Prof. Dr. Paul Sauseng, Professor für Biologische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Doktor der Psychologie – Deswegen lohnt sich die Promotion in der Psychologie

Immer mehr Menschen legen Wert auf ihre mentale Gesundheit. Das Thema kommt langsam aus der Tabuecke der Gesellschaft hervor und offene Therapieplätze sind ein rares Gut. Genauso im Fokus steht der Fachbereich auch bei Studierenden: Im Wintersemester 2021/2022 waren laut dem Statistischen Bundesamt 105.091 Student:innen im Studiengang Psychologie eingeschrieben. Damit ist die Psychologie das fünftbeliebteste Fach nach der Betriebswirtschaftslehre, der Informatik, der Rechtswissenschaft und der Medizin.

Was die Betriebswirtschaftslehre so beliebt macht, erfahren Sie hier. Warum Prof. Dr. Torsten Schaub, Professor für Wissensverarbeitung und Informationssysteme am Institut der Informatik und Computational Science an der Universität Potsdam eine Promotion in der Informatik als eine Verbesserung der Jobqualität in eben dem Fachbereich ansieht, gibt es hier zu lesen. Was eine Promotion in der Rechtswissenschaft so gängig macht, berichtet Prof. Dr. Armin Hatje, Inhaber der Professur für öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Hamburg im Interview.

Promovieren in der Psychologie – Ein weiblich geprägtes Feld

Psychologie ist vor allem unter weiblichen Studierenden populär. Im Vergleich der am stärksten von weiblichen Studierenden besetzten Studienfächer schafft es die Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaft im Wintersemester 2021/2022 auf Platz 2. Das beobachtet auch Prof. Dr. Paul Sauseng. Er ist Professor für Biologische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und forscht im Bereich der Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsforschung: „Ganz generell ist es so, dass wesentlich mehr Frauen Psychologie studieren als Männer. Es ist teilweise schon echt ein bisschen schockierend, wie wenige Männer im Bachelor studieren.“ Das zieht sich auch bis zur Promotion durch. Im Jahr 2020 haben in Deutschland insgesamt 3.589 Doktorand:innen promoviert. Davon waren 2.510 weiblich und nur 1.079 männlich.

Danach kehre sich das Phänomen allerdings langsam um: „Je höher es in der Karrierestufe vorwärtsgeht, desto mehr dreht sich dieser Bias ganz klar in Richtung Männer. Wenn man sich anschaut, wie viele Professuren in der Psychologie von Frauen, und wie viele von Männern besetzt sind, sind das schon sehr, sehr viel mehr Männer.“ Auch in der Psychologie herrscht also noch Optimierungsbedarf hinsichtlich der Frauenförderung in den höchsten Ebenen.

Prof. Dr. Paul Sauseng, Professor für Biologische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München Prof. Dr. Paul Sauseng, Professor für Biologische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München – Foto: Melanie Aitbelkacem
Prof. Dr. Paul Sauseng, Professor für Biologische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München – Foto: Melanie Aitbelkacem

Warum sollte man sich für eine Promotion in der Psychologie entscheiden?

Wer aber Lust auf eine Karriere in der Forschung hat, für den/die lohnt sich die Promotion auf jeden Fall. Prof. Dr. Paul Sauseng motiviert, warum man sich für eine Dissertation in der Psychologie entscheiden sollte: „Wenn man wirklich diesen Antrieb hat, dass man neugierig ist, dass man die Arbeit mag, die mit Forschung zusammenhängt und auch die Frustration toleriert.“ Denn die Arbeit in der Wissenschaft sei nicht immer geradlinig. Aber: „Es ist super abwechslungsreich und man kann etwas kreieren, etwas neu schaffen. Wenn man das möchte, dann ist man richtig bei einer Dissertation“, ordnet Prof. Dr. Paul Sauseng ein. Das Ziel sollte sein, in der Forschung aktiv bleiben zu wollen und nicht lediglich aufgrund des Titels zu promovieren. „Es ergibt gar keinen Sinn, wenn man Leute ermutigt, eine Dissertation zu schreiben, bei denen man aber nicht denkt, dass sie wirklich den Drive haben und die Fähigkeiten in der Forschung zu überleben“, ergänzt Prof. Dr. Paul Sauseng. Es brauche „Sitzfleisch“ und auch ab und an mal den „Elbow grease“ (also das Durchkämpfen), Motivation und Neugierde. „Und das Bedürfnis, selbst etwas zu schaffen, dass man eine Nische findet.“ Prof. Dr. Paul Sauseng sieht diese Phase der wissenschaftlichen Karriere als den Zeitpunkt an, an dem Promovierende „zum eigenständigen, selbstständigen Forscher oder zur Forscherin“ werden und langsam eine eigene Richtung in der Forschung entwickeln. Außerdem ist es eine gute Möglichkeit „noch intensiv betreut zu werden“ in einem Umfeld, das „hoffentlich fördernd“ ist.

Promotion in der Psychologie – Eine intensive Betreuung ist wichtig

Er persönlich legt bei Dissertationen viel Wert auf eine individuelle Betreuung und das scheint anzukommen: In der Liste des QS World University Rankings der besten Universitäten im Fach Psychologie in Europa schafft es die LMU auf Platz 19 und konkurriert dabei mit Oxford und Cambridge auf Platz 1 und 2. „Mir ist zum einen wichtig, dass ich nicht viele Doktorierende habe. […] Das sind nicht einfach irgendwelche Arbeitskräfte, sondern das ist mein Research-Team“, erklärt Prof. Dr. Paul Sauseng. Oftmals hätten Betreuende überhaupt keine Ahnung, worum es in den Arbeiten ginge und wo Doktorierende gerade ständen. Deshalb besteht sein Team in der Regel aus höchstens drei Promovierenden, um intensives Arbeiten, ständigen Austausch und eine familiäre Atmosphäre gewährleisten zu können. Angehenden Doktorand:innen gibt er einen Tipp mit auf den Weg: „Genau anschauen, wie intensiv eigentlich betreut wird.“ Ebenso wichtig seien das Thema der Dissertation und das Feld, in dem man arbeiten möchte.

Prof. Dr. Paul Sauseng: „Man sollte sich nicht von zu viel Reputation blenden lassen.“

Außerdem sollte man sich bei der Wahl des Lehrstuhls und der Universität nicht von zu viel Reputation blenden lassen. „Wenn man zum Beispiel in einem weltweit führenden Labor die Dissertation schreibt, dann hat man natürlich viele Möglichkeiten und es ist auch wahrscheinlich, dass man gut publiziert, schon während der Dissertation. Aber, wenn das nicht der Fall ist, wird hinterher gesagt ‚Der kommt aus der und der Gruppe, eigentlich hätte man da schon erwarten können, dass da ein bisschen mehr rüberkommt’. Viel wichtiger ist, dass man schaut, ist das Arbeitsumfeld eines, wo ich mich entfalten kann? Werde ich Möglichkeiten haben, dass ich selbst etwas kreiere? Oder muss ich einfach nur stur die Sachen abarbeiten, die die Supervisorin oder der Supervisor mir sagt? Ein Gespür dafür zu haben, was das optimale Umfeld ist, ist vielleicht noch wichtiger, als zu schauen, wie high-ranking die Universität ist“, empfiehlt er.

Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München – Foto: LMU München
Die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München – Foto: LMU München

In Deutschland ist die Ludwig-Maximilians-Universität München laut dem Scimago Institutions Ranking die beliebteste Universität für ein Psychologiestudium. Es folgen auf Platz 2 die Eberhard-Karls-Universität Tübingen, auf Platz 3 die Universität Hamburg, auf Platz 4 die Universität Heidelberg und auf Platz 5 die Universität Leipzig.

Promotion in der Psychologie – Wege der Finanzierung

Wie bei allen anderen Promotionen, stellt sich auch in der Psychologie die Frage nach der Finanzierung. Laut Prof. Dr. Paul Sauseng gibt es hier mehrere Möglichkeiten: Universitäten hätten oft ein paar E13-Stellen, die allerdings nur 50 Prozent abdeckten und zusätzlich ein Lehrdepudat von zweieinhalb Semesterwochenstunden mit erforderten. Ein Großteil würde über Drittmittel finanziert. Klassiker sei das DFG-Projekt (Deutsche Forschungsgemeinschaft). Das könne allerdings gegen Ende der Dissertation problematisch werden, da es eine Laufzeit von drei Jahren habe und eine Dissertation in der Regel länger brauche und dementsprechend eine Anschlussfinanzierung nötig sei. Einen Überblick über weitere Promotionsfinanzierungsmöglichkeiten gibt es hier.

Ebenso möglich ist eine Industriepromotion. Prof. Dr. Paul Sauseng erläutert, dass es beispielsweise bei Audi im Bereich Wirtschafts- und Führungspsychologie Programme gebe, die eine Anstellung beim deutschen Automobilhersteller und eine industrielle Forschung für die Dissertation an einer Universität verbänden.

PhD an der Graduate School of Neuroscience in München

Ist die Promotion geschafft, wird in der Regel der ‚Doktor der Philosophie’ verliehen. Promovierende unter der Betreuung von Prof. Dr. Paul Sauseng können aber auch mit dem PhD abschließen. „Meine Doktorand:innen sind fast alle in der Graduate School of Neuroscience. Das ist eine [internationale, Anm. d. Red.] Graduiertenschule, die vom Munich Center for NeuroScience betrieben wird. Das ist ein Zusammenschluss von ganz vielen Neurowissenschaftler:innen in München, hauptsächlich von der LMU. Aber es ist auch die TU mit dabei, Leute von der Psychologie, Biologie, Neurologie, Psychiatrie und Rechts der Isar, selbst von den Fraunhofer Instituten und Max-Planck-Instituten.“ Das Zentrum verbindet die experimentelle Neurobiologie mit der Philosophie des Gehirns und des Geistes. Forschende arbeiten zu den Themen Verhaltens- und kognitive Neurowissenschaften, biomedizinische Neurowissenschaft, zelluläre und systemische Neurowissenschaften, molekulare und Entwicklungsneurowissenschaften, Neurophilosophie und theoretische Neurowissenschaften und technischen Anwendungen. Die Graduate School bietet sogar Bildungs- und Studienprogramme an der Harvard University in Boston. Wer sich für eine Promotion oder einen Forschungsaufenthalt in den USA interessiert, findet hier alles Wissenswerte rund um das Wissenschaftssystem der USA.

Die Psychologie verbindet man klassischerweise mit der klinischen Psychologie oder Psychotherapie. Die Anzahl der Beschäftigten in der klinischen Psychologie ist von 2012 bis 2021 von 23.121 auf 36.514 gestiegen. Dort gebe es nach Prof. Dr. Paul Sauseng auch den größten Bedarf. In der Forschung blieben allerdings nicht so viele. Der Fachbereich hat allerdings auch spezialisierungstechnisch noch viel mehr zu bieten. Prof. Dr. Paul Sauseng entschied sich für die naturwissenschaftliche Seite: „Ich wollte wissen, wie das Denken funktioniert und wie unser Hirn funktioniert.“ Auch die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse in der nicht klinischen Psychologie ist in den letzten Jahren von 23.121 (2012) auf 36.514 (2021) stetig gewachsen.

Eine Karriere in der industriellen Forschung lohnt sich in der Psychologie
Eine Karriere in der industriellen Forschung lohnt sich in der Psychologie

Wissenschaftliche Karriere in der Psychologie – Ein Blick nach links und rechts lohnt sich

Genauso offen wie für nischigere Themenbereiche der Psychologie sollten auch in den Arbeitsmarkt eintretende Absolvent:innen laut Prof. Dr. Paul Sauseng in Bezug auf den weiteren Karriereweg sein. Universitäre Forschung sei nicht groß überbezahlt. In der industriellen Forschung hingegen herrsche sehr große Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften. Auch in der pharmakologischen Industrie oder als Datenanalyst hätte man gute Chancen. „Bei Leuten, die eine Dissertation in der Psychologie anfertigen, weiß man, dass sie kritisch analysieren können, dass sie wissen, wie man Experimente und Studien aufzieht“, folgert Prof. Dr. Paul Sauseng. „Es sind schon viele Möglichkeiten gegeben, wo man auch recht gut bezahlt wird. Man darf es einfach nicht so eng sehen, dass ich denke ‚Jetzt habe ich die Dissertation gemacht und bin jetzt auf der Postdoc-Stelle und danach gibt es nur die Möglichkeit, dass ich habilitiere und irgendwann muss ich die Professur haben’, sondern man muss ein bisschen nach links und rechts schauen und offen für andere Möglichkeiten sein.“

Schwierige langfristige Perspektiven in der Forschung – Nomadenleben nach der Dissertation

Die Jobaussichten für studierte Psycholog:innen sind generell gut: „Es werden mehr Psycholog:innen gebraucht, als es Studienplätze gibt“, versichert Prof. Dr. Paul Sauseng. Nichtsdestotrotz macht er auch auf die schwierigen Bedingungen in der Wissenschaft aufmerksam: „Das Problem ist, dass durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz die längerfristigen Perspektiven in der Forschung sehr schlecht sind. Dass man nur gewisse Zeit auf befristeten Stellen bleiben darf und einfach entlassen wird, wenn man bis sechs Jahre nach der Dissertation keine permanente Stelle gefunden hat, von denen es aber kaum welche gibt. Da gibt es nur Professuren, die durch die Verbeamtung sehr lange nicht verfügbar sind. Das heißt, man muss entweder darauf warten, bis jemand stirbt oder in Pension geht und dann wird so eine Stelle frei. Sonst gibt es nur ganz wenige von diesen akademischen Ratsstellen auf Lebenszeit.“ Danach beginne für Promovierte ein Nomadenleben, in dem man von hier nach dort ziehen müsse. Das sei aber nicht das Problem der Dissertation, sondern der weiteren Karriereoptionen. Die Möglichkeiten nach der Promotion seien schon ganz gut: „Wir sind nicht so viele Leute, die ein Doktorat in der Psychologie machen und dann in der Luft hängen“, ordnet Prof. Dr. Paul Sauseng ein. Es braucht also wie überall in der Wissenschaft auch in der Psychologie Passion für die Forschung und Geduld mit der Karriereleiter.

Außerdem gibt auch noch andere Optionen: Psycholog:innen, die auf klinische Psychologie spezialisiert sind, kommen beispielsweise als Psychoonkolog:innen für die Begleitung Krebskranker oder als Gerontopsycholog:innen bei der Unterstützung im Rahmen psychischer Belastung durch das Älterwerden zum Einsatz. Wirtschaftspsycholog:innen sind häufig im Recruitment oder Marketing tätig, bieten Coachings oder Unternehmensberatung an. Absolvent:innen der Medienpsychologie setzen sich mit Mediennutzung auseinander oder sind im IT-Consulting beschäftigt. Pädagogische Psycholog:innen sind im Bereich der Erziehung und Bildung zu finden und können beispielsweise auch an Schulen angestellt sein. In der Rechtspsychologie findet man in Gerichtsverfahren zur Überprüfung der Schuldfähigkeit die forensische Psychologie.  Mögliche Arbeitgeber:innen der Kriminalpsychologie können Gerichte, der Strafvollzug oder die Polizei sein. Die Einsatzmöglichkeiten von Psycholog:innen sind also vielseitig.

Mit einer Promotion in der Psychologie steigt das Gehalt
Mit einer Promotion in der Psychologie steigt das Gehalt

Was verdienen Psycholog:innen?

Das Gehalt von Psycholog:innen ist abhängig davon, ob sie angestellt, verbeamtet oder freiberuflich tätig sind. Ein durchschnittliches Brutto-Jahresgehalt beläuft sich laut Stepstone auf 42.900 EUR. Die meisten Psycholog:innen bewegen sich in einer Gehaltsspanne von 36.400 EUR bis 50.800 EUR brutto im Jahr. Bachelorabsolvent:innen können ein Einstiegsgehalt von etwa 37.107 EUR brutto pro Jahr erwarten. Bei einem Masterabschluss klettert die Summe auf 46.357 EUR brutto jährlich. Eine Promotion wiederum verspricht einen Gehaltsanstieg von noch einmal elf Prozent. Nach fünf Jahren Berufserfahrung winken pro Jahr im Schnitt 47.400 EUR brutto. Nach zehn Jahren steigt das Jahresgehalt auf 53.280 EUR brutto an. Nach 20 Jahren können erfahrene Psycholog:innen mit durchschnittlich 62.160 EUR brutto im Jahr rechnen.

Psycholog:innen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, verdienen von Entgeltgruppe E13 bis Entgeltgruppe E15 durchschnittlich 4.978 EUR brutto bis 5.891 EUR brutto im Monat. Wirtschaftspsycholog:innen erhalten laut Academics am meisten Gehalt.

Dieses Interview führte Redakteurin Julia Brechtelsbauer am 13.04.2023.

Karriere Psychologie, Karriere und Wissenschaft