Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Charité Berlin – Foto: Charité

Doktor der Medizin – Deswegen lohnt sich die Promotion in der Medizin

Die Medizin als Studienfach boomt, gleichzeitig herrscht massiver Mangel an medizinischem Fachpersonal. Braucht es als Arzt oder Ärztin eine Promotion? Welche Fähigkeiten sollte man dafür mitbringen und für wen lohnt sie sich? Inwiefern unterscheidet sie sich von einer Promotion in einem anderen Fachbereich? Und wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Promotion in der Medizin? Dieser Artikel gibt Aufschluss und Antworten zu den wichtigsten Fragen rund um die medizinische Doktorarbeit.

Im Wintersemester 2021/2022 waren in Deutschland 105.275 Studierende in der Allgemeinmedizin eingeschrieben. Damit ist die Medizin der viertbeliebteste Studiengang hinter der Betriebswirtschaftslehre, der Informatik und der Rechtswissenschaft. Direkt auf die Medizin folgt die Psychologie.

Promotion in der Medizin – Doktorarbeit bereits während des Studiums

Die Promotion in der Medizin unterscheidet sich allerdings wesentlich von der Doktorarbeit in anderen Fachbereichen: „Der Student kann bereits vor seinem Hochschulabschluss mit der Doktorarbeit beginnen und muss nicht erst den Hochschulabschluss abwarten. Das verschafft einen gewissen Zeitvorteil, weil man idealerweise die Promotion abschließt, wenn das Studium zu Ende ist“, erklärt Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer. Er ist Professor für Anästhesie und Schmerzmedizin an der Charité in Berlin und langjähriges Mitglied der Promotionskommission, sowie derzeit Vorsitzender dieser Kommission. So erstreckt sich die Promotion üblicherweise auf anderthalb bis drei, manchmal aber auch vier bis fünf Jahre. Die eigentliche Forschungsphase reduziert sich dabei manchmal auf nur drei bis sechs Monate. Möglich ist dies allerdings nur an der eigenen Universität, möchte man für die Promotion den Standort wechseln, ist ein Hochschulabschluss nötig.

Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Charité Berlin – Foto: Charité
Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer, Charité Berlin – Foto: Charité

Der Zeitpunkt der Doktorarbeit sollte gut überlegt sein: „Es geht um die Voraussetzungen für das vertiefte wissenschaftliche Arbeiten, die man mitbringt“, zeigt Dr. Daniel Gruschke, Leiter des Geschäftsbereichs Zentrale Fakultätsangelegenheiten an der Charité auf. „Es ist schon ein Unterschied, ob Sie im Studium bereits größere wissenschaftliche Arbeiten angefertigt, die üblichen Hausarbeiten, eine Bachelorarbeit und dann die Masterarbeit geschrieben haben und dann in die Promotion hineingehen. Da bringen Sie entsprechendes Rüstzeug mit. Sie bringen fünf Jahre Studium mit, Sie bringen die Fähigkeit mit, sehr umfangreiche wissenschaftliche Projekte zu bearbeiten und anspruchsvolle schriftliche Arbeiten daraus zu generieren“, erläutert er.

Entscheidend seien hier auch die Betreuer und Betreuerinnen. Diese seien oft praktisch in der Klinik tätige Ärztinnen und Ärzte, die einer immensen Doppelbelastung ausgesetzt seien. Neben der Doktorandenbetreuung müssten außerdem Patientenversorgung, Forschung und Lehre geschultert werden. Somit sei eine intensive Betreuung, wie sie eigentlich bei einer studienbegleitenden Promotion nötig sei, selten möglich. Gruschkes Botschaft an angehende Promovierende: „Überlegt euch ganz genau, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist, mit der Promotion anzufangen.“ Entscheidend seien die bereits vorhandenen Qualifikationen. Jeder Promovierende müsse sich selbst die Frage stellen: ‚Bin ich bereit, so ein extrem ambitioniertes Projekt zu bearbeiten?’

Promovieren in der Medizin immer beliebter

Trotz der etwas widrigen Bedingungen erhält die Charité jedes Jahr um die 1.000 Promotionsanmeldungen. „Es ist tatsächlich ein fabrikmäßiges Geschäft“, bemängelt Dr. Daniel Gruschke. „Das ist auch Teil des Problems, denn wir wollen nicht einfach nur promovieren, sondern wir wollen es ja auch gut machen.“ Erfolgreich abgeschlossen werden an der Charité von den 1.000 angemeldeten üblicherweise zwischen 450 und 550 Doktorarbeiten. „Die Zahl der Anmeldungen steigt, die Zahl der tatsächlich vollzogenen Promotionen sinkt“, ordnet Dr. Daniel Gruschke ein. Die Promotion in der Medizin ist heute also deutlich gefragter als noch vor zehn Jahren.

In Deutschland promovieren etwa zwei bis drei Prozent aller Studierenden. Mediziner:innen haben dabei einen deutlich höheren Anteil als andere Fachbereiche. Im Jahr 2020 wurden laut dem Statistischen Bundesamt im Bereich der Humanmedizin und der Gesundheitswissenschaften mit insgesamt 45.974 Doktorarbeiten, so viele wie in keinem anderen Fachbereich, abgegeben.

Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass an Universitäten in der Humanmedizin zunehmend Frauen präsent seien. Sie hätten mittlerweile einen Anteil von 60 bis 70 Prozent. Dem Statistischen Bundesamt zufolge befand sich die Allgemeinmedizin im Wintersemester 2021/2022 nach der Betriebswirtschaftslehre, der Psychologie und der Rechtswissenschaft auf Platz vier der am stärksten von weiblichen Studierenden besetzten Studienfächer in Deutschland. Das spiegele sich auch an der Charité und auch in Bezug auf die Promotion wieder. Wie auch in anderen Fachbereichen, kehre sich laut Dr. Daniel Gruschke das Männer-Frauen-Verhältnis allerdings ab der Habilitation und dem Einstieg in die Professur um.

Generell habe es in den letzten Jahren in der Medizin einen Umschwung gegeben: „Eine ganze Generation ist dabei abzutreten. Sehr viele Lehrstühle sind, beziehungsweise werden, mit jungen Nachwuchstalenten besetzt“, ergänzt Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer.

Dr. Helke Hillebrand, Universität Heidelberg: „Eine Promotion in der Medizin lohnt sich immer“

Mediziner:innen sind größtenteils in der Praxis tätig, dennoch hat eine Promotion viele Vorteile für die alltägliche Arbeit: „Aus meiner Sicht lohnt sich eine Promotion in der Medizin immer“, bekräftigt Dr. Helke Hillebrand. Sie ist Direktorin der Graduiertenakademie an der Universität Heidelberg. „Nicht nur für diejenigen, die schon wissen, dass sie eine Forschungskarriere im medizinischen Bereich anstreben möchten, sondern auch für alle, die in den Bereichen Patient:innenversorgung und Patient:innenpflege arbeiten. Die vertiefte Auseinandersetzung mit Forschung, die hinter den medizinischen Erkenntnissen liegt, erzeugt das größte Verständnis dafür, wo neue Behandlungsmethoden für die medizinische Versorgung herkommen und wie man diese zu bewerten hat.“ Eine Promotion schule die eigene Bewertungs- und Beurteilungskompetenz.

Dass dieses Angebot an der Universität Heidelberg gerne angenommen wird, zeigt auch das Scimago Institutions Ranking der beliebtesten Universitäten für Medizin in Deutschland im Jahr 2023: Heidelberg schafft es auf Platz 1. Darauf folgen die Universität Hamburg auf Platz 2, die Ludwig-Maximilians-Universität München auf Platz 3, die Technische Universität München auf Platz 4 und die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf Platz 5.

Dr. Helke Hillebrand, Direktorin der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg
Dr. Helke Hillebrand, Direktorin der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg – Foto: Christine Schilling

Auch Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer spricht sich klar für eine forscherische Auseinandersetzung mit der Medizin aus: „Die Medizin lebt nicht nur von der klinischen Routine, sondern von einer immer wieder neu erarbeiteten wissenschaftlichen Erkenntnis. Spezielle Ausbildungsmodule wie zum Beispiel ‚Wissenschaftliches Arbeiten’ oder die Erstellung einer wissenschaftlichen Hausarbeit ermöglichen Berührungspunkte mit dem wissenschaftlichen Arbeiten und eine erste Vorbereitung auf eine zukünftige Doktorarbeit.“

Mitbringen sollte man für die Phase der Promotion Neugier, Belastbarkeit, Resilienz und Freude am Thema. „Wenn nicht das genuine Interesse daran ist, sich mit dieser einen Sache unendlich intensiv zu beschäftigen, ein bisschen damit verloren zu gehen und zum Schluss die Teile so wieder zusammenzusetzen, dass etwas Neues entstanden ist und man den Bereich an einer Ecke ein kleines bisschen vorangetrieben hat, wenn man daran keine Freude hat, dann wird es nichts oder zumindest sehr hart“, appelliert Dr. Helke Hillebrand.

Diese Eigenschaften sind ebenfalls für den sogenannten ‚MD-PhD’ ratsam: Dieser ergänzt den Medical Doctor um einen forscherischen PhD. „Das ist von vornherein auf einen intensiven, ambitionierten Karrieretrack, bei dem eine forschende Karriere in einem Uniklinikum mit Patient:innenversorgung angestrebt wird, ausgelegt. Das läuft in aller Regel auf die Chefarztkarriere hinaus“, erklärt Dr. Helke Hillebrand. Dieser Karriereweg sei allerdings eher selten.

Für in Praxen tätige Ärzt:innen sei der nach einer Promotion verliehene ‚Doktor med’ nicht mehr unbedingt das Erfolgskriterium. Für eine Krankenhauskarriere könne der Doktortitel aber durchaus den Unterschied machen: „Während man in der Niederlassung immer mehr Ärzte beziehungsweise Fachärzte ohne Doktortitel antrifft – hier zählt sicher mehr die Kompetenz und der Umgang mit den Patienten – kann der akademische Doktortitel für eine Krankenhauskarriere schon ausschlaggebend für die Beförderung zum Oberarzt oder zur Oberärztin sein“, gibt Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer zu Bedenken. Auch Dr. Daniel Gruschke bestätigt, dass mit einer Promotion bestimmte Karrierewege wahrscheinlicher seien als andere.

‚Bench to bedside’ – Forschung direkt an den Patient:innen

Auch die Art der Finanzierung unterscheidet sich in der Medizin etwas von der in anderen Fachbereichen: „Die Mehrzahl der Mediziner:innen, die studienbegleitend promovieren, sind entweder ohnehin in der BAföG- oder in der allgemeinen Studienförderung beziehungsweise selbstfinanziert“, ruft Dr. Helke Hillebrand in Erinnerung. Außerdem sehr üblich seien studentische Hilfskräfte für Forschungsarbeiten oder Stipendien.

Für Mediziner:innen böten sich darüber hinaus auch Klinikpositionen an: „Diese sind insbesondere dann sehr spannend, wenn die Promotion im Kontext von ‚bench to bedside’ passiert, also tatsächlich Forschung am/an der und mit dem/der Patient:in, um den Benefit der Forschung direkt auch wieder auf die Patient:innen übertragen zu können“, ergänzt Dr. Helke Hillebrand.

Auch an der Charité sei die studienbegleitende Promotion einfach eine zusätzliche wissenschaftliche Leistung, die im Rahmen des Studiums nicht unbedingt extra finanziert würde. Drittmittel und Gelder für bestimmte Projekte unterstützten aber die Forschung.

Die Promotion in der Medizin verbindet im Studium Theorie und Praxis – Foto: Charité | Jacqueline Hirscher
Die Promotion in der Medizin verbindet im Studium Theorie und Praxis – Foto: Charité | Jacqueline Hirscher

Eine der am besten verdienenden Berufsgruppen – Gehalt in der Medizin

Mediziner:innen gehören Academics zufolge zu den am besten verdienenden Berufsgruppen in Deutschland. Nichtsdestotrotz ist das Gehalt natürlich von dem/der Arbeitgeber:in und der Fachrichtung abhängig. In kommunalen Krankenhäusern verdient ein Arzt oder eine Ärztin laut dem Marburger Bund im ersten Jahr 5.084,92 EUR, im sechsten Jahr bereits 6.536,31 EUR pro Monat. Das Einstiegsgehalt eines Facharztes oder einer Fachärztin beläuft sich auf 6.711,29 EUR, im 13. Jahr sind es monatlich 8.618,98 EUR auf dem Konto. Ein Oberarzt oder eine Oberärztin kann pro Monat mit 8.406,29 EUR zu Beginn und nach sieben Jahren mit 9.607,20 EUR rechnen. Ein:e Chefarztvertreter:in erhält am Anfang der Karriere im Monat 9.888,50 EUR, nach vier Jahren sind es 10.595,38 EUR.

In Universitätskliniken wird ein Arzt oder eine Ärztin gemäß dem Marburger Bund mit 4.938,79 EUR im ersten und mit 6.339,66 EUR im sechsten Jahr monatlich vergütet. Für den Facharzt oder die Fachärztin stehen zu Beginn 6.518,41 EUR und im 13. Jahr bereits 8.164,68 EUR pro Monat auf dem Gehaltscheck. Ein Oberarzt oder eine Oberärztin verdient im Monat anfänglich 8.164,68 EUR, im siebten Jahr 9.331,05 EUR. Ein:e Chefarztvertreter:in kann pro Monat 9.604,35 EUR im ersten Jahr und 10.837,35 EUR im siebten Jahr erwarten.

Chefärzt:innen sind im Krankenhaus die absoluten Spitzenverdiener:innen und bekommen im Jahr laut dem Kienbaum-Vergütungsreport von 2019 durchschnittlich sogar 177.000 bis 300.000 Euro brutto. Im unteren Bereich finden sich dabei die Geriatrie mit 131.000 bis 215.000 Euro brutto und die Pädiatrie mit 162.000 bis 238.000 Euro brutto pro Jahr. Die lukrativsten Fachrichtungen sind die Chirurgie mit jährlich 181.000 bis 346.000 Euro brutto, die Radiologie mit 155.000 bis 433.000 Euro brutto und die Innere Medizin mit 191.000 bis 448.000 Euro brutto im Jahr.

Auch der Abschluss entscheidet über das Einkommen: Bachelorabsolvent:innen können nach Stepstone im Durchschnitt ein Jahresgehalt von 45.400 EUR aufweisen. Mit einem Masterabschluss sind es 5.200 EUR mehr im Jahr.

Ebenso relevant für das Gehalt ist der Standort: Ärzt:innen in Baden-Württemberg erhalten laut Stepstone mit durchschnittlich 7.295 EUR pro Monat am meisten, Ärzt:innen in Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 5.990 EUR monatlich am wenigsten.

Tipps für Promovierende: Rechtzeitig informieren, richtiger Zeitpunkt und Interdisziplinarität

Angehenden Promovierenden rät Univ.-Prof. Dr. med. Michael Schäfer: „Informieren Sie sich gut über das Thema, den/die Betreuer:in, achten Sie darauf, ob regelmäßig veröffentlicht wird, sind Drittmitteleinwerbungen vorhanden, welche Doktoranden hatte er/sie vorher? Nehmen Sie eventuell mit den Ehemaligen vorher Kontakt auf!“ Dr. Daniel Gruschke ergänzt für die studienbegleitende Promotion: „Überlegen Sie sich, ob Sie zum Zeitpunkt Ihrer Themen- und Betreuersuche schon den nötigen Background, die nötige Ausbildung und die Qualifikationen dafür mitbringen. Studium ist ein Vollzeitjob und eine Promotion ist im Grunde auch Vollzeit. Zweimal Vollzeit ist schon echt fordernd. Wenn man diese Faktoren im Blick behält und dann sagt ‚Ja, das passt’, dann wird das auch was.“

Dr. Helke Hillebrand verweist abschließend auf das Thema Interdisziplinarität: „Mediziner:innen heute decken ja den gesamten Weg vom Hörsaal zum Krankenbett zu Metastudien und eben auch zu Forschungsdaten ab. Ein richtig guter Arzt oder eine richtig gute Ärztin, der/die spezialisiert ist auf, seien es die Nieren, das Herz oder den kindlichen Organismus, der/die profitiert natürlich unendlich davon, wenn er/sie die ganze Breite des menschlichen Organismus verstanden hat. Insofern ist das Medizinstudium mit aller Spezialisierung mit dem Aufruf verbunden, links und rechts zu gucken, um trotz des Expert:innenwissens immer noch ein Gefühl für die Komplexität des Gesamtorganismus zu behalten und darüber mit der Freude an diesen Einsichten und Erkenntnissen an den/die Patient:in zu gehen und ihn/sie von oben bis unten anschauen zu können und dabei eben weiter auch die Freude am Umgang mit dem Mensch, der im/in der Patient:in steckt.“

Die beiden Interviews führte Redakteurin Julia Brechtelsbauer am 24.05.2023 und am 16.06.2023.

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