Doktor der Physik – Deswegen lohnt sich die Promotion

Der Weg in die Wissenschaft ist langwierig, zeitintensiv und verlangt eine hohe Frustrationstoleranz. Dies gilt auch für die Ausbildung davor. Zum Wintersemester 2022/23 und zum Sommersemester 2023 haben sich insgesamt 11.119 Studierende erstmals in einen Physikstudiengang eingeschrieben, so die DPG (2023)

Die Physik weist dabei deutliche Unterschiede in der Geschlechterverteilung auf. So waren von insgesamt 1.676 neu Promovierten, nur 358 Frauen. Der Rest besteht aus 1.308 Männern und 14 nicht-binären Personen (DPG). Somit dominieren Männer noch immer die Physik, doch die Zeichen stehen gut.  

Prof. Dr. Isabelle Staude, 41, erklärt im Interview für Hochschul-Job.de wann sich eine Promotion in der Physik lohnt, weshalb sie sich selbst für den Weg in die Wissenschaft entschieden hat, wie der Umgangston ist und wie die Jobaussichten als Physiker*in aussehen.

Der Weg in die Wissenschaft – Rückblickend betrachtet

Prof. Dr. Isabelle Staude, Universität Jena – Eigene Darstellung, Foto: Anne Günther

Weshalb haben Sie sich für den Weg in die Wissenschaft entschieden?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Ich hatte schon länger damit geliebäugelt. Man hat in der universitären Forschung sehr großen Freiraum und die Möglichkeit, an hochinteressanten Problemen zu arbeiten, viele Ideen umzusetzen und Forschung zu gestalten. Gleichzeitig macht mir auch die Lehre viel Spaß. Die internationale Zusammenarbeit ist ebenfalls sehr interessant und bereichernd. Das alles waren für mich wichtige Faktoren dafür, dass ich im wissenschaftlichen Bereich an einer Universität weiterarbeiten wollte und nicht unbedingt in der Forschungsabteilung eines Unternehmens. An einer Universität hat man die Freiheit sich auszusuchen, was man untersucht, mit wem man arbeitet oder wie die internationale Zusammenarbeit aussieht. Das liebe ich an meinem Job.”

Vor welchen Hürden standen Sie damals in Ihrer Promotion? 

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Eine Promotion in experimenteller Physik ist in den allermeisten Fällen schon eine große Herausforderung. Es gibt relativ wenige Promotionen, die ganz geradlinig verlaufen. Man muss bedenken, dass das, was man untersucht, meistens ganz neu ist und noch von niemandem gemacht wurde. Entsprechend können viele technische Probleme auftauchen. Diese Probleme wollen alle gelöst werden, was nicht immer einfach ist, sodass man typischerweise irgendwann an einem Punkt ist, an dem man nicht weiter weiß. Man beginnt zu zweifeln, ob es je funktionieren wird und ob man im Endeffekt überhaupt dahin komen kann, wo man hin will. Die größte Hürde ist, genau dann dran zu bleiben und die Frustrationstoleranz aufzubringen, da durchzugehen und sein Projekt über die Ziellinie zu tragen, mit neuen Ideen und viel Durchhaltevermögen.” 

Würden Sie im Nachhinein irgendetwas anders machen wollen?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Ich würde, wenn ich heute noch einmal promovieren würde, versuchen, mein eigenes Projekt noch mehr selbst zu definieren und zu gestalten. Ich würde mich stärker einbringen, wenn es darum geht, wo ich hin möchte und woran ich arbeiten möchte. Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Punkt früh einzusehen, dass man nicht nur an einer Problemstellung arbeitet, die einem von außen angetragen wurde, sondern, dass man sein eigenes Projekt auf die Beine stellt und eigene Ideen einbringen darf und sollte. Die meisten Betreuer*innen sind da auch durchaus sehr offen dafür, wenn man sagt ‚Ich habe da eine ganz neue Idee, wie wir das machen können.‘ Auf englisch würde man sagen, man muss das Projekt ‚ownen‘, also zu seinem Eigenen machen.”

Karriere in der Wissenschaft – Familie und Beruf unter einem Hut

Konnten/Können Sie Familie und Wissenschaft gut vereinbaren? 

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Ich stecke ja noch mittendrin. Ich habe zwei kleine Kinder. Es kann schon herausfordernd sein, das unter einen Hut zu bringen, mit der doch anspruchsvollen Tätigkeit einer Professorin, die eine relativ große Arbeitsgruppe hat, Lehrverpflichtung und so weiter. Ich kann aber nur sagen, dass ich nichts davon bereue. Es fordert einem natürlich viel ab, aber man sollte sich da nicht entmutigen lassen. Generell glaube ich, dass die Tendenz in der Physik schon so ist, dass das Umfeld einen sehr stark unterstützt. Ich habe sehr viele positive Erfahrung gemacht im Kreis meiner Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen. Die allermeisten haben sehr verständnisvoll reagiert und mir viele Aufgaben abgenommen. Das ist natürlich eine große Hilfe in so einer Phase, in der man dann eben doch nicht so belastbar ist. Vielleicht erfährt man diese große Unterstützung auch speziell in der Physik, weil eben doch noch sehr viel mehr Männer da sind als Frauen und ganz viele das versuchen zu ändern und die Umgebung für Frauen etwas realer zu gestalten. Wir haben in der Physik einen großen Frauenmangel und trotz aller Bemühungen sind wir Frauen natürlich stärker betroffen in diesen Phasen. Wir sind diejenigen, die schwanger werden und die Kinder zur Welt bringen müssen. Das lässt sich ja nunmal nicht delegieren. Viele sehen das und unterstützen das auch sehr. Ich denke, man muss einfach mutig voranschreiten und sich was trauen. Dann gibt es natürlich nicht nur auf dem persönlichen Level ganz viel Unterstützung, sondern auch institutionalisiert, zum Beispiel über spezielle Förderprogramme. Ich habe jetzt bei einer Postdoktorandin mit kleinem Kind mitbekommen, dass sie ein Förderprogramm ausgegraben hat, welches sie als junge Mutter entlasten kann. Da bekommt sie nun Mittel, um zusätzliche Kinderbetreuung zu finanzieren und so weiter. Auch die koordinierten Programme der Deutschen Forschungsgemeinschaft haben alle einen speziellen Topf für Gleichstellung. Da gibt es schon viele Möglichkeiten. Es erfordert natürlich ein gewisses Commitment und viel Freizeit hat man mit kleinen Kindern auch nicht, aber es geht! Man muss lernen, zu priorisieren und vielleicht auch zu gucken, wie man sich selbst entlasten kann mit den vielen Möglichkeiten, die es gibt.” 

Die Vereinbarung von Karriere und Familie ist vor allem in der Wissenschaft eine Herausforderung, die es zu bedenken gilt. Jedoch existieren Förderprogramme, die genau dort anknüpfen und junge Wissenschaftler*innen unterstützen und fördern. Eine Promotion mit Kind ist gerade für Frauen eine große zusätzliche Belastung. Inwiefern die Promotion mit Kind möglich ist und wo die größten Hürden liegen, erklären Nils Vief, Doktorand und Vater einer Tochter, und Erika Mosebach, Doktorandin und Mutter eines Sohnes im Interview für Hochschul-Job.de. 

Frau Prof. Dr. Isabelle Staude hat ihre Kinder bekommen, als sie ihre Professur bereits hatte… oder zumindest fast: „Ich glaube mein älterer Sohn ist am gleichen Tag geboren, an dem ich zur W2 Professorin ernannt wurde. Man muss herausfinden, was man im Leben möchte und sollte nicht immer nur auf Nummer sicher studieren, sondern auch darauf achten, was einen wirklich interessiert und wofür man sich begeistern kann. Das muss man sich trauen. In der Physik habe ich jetzt gemerkt, dass man viel Unterstützung erhält und alle sehr hilfsbereit sind. Traut euch!” 

Karriere in der Physik – Teamgeist zahlt sich aus

Wie ist denn der allgemeine Umgangston in der Physik? 

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Der Umgangston ist sehr, sehr angenehm. Das hätte ich vielleicht vorher auch nicht gedacht. Gerade, wenn man frisch aus der Schule kommt, wo vieles im Bereich der Naturwissenschaften noch ein bisschen angestaubt ist, denkt man ‚oh je, jetzt gehe ich in so eine Männerdomäne‘, aber tatsächlich ist es so, dass wir uns über jede/n Studierende/n die/der sich für Physik begeistern kann, freuen. Wir sind ja auch kein Massenfach wie Medizin oder Jura mit hunderten von Studierenden. Man wurde eigentlich immer mit offenen Armen empfangen, egal ob man ein Praktikum gesucht hat, Wahlvorlesung belegen wollte oder später auch im Kolleg*innenkreis. Wir bemühen uns um jeden Studierenden und jede*n Doktorand*in. Wir versuchen auch individuell für die Leute zu schauen, was passt. In Jena haben wir zum Beispiel einen englischsprachigen Masterstudiengang Photonik mit vielen ausländischen Studierenden. Gerade in Coronazeiten war es für viele ganz schwierig ein Visum zu bekommen und nach Deutschland zu kommen. Da haben wir z.B. alles getan, um das Studium auch für diejenigen zu ermöglichen, die nicht rechtzeitig zu Semesterbeginn in Jena sein konnten. Selbst wenn jemand für eine Prüfung nicht da sein konnte, haben wir uns bemüht, das irgendwie möglich zu machen. Zur guten Atmosphäre trägt auch bei, dass unter den Physikstudierenden meiner Erfahrung nach nicht so ein arges Konkurrenzdenken herrscht. Es wird oft schon im ersten Semester klar, dass man ganz viele Probleme nicht allein lösen kann. Missstände, die man teilweise von anderen Bereichen hört, z.B. dass Bücher in der Bibliothek extra versteckt werden, so dass kein anderer sie findet, habe ich NIE in der Physik erlebt. Stattdessen ist der Teamgeist sehr ausgeprägt.  Man verabredet sich zum Beispiel, um Aufgaben gemeinsam zu bearbeiten. Manche Aufgaben sind für die meisten einfach zu schwierig, um sie allein zu lösen. Auch in meiner Arbeitsgruppe sind wir ein Team und versuchen uns gegenseitig zu helfen. Das ist mir persönlich auch sehr wichtig. Natürlich gibt es immer auch Ausnahmen und nicht jeder ist jedem sympathisch. Aber es ist schon bemerkenswert, dass die allermeisten Kolleg*innen sich sehr um die Studierenden und Doktoranden bemühen und unterstützen, wo sie können. Das Bewusstsein, dass Nachwuchsförderung wichtig ist und dass man die Leute mit ihren individuellen Bedürfnissen berücksichtigen muss, ist sehr ausgeprägt.”

Karriere in der Physik durch Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Frustrationstoleranz

Wem würden Sie eine Promotion in der Physik empfehlen? 

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Ich würde sagen, dass es in der Physik nicht unbedingt für jede*n nötig ist zu promovieren. Man hat schon mit einem Master in der Physik einen ganz tollen Abschluss, der auch von der Wirtschaft sehr hoch eingeschätzt wird und exzellente Karriereperspektiven mit sich bringt. Wenn es rein um die Karriere geht, ist eine Promotion meines Erachtens gar nicht unbedingt nötig. Auf der anderen Seite kommt es auch darauf an, ob man eine Promotion wirklich möchte. Wenn man das Studium gut überstanden hat und motiviert ist, dann schafft man auch die Promotion. Es ist eine sehr intensive aber auch schöne Zeit, welche einem die Möglichkeit eröffnet, sich noch einmal freier und intensiver einem Problem zu widmen als es vielleicht später, z.B. in der Industrie, möglich ist. Man hat die Möglichkeit, internationale Kongresse zu besuchen, Netzwerke zu bilden und so weiter. Allerdings würde ich dennoch sagen, dass nicht jeder in der Physik promovieren muss. Charakterliche Eigenschaften würde ich keine besonderen als Voraussetzung sehen, ausschlaggebend ist die Motivation und Frustrationstoleranz. Wenn man Freude an der Forschung und an der Lehre hat, kann ich das nur empfehlen. Für eine akademische Laufbahn ist es natürlich kompromisslos.”

Wie selbstständig kann man arbeiten und das Projekt planen?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Das ist sehr abhängig von der Beziehung zu dem/der entsprechenden Betreuer*in und den konkreten Randbedingungen des Projekts. Ein Stück weit hängt es auch davon ab, wie die Promotion finanziert ist. Wenn man als Mitarbeiter*in angestellt ist, dann ist die betreuende Person typischerweise auch weisungsberechtigt. An drittmittelfinanzierte Stellen ist zudem häufig die Erwartung geknüpft, dass ein zuvor festgelegter Arbeitsplan erfüllt wird. Wenn man sich durch ein Stipendium finanziert, genießt man eine höhere Freiheit bezüglich des Forschungsgegenstands. Generell würde ich aber sagen, sind die meisten Wissenschaftler*innen sehr zugänglich für gute Argumente, sodass man das eigene Projekt einfach gut vertreten und seine Gedanken und Meinungen darlegen sollte, wenn man eigene Vorstellungen für das Projekt entwickelt hat. Wenn eine*r meiner Doktorand*innen an mich herantritt und eine bessere Idee hat als das, was mir mal für das Projekt vorgeschwebt ist, dann bin ich dafür auf jeden Fall sehr offen. Wir suchen ja immer die beste Lösung für ein Problem. Der breite Konsens, den ich unter den Kolleg*innen wahrnehme, geht dahin, dass wir junge Wissenschaftler*innen ausbilden wollen, die sich eigenverantwortlich einem wissenschaftlichen Problem stellen und dieses bearbeiten bzw. lösen können. Es ist doch auch ein zentrales Ziel jeder Promotion, dass man nicht nur abarbeitet, was einem gesagt wird, sondern lernt, ein Problem wirklich eigenständig zu bearbeiten. Die Physik ist meiner Erfahrung nach ein Fachbereich, in dem man bereits als Doktorand*in sehr große Freiheiten genießt, wenn man diese auch entsprechend artikuliert und diskutiert und sich grundlegend traut das Projekt selbst zu treiben.”

Vor welchen Hürden stehen Promovierende aktuell?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Was ich aktuell im Vergleich zu meiner eigenen Promotionszeit beobachten kann, ist, dass den Promovierenden ein viel größeres Angebot an Aktivitäten gemacht wird und die Arbeitsaufgaben vielseitiger geworden sind. Es ist natürlich einerseits etwas sehr Gutes, dass es so viele Möglichkeiten gibt, was z.B. die Teilnahme an Konferenzen, Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung, Belegung verschiedenster Kurse, oder andere Engagements betrifft. Andererseits macht es das aber auch schwieriger für die Promovierenden Prioritäten zu setzen und ausreichend Zeit für die Laborarbeit oder die Lösung technischer Probleme aufzubringen. In meiner Zeit waren wir über gelegentliche Ablenkungen von der Laborarbeit sehr froh. Eine große Konferenz war da schon etwas ganz Besonderes, vor allem wenn man ins Ausland fahren durfte. Heute gibt es in meiner Wahrnehmung deutlich mehr Veranstaltungen, für die dann auch jedes mal etwas vorbereitet und unter Umständen sogar schriftlich verfasst werden muss. Es ist natürlich großartig, wenn die Promovierenden so die Möglichkeit bekommen, ihre Ergebnisse zu präsentieren, neue Impulse zu erhalten und sich weltweit zu vernetzen. Andererseits muss man heutzutage wohl früher lernen, auch mal ‚Nein‘ zu sagen, damit auch die Phasen intensiver und ungestörter Forschungs- bzw. Laborarbeit nicht zu kurz kommen. Die klassischen Hürden bleiben natürlich trotzdem bestehen: Technische Probleme oder schlicht schwierige Themen, an denen bereits verschiedene Ansätze gescheitert sind.”

Finanzierung der Promotion – Wann ein Stipendium sinnvoll ist

Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es denn? Gibt es Stipendien speziell für die Physik?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Wenn jemand in der Physik promovieren möchte, ist es aktuell denke ich relativ einfach eine Finanzierungsmöglichkeit zu finden. Fast alle meiner Doktorand*innen sind als Mitarbeiter*innen angestellt. Bei uns ist die Situation zur Zeit so, dass wir für die meisten passfähigen Bewerber*innen mit mindestens gutem Masterabschluss eine Finanzierungsmöglichkeit finden können. Das geht so weit, dass herausragende Bewerber*innen unter Umständen sogar eine volle Stelle erhalten können, zum Beispiel im Rahmen der Max-Planck-School of Photonics. Andererseits gibt es auch Stipendienangebote, wie zum Beispiel die bekannten DAAD-Stipendien. Wir haben allerdings relativ wenig Stipendiat*innen, Tendenz sinkend, da man abwägen muss, dass man als Stipendiat*in nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Das wirkt sich auf langfristige Sicht finanziell negativ aus. Wir hatten zum Beispiel eine Stipendiatin, die wir nach Auslauf des Stipendiums in eine Anstellung übernommen haben. Dabei wurde ihr die Stipendienzeit nicht auf die Erfahrungsstufe angerechnet, so dass sie im Ergebnis deutlich weniger Gehalt bekommen hat als ein vergleichbarer Doktorand, der von Beginn an im Anstellungsverhältnis promoviert hat. Das muss man bedenken, auch wenn ein Stipendium erstmal toll klingt und kompetitiv ist. Natürlich kann man das nicht im Allgemeinen fassen.”

Wie lässt sich die Promotion mit der Anstellung am Lehrstuhl vereinbaren?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „In der Regel sehr gut: die Hauptaufgabe unserer Doktorand*innen ist die Forschung. Zudem können wir an der Universität sehr flexibel sein, was Arbeitszeiten, Kernzeiten oder auch Home-Office angeht. In meiner Arbeitsgruppe sind die meisten Doktorand*innen außerdem nicht auf Haushaltsstellen, sondern auf Drittmittelprojekten angestellt und haben somit auch keine Lehrverpflichtung. Hier in Jena haben wir allerdings die Besonderheit, dass wir den Doktorand*innen eine gewisse Lehrverpflichtung auflegen, weil wir für die Ausbildung Wert darauf legen, dass die Promovierenden auch einmal selbst Lehre gestaltet haben. Allerdings sind das nur vier Semesterwochenstunden über die gesamte Promotion, das ist sehr überschaubar. Bei Haushaltsstellen sieht das natürlich anders aus, da diese eine gewisse Lehrverpflichtung beinhalten. Aber auch dann bleibt die Forschung die zentrale Aufgabe, gerade wenn man im Vergleich zu anderen Fachbereichen schaut, wo manche Doktorand*innen primär für Lehre und Verwaltung angestellt sind und sozusagen nebenbei promovieren.”

Für wen welche Art der Finanzierung in Frage kommt, ist somit ganz individuell und sollte an die eigenen Ziele und Bedürfnisse angepasst werden. Anstellung am Lehrstuhl oder doch eher auf ein Stipendium bewerben? Welche Möglichkeiten es für die Finanzierung einer Promotion gibt, kannst du im Artikel Promotion finanzieren – alle Optionen im Überblick nachlesen.  

Allzweckwaffe Physiker*in

Welche Jobaussichten ergeben sich aus einer Promotion?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Eine Ausbildung in Physik verschafft einem generell sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Als Physiker*in wird man oft als eine Art Allzweckwaffe wahrgenommen, weil wir lernen Probleme zu lösen und zu formalisieren. Das merkt man auch daran, dass Physiker*innen in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig sind. Zum einen natürlich in den technischen Bereichen, in der Forschung, im akademischen Bereich, aber auch in Industrie und Wirtschaft. Da gibt es  Physiker*innen, die klassische Ingenieursaufgaben übernehmen, man findet Physiker*innen aber z.B. auch in Banken, Unternehmensberatungen und Versicherungen. Sogar Bundeskanzlerin kann man erwiesenermaßen werden. Als Physiker*in stehen einem sowieso schon ganz viele Türen offen. Mit einer Promotion weist man sich dann zusätzlich noch aus, dass man wissenschaftlich arbeiten kann, typischerweise bereits ganz neue Probleme gelöst hat und ein gewisses Durchhaltevermögen mitbringt. Gegebenenfalls erwirbt man im Rahmen der Promotion auch bereits Erfahrungen darin, Teams oder Gruppen zu leiten, z.B. durch die Betreuung von Studierenden oder die Leitung von Projektteams. Eine Promotion bringt natürlich auch eine gewisse Außenwirkung mit sich, welche einem durchaus weiterhelfen kann. Wenn man als Wissenschaftler*in in einem Institut arbeiten möchte, wird zudem häufig ein Doktortitel vorausgesetzt. Für den akademischen Weg des Professors oder der Professorin ist es selbstverständlich.”

Die Jobaussichten in der freien Wirtschaft sind für Physiker*innen somit vielseitig. Wie auf Stepstone zu finden, sind Schadengutachter*in, Unternehmensberater*in, Projektmanager*in oder Entwickler*in in Forschung und Technologie, nur einzelne Beispiele für die breite Auswahl an Karrieremöglichkeiten. Auch das Gehalt als Physiker*in lässt nicht zu wünschen übrig. Im direkten Gehaltsvergleich des Gehaltsrechners des Statistischen Bundesamtes beläuft sich der geschätzte Bruttomonatsverdienst eines Physikers / einer Physikerin mit Masterabschluss in der Branche Forschung und Entwicklung in Bayern auf 5.029 EUR bis 5.599 EUR. Im Vergleich dazu verdient ein/e promovierte/r Physiker*in sogar 5.702 EUR bis 6.349 EUR.   

Geschätzter Bruttomonatsverdienst in EUR – Physiker*in; Quelle: Gehaltsrechner des Statistischen Bundesamtes; eigene Darstellung

Wie sieht es mit den Stellen in der Wissenschaft aus? Hat man gute Aussichten auf eine langfristige Stelle? 

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Das ist natürlich eine schwierige Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Natürlich kann nicht jeder, der promoviert, auch eine Professur bekommen, dafür gibt es einfach zu wenig Professuren. Wenn man also eine akademische Karriere anstrebt, sollte man bedenken, dass dieser Weg schwer planbar ist und man nicht mit Sicherheit sagen kann ‚Wenn ich xyz mache, dann werde ich auch Professor*in‘. Ich habe das für mich selber ebenfalls nie so gesagt. Ab einem bestimmten Punkt habe ich aber gemerkt, dass ich eine Chance habe und diese Möglichkeit nutzen möchte. Meine Strategie bestand darin, mich heuristisch zu verhalten und alles dafür tun, dass ich, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, die richtigen Anforderungen erfülle. Diese Anforderungen sind sehr vielschichtig, dazu gehören natürlich wichtige Forschungsergebnisse, entsprechende Publikationen in relevanten wissenschaftlichen Journalen, die wahrgenommen und zitiert werden, Erfahrungen in der Lehre, im Idealfall untermauert durch positive Lehrevaluationen, sowie gute Sichtbarkeit im eigenen Forschungsfeld und darüber hinaus, was typischerweise durch Vorträge, Einladungen, Preise und so weiter nachgewiesen wird. Man kann also versuchen möglichst aktiv zu sein, zu publizieren, auf Konferenzen zu fahren, seine Ergebnisse vorzustellen, zu netzwerken, mit vielen Leuten zu sprechen, Vorlesungen zu halten, sich auf Preise und Positionen zu bewerben und all das natürlich bestmöglich auszuarbeiten. Und man sollte natürlich den Mut aufbringen und sich auf Professuren bewerben. Selbst, wenn es nicht gleich klappt, bekommt man so wertvolles Feedback, woran man noch arbeiten muss. Eine Alternative zur Professur kann eine permanente Stelle im akademischen Mittelbau darstellen, wobei diese ebenfalls dünn gesät und wahrscheinlich ähnlich schwer zu ergattern sind. Mit einer Mittelbaustelle in der Physik hat man aber ebenfalls durchaus die Möglichkeit tolle Forschungsthemen zu bearbeiten. Für uns Frauen in der Physik möchte ich gern noch anmerken, dass wir im Moment noch extrem unterrepräsentiert sind. Viele Physik-Fakultäten streben daher ernsthaft eine Erhöhung des Frauenanteils unter den Professor*innen an. Wenn man also ambitioniert herangeht, hart arbeitet und das nötige Quäntchen Glück hat, dann hat man durchaus reelle Chancen.”

Was möchten Sie zukünftigen Studierenden/Promovierenden mitteilen?

Prof. Dr. Isabelle Staude: „Mit einer Ausbildung in der Physik kann man ganz viel zur Gesellschaft beitragen. Wir brauchen dringend Lösungen für große Probleme wie den Klimawandel. Hierzu können Physiker*innen durch ihre Problemlösungskompetenz und ihr technisch-naturwissenschaftliches Verständnis in besonderer Weise beitragen. Ich meine damit nicht, dass alle Lösungen technischer Natur sein werden. Aber ich glaube schon, dass neue Technologien und Wissenschaft neue Lösungswege eröffnen können, z.B. durch die Entwicklung klimaneutraler und klimapositiver Technologien. Im Rahmen einer Promotion können z.B. ganz neue Technologieansätze oder Materialien ausprobiert und erforscht werden. Wer es ernst meint und Teil der Lösung sein möchte und eine Affinität dazu hat, das Problem von naturwissenschaftlich-technischer Seite anzugehen, für den bietet eine Promotion in der Physik die Möglichkeit, einen wertvollen Beitrag zu leisten.”

Dieses Interview führte Redakteurin Laura Marie Hattenhauer am 06.07.2023.

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