Doktor der Mathematik – Deswegen lohnt sich die Promotion

Prof. Dr. Robert Denk: „Mit einem Masterabschluss in der Mathematik hat man quasi auch eine Stellengarantie. Mathematiker*innen werden auf allen Ebenen gesucht, sodass man auch mit dem Masterabschluss ganz schnell eine Stelle auf dem Markt bekommt. Man braucht also nicht zu promovieren, nur um die Berufsaussichten zu verbessern, das ist in der Mathematik sinnlos. Die Promotion bringt aber einiges, was die spätere Arbeitstätigkeit an sich angeht…” 

Wer als Mathematiker*in nach einem Jobangebot sucht, hat viel Auswahl. Aktuell finden sich auf Stepstone über 3.300 Treffer für Mathematik-Jobs, im Vergleich dazu sind es in der Physik knapp 2.600 Treffer und in der Chemie rund 3.700 Treffer (Stand: 26.07.2023).

Prof. Dr. Robert Denk, Professor für partielle Differentialgleichungen in Mathematik an der Universität Konstanz, beschreibt im Interview mit Hochschul-Job.de, was eine Promotion in der Mathematik ausmacht, welchen Stellenwert ‚Kommunikation‘ hat und für wen sich eine Promotion lohnt. 

Karriere in der Wissenschaft – Kommunikation und Kreativität

Können Sie ihre Beziehung zur Wissenschaft/Mathematik in drei Worten zusammenfassen? 

Denk: „Spannend, Kommunikation und Kreativität. Dabei ist ‘Kommunikation’ ein wichtiger Punkt, welcher glaube ich auch oft ein bisschen übersehen wird. Es ergibt wenig Sinn, Mathematik allein im stillen Kämmerlein zu machen. Mathematik passiert nur im Gespräch mit anderen Leuten. Von meinen 70 Artikeln sind nur acht als alleiniger Autor verfasst worden, alle anderen sind gemeinschaftlich mit anderen Autor*innen entstanden. Ich habe schätzungsweise  40 Co-Autor*innen, die weltweit verstreut sind, über Australien, Japan, Kolumbien, die USA und Europa. Jeder mathematische Kenntnisgewinn funktioniert nur, indem man mit verschiedenen Leuten in Interaktion ist und sich im Austausch befindet. Das bedeutet, dass man sich online oder persönlich trifft. Dazu muss man sagen, dass Treffen in Persona natürlich immer mehr bringen. Die Mathematik ist ein Gebiet, in dem man kreativ sein kann und ständig neue Konzepte entwickelt. Und dieser kreative Entstehungsprozess gelingt nur, wenn man mit den Leuten zusammenarbeitet, das gilt sowohl in meiner eigenen Forschung als auch in der Betreuung von Doktorarbeiten. Ich arbeite mit meinen Doktorand*innen grundsätzlich viel an der Tafel, wobei wir  gemeinsam über den Forschungsstand diskutieren.” 

Weshalb haben Sie sich für den Weg in die Wissenschaft entschieden? 

Denk: „Das ging schrittweise, würde ich sagen. Es wurde gerade am Ende des Studiums richtig spannend, sodass ich Lust bekommen habe, eigenständige Forschung zu entwickeln, was man im Studium nur partiell macht. Daher habe ich mich dafür entschieden, an mein Studium eine Promotion anzuhängen. Nach der Promotion habe ich festgestellt, dass ich mit meinen Forschungstätigkeiten noch nicht aufhören will und mich dazu entschieden, eine Post-Doc-Phase anzuschließen. Damals war es der klassische Werdegang, eine längere Post-Doc-Zeit mit der Habilitation abzuschließen. Ich habe  dann 1999 habilitiert und war nach dem Studium insgesamt 10 Jahre in Regensburg, um meine Forschung zu entwickeln. Da die Universität für mich nie der einzige mögliche Weg war, bin ich anschließend in die Industrie gewechselt, durfte dort ebenfalls Forschung auf hohem Niveau betreiben und war vor allem auch als Mathematiker gefragt. Die Kontakte zur Universität habe ich trotzdem immer weiter genutzt. Irgendwann erhielt ich das Angebot, wieder an die Universität zurückzukehren und habe mich entsprechend wieder dafür entschieden, zurück in die akademische Welt zu gehen. Der wesentliche Punkt bei allen meinen Entscheidungen war eigentlich immer die Frage, ob es mir Spaß macht oder ob ich etwas anderes machen will.”

„Man sollte bereits in der Promotionsphase Ergebnisse auf akademischen Veranstaltungen präsentieren” – Prof. Dr. Robert Denk

Vor welchen Hürden standen Sie damals in Ihrer Promotionsphase?

Denk: „Eine große Hürde war das Thema. Bei der Promotion ist zwar das Thema vorgegeben, aber die Ausführung und die Details sind frei wählbar. Daher war es für mich damals nicht ganz klar, in welche Richtung es thematisch überhaupt gehen sollte. Tatsächlich habe ich dann nach einem dreiviertel Jahr das Thema noch einmal komplett gewechselt. Ich habe mit dem ersten Thema keine Zukunft gesehen und wusste nicht, inwiefern ich eine sinnvolle Theorie entwickeln kann. In Absprache mit meinem Betreuer haben wir dann gemeinsam beschlossen, dass ich ein neues Thema anfange. Dann war es mir auch viel klarer, in welche Richtung es gehen könnte und ich konnte dann recht selbstständig meine Theorie entwickeln. Zu Beginn der Promotion war für mich also nicht klar, was am Ende der Inhalt sein sollte. Die Themenentwicklung hat somit meine größte Hürde dargestellt.” 

Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen wollen in Ihrer Promotionsphase? 

Denk: „Aus jetziger Sicht würde ich mehr auf Tagungen gehen und Ergebnisse präsentieren. Das hat sich inzwischen geändert. Heute schicken wir die Doktorand*innen viel mehr in der Weltgeschichte herum, um Erfahrungen auf internationalen Tagungen und Workshops zu sammeln und dort ihre eigenen Ergebnisse zu präsentieren. Das hätte  ich im Nachhinein bei mir selbst mehr betont, aber mein Doktorvater hatte das damals nicht so sehr im Fokus. Dieser kommunikative Aspekt ist meiner Meinung nach in den letzten 20 Jahren noch wichtiger geworden als früher. Früher war das natürlich auch durch weniger schnelle Kommunikationsmöglichkeiten bedingt, während es heute zum Beispiel über Videotelefonie möglich ist, eng zusammenzuarbeiten, ohne am gleichen Ort zu sein.“ 

Karriere in der Wissenschaft durch Freude am Forschen

Wem würden Sie eine Promotion in der Mathematik empfehlen?

Denk: „Eine Promotion in der Mathematik kommt für Leute in Frage, die entweder Mathematik oder ein sehr ähnliches Fach, zum Beispiel Physik, studiert haben. Eine mathematikspezifische Ausbildung ist somit die Grundvoraussetzung. Dann ist die wichtigste Frage: ‚Habe ich Spaß daran?‘ Man muss Spaß daran haben, eigenständigen Fragen nachzugehen, zu entwickeln und zu beantworten. Ich würde abraten von einer Promotion in Mathematik, nur um bessere Berufsaussichten zu haben. Wer so beginnt, liegt komplett falsch, denn das hält man nicht durch. Eine Promotion in der Mathematik ist nicht einfach, man muss sich durchbeißen, arbeitet mehrere Jahre an einem Thema und hat teilweise auch einfach mal ein halbes Jahr keinen Fortschritt und keine neuen Ergebnisse. Diese Ausdauer hat man nur, wenn einem die Forschungstätigkeit an sich Spaß macht.”     

Vor welchen Hürden stehen Promovierende aktuell?

Denk: „Die Finanzierung muss geklärt sein. Die Finanzierung ist wie bei vielen Doktorand*innen üblicherweise keine volle Stelle. In der Mathematik sind zum Beispiel projektfinanzierte, also von der DFG finanzierte, Promotionsstellen 75-Prozent-Stellen. Das bedeutet, man sollte also finanziell planen. Die wesentlichen Hürden sind aber inhaltlicher/thematischer Art. Man sollte selber einigermaßen gut organisiert sein und auch in der Lage sein, Rückschläge zu verkraften, weil diese auf jeden Fall kommen. Man muss sehr konzentriert an etwas arbeiten können, viel Energie reinstecken und auch damit rechnen, dass es mal nicht funktioniert. Typischerweise hat man einen Themenbereich, in dem man drei bis vier Jahre arbeitet – damit muss man auch umgehen können. Hier hat man nicht wie im Studium alle drei Wochen ein anderes Thema, sondern bei diesem einen Thema kommt es auch vor, dass es Durststrecken gibt. Zusammengefasst würde ich sagen, die Selbstorganisation und die Durchhaltefähigkeit sind das größte Problem.”

Karriere in der Wissenschaft – Die Finanzierung 

Wie lässt sich die Promotion mit der Anstellung am Lehrstuhl vereinbaren? 

Denk: „Es gibt zwei Arten von Promotionsstellen an der Universität: Eine ist innerhalb von strukturierten Graduiertenprogrammen, zum Beispiel Graduiertenschulen, die projekt- beziehungsweise drittmittelfinanziert sind, dort braucht man keine Lehre zu geben. Diese Stelle ist quasi eine reine Forschungstätigkeit, wobei diese Stellen typischerweise auf drei Jahre befristet sind. Die zweite Art sind die Haushaltsstellen, welche von der Universität finanziert werden, dort ist eine Lehrtätigkeit in entsprechendem Umfang verpflichtend dabei. Diese Lehrtätigkeiten beinhalten zum Beispiel die Betreuung des Übungsbetriebs zu einer Lehrveranstaltung. Beide Stellen kommen schätzungsweise gleich oft vor. Bei den Haushaltsstellen ist es ein Pluspunkt, dass man bereits Erfahrungen in der Lehre sammelt, da man entweder die Übungsgruppen selbst hält oder die entsprechenden Übungsgruppenleiter*innen betreut. Für viele ist die Lehrtätigkeit eine angenehme Abwechslung, welche aber auch bedeutet, dass man oft mit drei Jahren nicht auskommt.”

Natürlich gibt es neben den Stellen am Lehrstuhl noch weitere Finanzierungsmöglichkeiten. Eine Option wäre ein Promotionsstipendium. Dieses kannst du bereits ab der ersten Phase deiner Doktorarbeit beantragen, sodass du die Möglichkeit hast, dich voll und ganz auf die Promotion zu konzentrieren. Wenn du jedoch die Absicht hast, später einer Lehrtätigkeit nachzugehen, könnte eine Anstellung über die Haushaltsstellen der Universität sinnvoller sein, da du somit bereits Lehrerfahrung sammeln kannst. Welche weiteren  Finanzierungsmöglichkeiten es in der Wissenschaft noch gibt, kannst du hier nachlesen: Promotion finanzieren – Die 7 Finanzierungs-Optionen im Überblick (hochschul-job.de).

„Als Absolvent*in der Mathematik stehen einem quasi alle Möglichkeiten offen” – Prof. Dr. Robert Denk

Welche beruflichen Möglichkeiten ergeben sich aus einer Promotion in der Mathematik?

Denk: „Für den akademischen Bereich ist die Fortsetzung der Promotion eine Postdoc-Anstellung. Im Bereich der Wirtschaft  gibt es viele Möglichkeiten, da die Mathematik ein sehr breites Berufsfeld bietet. Dort stehen einem eigentlich alle Möglichkeiten offen. Mathematiker*innen sind extrem gefragt, die Arbeitslosigkeit ist quasi null. Im Gegenteil, ich bekomme oft Anfragen von Unternehmern, ob es potenzielle Absolvent*innen gibt, die demnächst fertig werden. Die klassischen Berufsfelder von Mathematiker*innen sind Banken und Versicherungen, natürlich auch die Unternehmensberatungen und selbstverständlich die ganze technische Welt: Automobilindustrie, Logistik, IT und in letzter Zeit zunehmend Unternehmen, welche sich im Bereich des autonomen Fahrens bewegen. Die Nachfrage ist in den letzten Jahren nochmal weiter gestiegen. Bei Versicherungen sollte man auch nicht denken, dass dies ein langweiliges Berufsfeld ist, denn tatsächlich ist es so, dass Versicherungen nun verstärkt Machine-Learning und künstliche Intelligenz einsetzen. Eben da benötigt man Mathematiker*innen.”

Wie sieht es mit den Stellen in der Wissenschaft aus? Hat man gute Aussichten auf eine langfristige Stelle?

Denk: „Diese Diskussion ist, denke ich, fachunabhängig. Das klassische Dilemma bei vielen Stellen in der Wissenschaft ist der befristete Zeitraum, teils nur auf zwei bis drei Jahre. Oft muss man die Örtlichkeit wechseln und hat trotzdem keine Garantie auf eine feste Stelle. Die erste feste Stelle ist oft erst die Professur, womit man schon am Ende der Karriereleiter steht. Mittlerweile gibt es mehr und mehr Programme, die das Problem versuchen zu lösen. Zum Beispiel gibt es die Tenure-Track-Juniorprofessur, die auch in der Mathematik mehr und mehr eingesetzt wird. Dabei ist die Idee, dass man relativ schnell, zwei, drei Jahre nach der Promotion eine optional feste Stelle bekommt. Hier in der Mathematik in Konstanz ist es uns bereits zweimal gelungen, eine Tenure-Track-Juniorprofessur zu besetzen und damit den Stelleninhaber*innen ein festes Angebot zu machen.”

Was muss man tun, um in der Wissenschaft weiterzukommen?

Denk: „Ich würde auf jeden Fall raten, den Ort zu wechseln. Ich würde nicht raten, an derselben Universität zu studieren, promovieren und eine Postdoc-Stelle anzunehmen. Durch einen Ortswechsel erlangt man neue Perspektiven, was die wissenschaftliche Tätigkeit sehr fördert. Ansonsten sollte man die Universität nach der Promotion mit Bedacht auswählen, da Universitäten verschiedene Stärken in verschiedenen fachlichen Richtungen haben. Weiterhin wird es auch immer gern gesehen, einmal ins Ausland zu gehen, was aber nicht unbedingt notwendig ist.” 

Promovieren oder nicht promovieren? Lohnt sich die Promotion? 

Denk: „Mit einem Masterabschluss in der Mathematik hat man quasi auch eine Stellengarantie. Mathematiker*innen, werden auf allen Ebenen gesucht, sodass man auch mit dem Masterabschluss ganz schnell eine Stelle auf dem Markt bekommt. Man braucht also nicht zu promovieren, nur um die Berufsaussichten zu verbessern, das ist in der Mathematik sinnlos. Damit steht die Frage im Raum: ‚Was bringt eine Promotion in der freien Wirtschaft?‘ Zum einen bringt es natürlich mehr Gehalt, man hat dafür aber auch drei bis vier Jahre weniger Berufserfahrung, in denen man auch eine Gehaltssteigerung hätte, somit ist dies auch kein klares Indiz. Die Promotion bringt aber einiges, was die spätere Arbeitstätigkeit an sich angeht. Man wird wesentlich selbstständiger durch die Promotion, lernt gute Selbstorganisation, eigenständiges Problemlösen und Präsentation der Ergebnisse auf internationaler Ebene.”

Wer nach der Promotion nicht weiter an der Universität bleiben möchte, sondern in der freien Wirtschaft arbeiten möchte, den erwarten, wie bereits angesprochen, vielfältige Möglichkeiten. Im direkten Gehaltsvergleich des Gehaltsrechners des Statistischen Bundesamtes beläuft sich der geschätzte Bruttomonatsverdienst eines Mathematikers / einer Mathematikerin mit Masterabschluss in der Branche Forschung und Entwicklung in Bayern auf 5.517 EUR bis 6.143 EUR. Im Vergleich dazu verdient ein/e promovierte/r Mathematiker*in zwischen 6.256 EUR und 6.965 EUR. In der Branche Finanzdienstleistung verdient ein/e promovierte/r Mathematiker*in sogar 6.486 EUR bis 7.222 EUR. Im Vergleich dazu verdienen Mathematiker*innen mit Masterabschluss 5.721 EUR bis 6.370 EUR.

Geschätzter Bruttomonatsverdienst Mathematiker*in in EUR

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Welche Möglichkeiten erhält man durch eine Promotion in der Mathematik? 

Eine Promotion ermöglicht in erster Linie den Zugang zu Stellen in der Wissenschaft und bietet die nötige Voraussetzung für die spätere Übernahme einer Professur. In der freien Wirtschaft „bringt es natürlich mehr Gehalt, man hat dafür aber auch drei bis vier Jahre weniger Berufserfahrung, in denen man auch eine Gehaltssteigerung hätte, somit ist dies auch kein klares Indiz. Die Promotion bringt aber einiges, was die spätere Arbeitstätigkeit an sich angeht. Man wird wesentlich selbstständiger durch die Promotion.” – Prof. Dr. Robert Denk

In welchen Bereichen arbeiten Mathematiker*innen?

Wer als Mathematiker*in Wer als Mathematiker*in nach einem Jobangebot sucht, hat viel Auswahl. Aktuell finden sich auf Stepstone über 3.300 Treffer für Mathematik-Jobs, im Vergleich dazu sind es in der Physik knapp 2.600 Treffer und in der Chemie rund 3.700 Treffer (Stand: 26.07.2023). „Die klassischen Berufsfelder von Mathematiker*innen sind Banken und Versicherungen, natürlich auch die Unternehmensberatung und selbstverständlich die ganze technische Welt: Automobilindustrie, Logistik, IT und in letzter Zeit zunehmend  Unternehmen, welche sich im Bereich des autonomen Fahrens bewegen.” – Prof. Dr. Robert Denk

Was braucht man für eine Promotion in der Mathematik?

Prof. Dr. Robert Denk: „Eine Promotion in der Mathematik kommt für Leute in Frage, die entweder Mathematik oder ein sehr ähnliches Fach, zum Beispiel Physik, studiert haben. Eine mathematikspezifische Ausbildung ist somit die Grundvoraussetzung.”

Dieses Interview führte Redakteurin Laura Marie Hattenhauer am 06.07.2023

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