Ratgeber Geowissenschaften – Auf den Spuren eines disziplinreichen Studiums mit abwechslungsreichen Karrieremöglichkeiten
Die Sonne scheint, Sie stapfen durch unwegsames Gelände und das in Ihrer Arbeitszeit. Wer lieber draußen unterwegs ist, statt den ganzen Tag nur am Schreibtisch hinter dem PC zu sitzen, für den sind definitiv die Geowissenschaften interessant. Aber nicht nur der Arbeitsplatz, sondern auch die Themen sind ansprechend – Klimawandel, Energiekrise, Bevölkerungswachstum. Klingt interessant? Dann hier entlang:
Im Zentrum eines geowissenschaftlichen Studiums steht die Erde als System. Es werden der Aufbau und die Prozesse im Planeten untersucht. Die Geowissenschaften setzen sich in der Regel aus verschiedenen Teilmodulen zusammen. Der Fokus liegt auf den Naturwissenschaften. (Experimental-)Physik, Mathematik, Chemie und Biologie sind wichtiger Bestandteil des Studiums. Es wird viel interdisziplinär und im Gelände gearbeitet. Dementsprechend sind Exkursionen Teil der Ausbildung.
An der RWTH Aachen beispielsweise, eine der anerkanntesten technischen Hochschulen Europas, werden regelmäßig Forschungsreisen angeboten. Im Jahr 2023 sind im Rahmen der Geografie Exkursionen nach Dänemark, Südspanien, Südpolen, Schottland, Nordrhein-Westfalen, Valencia und in die Mongolei geplant.
Ganze Auslandsaufenthalte im Rahmen eines Studiums der Geowissenschaften sind möglich und auch gerne gesehen, um persönliche Netzwerke auszuweiten und Erfahrungen zu sammeln. Wer sich beispielsweise für eine Promotion in den USA interessiert, findet hier nähere Infos zum Wissenschaftssystem in den USA.
An einem Studium der Geowissenschaften Interessierte sollten sich außerdem auf einen Alltag mit Experimenten und Laborarbeit einstellen und Beobachtungs- und Konzentrationsvermögen, sowie Freude an Teamarbeit und Interesse an technischen Zusammenhängen und Faszination für die Natur mitbringen. Aufgrund der vielen Themenbereiche lassen sich die Geowissenschaften in viele Teildisziplinen unterteilen, die an den meisten Universitäten explizit angeboten werden. Die Leibniz Universität Hannover beispielsweise ermöglicht Vertiefungsschwerpunkte in den Bereichen Bodenkunde, Geologie und Mineralogie/Geochemie.
Hinter der Geologie verbirgt sich die Wissenschaft von Entstehung, Aufbau, Zusammensetzung und Struktur der Erdkruste und den dort stattfindenden Prozessen. Sie beschäftigt sich viel mit Rohstoffen und lässt sich wiederum unter anderem in die angewandte Geologie, Bodenkunde, Sedimentologie, Tektonik und Strukturgeologie unterteilen.
In der Mineralogie geht es um die Entstehung und die Eigenschaften von Mineralen. Sie lässt sich in Bereiche wie Kristallografie, Petrologie/Petrografie, Geochemie und die angewandte oder technische Mineralogie untergliedern.
Teilgebiete der Paläontologie sind Paläozoologie, Paläogeografie, Paläobotanik und Sedimentologie. Sie alle beziehen sich auf die Lebewesen der Urzeit und sind entscheidend für das Verständnis des Klimas.
Die Geowissenschaften als interdisziplinäre Wissenschaften überschneiden sich unter anderem mit der Physik. Die Geophysik untersucht die physikalischen Eigenschaften und Vorgänge der Erde. Die Seismologie und die angewandte Geophysik beispielsweise liefern Erkenntnisse für Vorhersagen von Erdbeben und Vulkanausbrüche und damit wichtige Informationen für erdbebensicheres Bauen.
Die Geowissenschaften als interdisziplinäres Feld
Während sich die Geowissenschaften vor allem auf die naturwissenschaftliche Beschaffenheit der Erde fokussiert, beschäftigt sich die Geografie mit dem Raum, also mit räumlichen Phänomenen und Beziehungen und deren Entwicklung. Sie versucht die Gesellschaft-Umwelt-Beziehung zu verstehen und bildet eine Schnittstelle für andere Wissenschaften, auch intradisziplinäre Interdisziplinarität genannt.
An Universitäten wird in der Lehre meist zwischen der Physischen Geografie und der Anthropogeografie unterschieden. Die Physische Geografie deckt dabei den naturwissenschaftlichen Teil ab. Es geht um Materie, es wird quasi ‚zählend’ gearbeitet. Studierende beschäftigen sich zum Beispiel mit Klimatologie oder Geologie. Die Anthropo- oder auch Humangeografie hingegen wird den Geisteswissenschaften zugeordnet, fragt nach dem Sinn und möchte ‚verstehen’. Teildisziplinen sind beispielsweise die Stadt-, Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeografie.
Ein Studiengang, der drei große Teilbereiche der Geowissenschaften miteinander verbindet ist der Bachelorstudiengang Physik des Erdsystems an der Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU). Studierende erwerben zu Beginn Wissen in der Meteorologie, der Ozeanografie und der Geophysik, bevor sie sich in späteren Semestern auf zwei der drei Bereiche spezialisieren. Die CAU bietet außerdem weiterführende Masterstudiengänge in der Geophysik oder in Climate Physics, Meterorology and Physical Oceanography.
Der Bereich der Geowissenschaften ist also sehr vielfältig. Möchte man sich direkt weiter spezialisieren, stehen zum Beispiel auch Studiengänge wie angewandte Geodäsie und Geoinformatik, Environmental Earth Studies, Landschaftsökologie, Umweltgeografie und –management, Wasserwissenschaften oder Paläoanthropologie zur Wahl. Wer den grundständigen Studiengang erfolgreich abschließt, erhält den Titel ‚Bachelor of Science’. Danach kann ein ‚Master of Science’ angeschlossen werden.
Promotion in den Geowissenschaften – Kooperationen mit Max Planck und Helmholtz
Entscheiden sich Masterabsolvent:innen der Geowissenschaften für eine Promotion, stehen ihnen viele Fachbereiche der Geowissenschaften offen. An der Universität Bremen beinhaltet das Vorhaben unter anderem die Veröffentlichung mehrerer Artikel in internationalen Fachzeitschriften, um sich bereits früh mit entsprechender Kritik auseinanderzusetzen. Die Universität kooperiert dabei außerdem mit angesehenen Partner:innen wie der International Max Planck Research School of Marine Microbiology oder der Helmholtz Graduate School for Polar and Marine Research.
Die Ludwig-Maximilians-Universität München bietet Promotionsplätze in den Fachbereichen Physische Geographie, Anthropo- oder Wirtschaftsgeographie, Geochemie, Geobiologie, Geologie, Geophysik, Kristallgeographie, Mineralogie, Paläontologie, Petrologie und Vulkanologie.
Ist die Dissertation abgegeben, wird der Doktortitel Dr. rer. nat. verliehen. Welche anderen (Doktor-)Titel es gibt und was sie bedeuten, erfahren Sie hier.
In Kiel liegt neben der Christian-Albrechts-Universität außerdem das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Forschungsschiffe brechen regelmäßig von dort in die Ostsee, aber auch in die Ozeane auf, um Meeresforschung vor Ort zu betreiben. Wer sich vorstellen kann, in diesem Bereich zu promovieren, den erwarten am GEOMAR eine Kolleg:innenschaft aus an die 200 internationalen Doktorand:innen. Das Foster Young Ocean Researcher Developmenthat es sich dort zur Aufgabe gemacht, junge Meeresforscher:innen zu fördern und sie vom Master bis zum Postdoc zu betreuen.
Absolvent:innen der Geowissenschaften können aufgrund ihrer vielfältigen Ausbildung aus einem breiten Berufsangebot wählen: Mögliche Arbeitgeber:innen können Forschungsinstitute, Ämter des Bundes und der Länder, Ingenieurbüros, Umweltbehörden und –labore, Museen, Consulting Büros oder Betriebe zur Bodenkartierung, -bewertung und –sanierung, zur Erschließung von Bodenschätzen und zur Analyse und Sanierung von Altlasten sein. Am beliebtesten sind nach einer Studie des BDG (Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler) mit jeweils 25 Prozent die Arbeit in Ingenieurbüros, Beratungsfirmen, sowie in der Industrie und Wirtschaft. Darauf folgen mit 15 Prozent Ämter und Behörden und mit zehn Prozent die Tätigkeit in Forschung und Lehre.
Gehalt – Was verdienen Geowissenschaftler:innen?
Geowissenschaftler:innen können laut Stepstone mit einem Jahresgehalt von 38.600 EUR bis 55.600 EUR brutto rechnen. Mit einem durchschnittlichen Gehalt von 53.800 EUR brutto pro Jahr führt München die Liste der lukrativsten Großstädte an, Dresden reiht sich mit etwa 43.900 EUR brutto am Ende ein. Der Großteil der übrigen Städte bewegt sich mit 48.000 EUR bis 50.000 EUR brutto im Mittelfeld der Gehaltsklasse. Nach zehn Jahren im Beruf verdoppelt sich das Einstiegsgehalt.
Spezialisiert man sich während der Ausbildung auf den Fachbereich der Geologie sieht die geografische Gehaltsverteilung ähnlich aus: Geolog:innen in Bayerns Hauptstadt erhalten pro Jahr im Durchschnitt 54.300 EUR brutto, Kolleg:innen in der östlichen Großstadt nur circa 42.600 EUR brutto.
Mit einem Studium in den Geowissenschaften und einer zusätzlichen didaktischen Ausbildung ist es ebenso möglich, den Lehrberuf einzuschlagen. Grundschullehrer:innen fallen unter die Besoldungsgruppen A12 und A13 und verdienen entsprechend zwischen 3.600 und 6.000 EUR brutto pro Monat. Lehrer:innen an weiterführenden Schulen werden nach A13 bezahlt und erhalten monatlich etwa 4.000 EUR bis 6.000 EUR brutto. Das Gehalt kann sich aber je nach Bundesland, Familienstand, Berufserfahrung, sowie Art des Beschäftigungsverhältnisses unterscheiden.
Schlägt man den weiteren Weg in die Forschung ein, wird für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, die an Universitäten und Hochschulen beschäftigt sind, nach Entgeltgruppe E13, E14 oder E15 abgerechnet. Dabei springen pro Monat zwischen 4.188,38 EUR und 6.037,38 EUR brutto heraus. Juniorprofessor:innen können dank der W1-Besoldung mit monatlich etwa 4.500 EUR bis 5.300 EUR brutto rechnen. W2- und W3-Professor:innen dürfen am Monatsende eine Summe von 5.700 EUR bis 8.000 EUR brutto auf dem Konto erwarten.
Aufgrund der vielen äußerst aktuellen Problemstellungen, mit denen sich die Geowissenschaften befassen, lohnt sich ein Studium und eine Promotion in diesem Fachbereich auf jeden Fall und bietet gute Karrieremöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Laut myStipendium erreichen 77 Prozent aller Studienbeginner:innen auch den Abschluss, 90 Prozent sind auch nach zehn Jahren nach dem Abschluss noch in ihrem Job beschäftigt und 85 Prozent sind darin zufrieden bis sehr zufrieden.
Von Julia Brechtelsbauer