gehalt von Pädagog:innen und Erziehungswissenschaftler:innen
Die meisten Pädagog:innen und Erziehungswissenschaftler:innen sind in öffentlichen Einrichtungen tätig und unterstehen dementsprechend dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Die Entgeltgruppe ist abhängig von Beruf und Ausbildung. Kinderpfleger:innen in der Entgeltgruppe S3 erhalten laut der Seite paedagogik-studieren.de pro Monat circa 2.321,05 bis 3.014,27 EUR brutto. Beschäftigte am Jugendamt können mit 2.560 bis 3.940 EUR monatlich rechnen. Erzieher:innen (S8a) werden durchschnittlich mit 2.685,14 bis 3.703,99 EUR brutto im Monat vergütet. Etwa 2.994,79 bis 4.346,99 EUR brutto sind für Sozialarbeiter:innen (S11b) vorgesehen. Als Leitung einer Kita ab 40 Plätzen (S13) springen monatlich 3.117,30 bis 4.374,70 EUR brutto heraus. Hat die Kita mindestens 180 Plätze (S18), verdienen Leiter:innen zwischen 3.733,74 und 5.615,77 EUR brutto im Monat. Pädagog:innen können selbstverständlich auch einer Tätigkeit als Lehrer:in nachgehen. Dabei werden sie mit 3.120 bis 4,540 EUR brutto pro Monat vergütet. Unterrichten sie an einem Gymnasium, kann das Gehalt auf bis zu 5.000 EUR brutto im Monat steigen.
Darüber hinaus ist der Verdienst vom Bundesland abhängig. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegen gemäß paedagogik-studieren.de mit im Schnitt 2.130 bis 2.200 EUR brutto pro Monat auf den letzten Plätzen der rentabelsten Regionen. Erziehungswissenschaftler:innen in Hessen hingegen dürfen sich über durchschnittlich 3.250 EUR brutto am Monatsende freuen.
Grundsätzlich gilt: Wer länger studiert hat, verdient mehr. Mit einem Fachhochschul- oder einem Bachelorarbeit fallen Absolvent:innen unter E9 bis E12 und erhalten monatlich zwischen 2.710 bis 3.330 EUR brutto. Der Masterabschluss und der Doktortitel ermöglichen dank E13 bereits durchschnittlich 3.360 EUR brutto im Monat. Das Diplom lässt etwa 2.690 bis 4.020 EUR brutto am Ende des Monats erwarten.
Auch die Berufserfahrung spielt eine entscheidende Rolle beim Gehalt: Der Betrag steigt pro Jahr. Nach zehn Jahren bekommen Pädagog:innen pro Monat 270 EUR mehr als Berufseinsteiger:innen.
Tipps für Promovierende: Individuelle Relevanzsetzung und Gelassenheit
Angehenden Promovierenden rät Prof. Dr. Saskia Bender: „Es braucht immer ein eigenes Interesse. Man muss eine gewisse Neugier und Verwunderung den Dingen gegenüber haben. Es sollte eine individuelle Relevanzsetzung dabei sein. Eine Promotion ist durchaus aufwendig und mühevoll und da ist es immer gut, wenn man sich mit einem Thema auseinandersetzt, das einen auch interessiert.“ Bereits Promovierten legt sie Gelassenheit ans Herz: „Man muss darauf vertrauen, dass die Dinge sich schon gut entwickeln werden und, dass man irgendwann an der Stelle landen wird, an die man auch gut hinpasst.“
Dieses Interview führte Redakteurin Julia Brechtelsbauer am 15.06.2023.